Hundefreundin Katrin Dowidat holte die zurückhaltende Hündin damals zu sich nach Hamburg. „ Lila ist jetzt gut vier Jahre alt und hat Arthrose, die ihr immer wieder Schmerzen bereitet.“
Glück hatte auch Anne Pflugstert, als sie sich nach der Ausbildung zur Tierphysiotherapeutin und Chiropraktikerin für Hunde und Pferde selbständig machte. „ Ich konnte in die bestehende Praxis einer Fitness-Trainerin für Menschen mit Hund einsteigen.“ Und damit das machen, was sie als ihre Berufung empfindet: Hunden und Pferden zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Allein durch die Arbeit ihrer Hände. Während sie Hunde dafür zu sich in die Praxis bestellt, besucht sie Pferde im Stall.
Inzwischen hat sie sich einen Namen gemacht. Nicht nur bei Tierbesitzern, die durch Mundpropaganda zu ihr kommen, auch Tierärzte überweisen ihr viele Patienten, weil sie mit Kompetenz punktet. „ Wenn mir ein Tierarzt einen Hund nach einer Kreuzbandriss-OP mit der Diagnose ‚ Lahmheit aufgrund mittelgradiger Arthrose nach operativ behandelter Ruptur des Lig. cruciatum anterius‘ zur Physiotherapie überweist, muss ich die medizinische Fachsprache verstehen“, so Anne Pflugstert. „ Sonst kann ich nicht beurteilen und entscheiden, welche physiotherapeutischen Maßnahmen sinnvoll oder vielleicht sogar kontraindiziert sind.“
Den Fachjargon im eigenen Wortschatz zu verankern, war Anne Pflugstert aber noch aus einem anderen Grund wichtig. „ Als Physiotherapeutin arbeite ich in einem Bereich, in dem Ärzte und Wissenschaftler den Dingen lange vor meiner Zeit Namen gegeben haben. Sie haben gleichsam eine ‚ Sprache der Physis‘ geschaffen, und eine wirkliche Physiotherapeutin kann ich nur sein, wenn ich diese Sprache auch selbst gebrauche.“
„
In einer Patientenakte stehen zu haben „ das Tier humpelt“ sei letztlich so ziemlich alles – aber keine Dokumentation.
Ich möchte mich mit Fachkollegen nicht auf Laien-Niveau austauschen.“
Sie möchte ihre Fälle später korrekt nachvollziehen können. Anne Pflugstert durchforstet ihre Patientenkarteien. „‚ Das Tier humpelt‘ sagt mir überhaupt nichts“, meint sie, zückt im selben Augenblick eine gelb gebundene Klappkarte, schlägt sie auf und liest vor:
„ Der Patient zeigt eine geringgradige Stützbeinlahmheit mit sehr abgeflachtem Bogen in der Vorführphase. Des Weiteren zeigt sich im Schritt eine mangelhafte Schwingung im thorakolumbalen Bereich sowie eine eingeschränkte Laterolateralflexion. Die Kibler-Hautfalte zeigt Adhäsionen im Bereich L1-L3. Die Palpation zeigt einen Muskelhartspann im Bereich der lumbalen Rückenstrecker. Außerdem eine Atrophie des M. supraspinatus beidseits, des M. infraspinatus sowie des M. deltoideus rechts. Geringgradige Krepitation im rechten Kniegelenk. Extension 145 ° und Flexion 50 °.“
Kein Wunder, dass unzureichend ausgebildete Tierphysiotherapeuten von Tierärzten nicht ernst genommen werden. Zu recht. Auch die Bezeichnung Tierphysiotherapeut ist nicht geschützt, und es gibt durchaus schwarze Schafe, die sogar ohne jede Ausbildung Hand an Tiere legen. Was unverantwortlich ist, wie Anne Pflugstert findet. „ Ich werde immer wieder nach meiner Ausbildung und den Ausbildungsinhalten gefragt. Glücklicherweise wollen viele Patientenbesitzer mittlerweile wissen, ob man sein Handwerk gelernt hat“, sagt sie, froh darüber, mit einem Abschlusszeugnis der ATM nachweisen zu können, dass sie weiß, was sie tut.
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