Physiotherapeutische Maßnahmen bieten sich in einem mannigfaltigen Spektrum unterschiedlichster Anwendungsbereiche an. Ob Nachsorge nach Operationen oder Verletzungen, Abnutzungserscheinungen, Überlastung, zuchtbedingte Problematiken, Muskelschmerzen, Frühbehandlung von Welpen oder von Gelenkproblemen bei Hundesenioren oder Pferden, die lange in der Box stehen müssen, die Betreuung von Pferden und Hunden im Leistungssportbereich – die Tätigkeitsfelder des Tierphysiotherapeuten sind vielfältig, der Markt ist riesig.
Anne Pflugstert begann ihre Ausbildung ohne medizinische Vorbildung.
Vor allem am Anfang sei das schwierig gewesen, erinnert sie sich. „ Bei meinem Einstieg ins Studium war das Thema Neurologie an der Reihe. Es erwies sich als so komplex, dass ich fast an meiner eigenen Frustration verzweifelte.“ Doch das hatte auch sein Gutes. Denn: „ Wer Schwierigkeiten nicht aushält, der hält auch die Arbeit in einer eigenen Praxis nicht aus.“
Nach den Beweggründen für ihre Ausbildungsentscheidung gefragt, kommt die Antwort prompt: Sie habe unbedingt etwas mit den Händen machen wollen. Anne Pflugstert empfindet sich als Handwerkerin, will mit dem Tier für die Behandlung eine physische Verbindung eingehen. „ Wer Tiere physiotherapeutisch behandelt, muss neben fachlichem Können viel Feingefühl für den Patienten und ein gutes Gespür für das Tier
|
mitbringen.“ Und für die Arbeit. „ Ich muss wissen, wann es schmerzhaft für den Patienten sein könnte.“ Wer heftige Schmerzreaktionen provoziert, verspielt als Tierphysiotherapeut die Kooperation des Patienten.
Nach durchblutungsfördernder Massage und Gelenkmobilisation geht es für Lila auf das Unterwasserlaufband, eines der wenigen technischen Geräte, die Anne Pflugstert verwendet. In Lilas Augen ist es vermutlich eine Art wassergeflutete Leckerli-Fütterstation. Mit Trockenfleisch machen ihr Besitzerin Katrin Dowidat und Anne Pflugstert den Gang ins Wasser im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft. „ Diese Praxis soll für die Hunde durch und durch positiv besetzt sein, sie sollen schon freudig zur Tür hereinkommen.“ Panik im Wasserbecken? Das will niemand. Mensch und Tier schätzen die entspannende, angenehme Atmosphäre der Praxis gleichermaßen.
Würde Anne Pflugstert die Ausbildung zur Tierphysiotherapeutin noch einmal machen? „ Unbedingt“, sagt sie ohne zu zögern. „ Die Ausbildung hat mir die Fähigkeit geschenkt, mit meinen Händen kleinste Strukturen zu ertasten und sogar winzigste Anomalien zu spüren. Druck so zu dosieren, dass meine Berührungen therapeutische Wirkung beim Tier entfalten und nicht etwa aversiv empfunden werden. Die sprichwörtlich heilende Kraft meiner Hände fasziniert mich mehr als beispielsweise Arzneimitteltherapie. Was mich allerdings auch noch sehr interessieren würde, wären die psychosomatischen Zusammenhänge zwischen den Strukturen des Bewegungsapparates und der psychischen Verfassung des Tieres. Das neue Fach Tierpsychosomatik trifft da genau das, was speziell in der Tierphysiotherapie noch gefehlt hat.“
|
Sanfte Gelenkmobilisation gegen Lilas Arthrose-
Beschwerden
|
REPORTAGE – TierphysIOtheraPIe |
|||
53 |