WINTERZAUBER
Foto: Kaiser
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Verhängnisvolles Karree
Die Führerscheinprüfung problemlos bestehen nach 32 Jahren Fahrpraxis? Claudia Cremer wollte es
wissen und meldete sich zu einer Übungsfahrt in der Kempener Fahrschule am Bärenbrunnen an.
W
ir fangen mit dem
Einstellen des Sitzes
an, dann folgen die
Spiegel“, sagt Tobias Klemm.
Mit einem Lächeln verschiebt
Claudia Cremer den Fahrersitz des Golfs nach hinten,
was eine erste erstaunte Frage
des Fahrlehrers auslöst, ob sie
immer so fahren würde. Ein
Nicken der Düsseldorferin erfolgt, wobei sie auf ihre lang
ausgestreckten Beine blickt.
„Diese Sitzposition ist sehr gefährlich, falls es zu einem Unfall kommen sollte. Gebrochene Beine sind garantiert. Wenn
die Kupplung durchgetreten
ist, sollte das Bein angewinkelt
sein. Bei einem Auffahrunfall
federn die angewinkelten Bei-
ne den Aufprall ab“, erläutert
Klemm.
Dazu gibt der Betreiber der
Fahrschule am Bärenbrunnen
in Kempen direkt den nächsten
Tipp, diesmal für die Kopfstütze. Zu tief eingestellt kann sie
bei einem Unfall zu einem Genickbruch führen. Darum sollte
sie immer am Hinterkopf anliegen. Für den linken Außenspiegel gilt: Wenn der hintere
Türgriff in der unteren rechten
Spiegelecke zu sehen ist, ist
das Optimum erreicht. Beim
Innenspiegel sollte die mittlere
Kopfstütze indes zu sehen sein.
Jede Menge Tipps also, bevor
der Fahrschulwagen zu einer
besonderen Fahrt das erste Mal
gestartet wird.
Erste Korrektur nach
wenigen Metern
Claudia Cremer besitzt seit
32 Jahren den Führerschein
und möchte einfach einmal
wissen, ob sie eine Fahrprüfung bestehen würde. „Meine
Tochter hat Anfang des Jahres
den Führerschein gemacht.
Wenn ich gefahren bin, hat
sie mich am laufenden Meter
korrigiert“, berichtet die zweifache Mutter. Daraufhin nahm
sie ihr eigenes Fahrverhalten
unter die Lupe und stellte
unter anderem Blinkfaulheit
und teilweise Schilderignoranz fest. Die Idee reifte, eine
Fahrstunde zu nehmen, um
zu sehen, wo sich Dinge über
die Jahre eingeschlichen haben, die man besser abstellen
sollte.
Schon auf den ersten Metern gibt es eine Korrektur.
Das Lenkrad soll nicht von
innen angefasst werden. „Das
gibt doch Knoten im Arm“,
meint Klemm scherzhaft. Gelenkt wird von außen und das
mit beiden Händen. Die typischen Fehler von langfristigen
Führerscheinbesitzern kristallisieren sich schnell heraus.
Innen- und Außenspiegel- sowie Schulterblick sollten eine
Einheit bilden.
Rechts vor links absolviert die 50-Jährige vorbildlich. Auch das Überholen von
Radfahrern erfolgt mit dem
entsprechenden Abstand, der
laut Vorschrift bei 1,50 Meter
liegen muss. Doch das Blinken, wenn ein am Straßenrand
stehendes Fahrzeug überholt wird, muss noch geübt
werden. Das gilt auch für das
Verlassen des Kreisverkehrs.
Klemm lässt das Blatendoop
Karree ansteuern und das
wird, wie vielen Fahrprüflingen schon zuvor, auch ihr zum
Verhängnis. Beim Linksabbiegen ordnet sie sich zu weit
links ein und steht damit ein
Stück im Gegenverkehr, wenn
dieser kommen würde.
Faszinierende
Einparkhilfe
Beim Rückwärtseinparken helfen Kamera und Sensoren, die
sich mittels Piepsen melden,
wenn es eng werden sollte. Völlig fasziniert ist Claudia Cremer
von der automatischen Einparkhilfe. Klemm erklärt, wie
es geht und die „Fahrschülerin“
parkt ein, ohne die Hände am
Lenkrad zu haben. Der Wagen
macht alles automatisch, wobei sie nur vorsichtig über die
Kupplung die benötigte Bewegung gibt.
Dann geht es weiter mit der
Vollbremsung bei 30 Stundenkilometern. Das kostet Überwindung. Doch Klemm ist erst
zufrieden, als das ABS entsprechend einsetzt. „Das ist ungewohnt. Ich weiß gar nicht mehr,
wann ich zum letzten Mal eine
Vollbremsung gemacht habe“,
bemerkt Claudia Cremer.
Als sie den Wagen vor der
Fahrschule an der Ellenstraße
ein letztes Mal einparkt, ist eins
klar. Im Laufe der Zeit schleichen sich unbemerkt Dinge
beim Autofahren ein, denen
es gut tut, wenn noch einmal
daran erinnert wird. Denn das
bringt Sicherheit für alle im
Straßenverkehr.
BIANCA TREFFER