Suchtreport 2019 – CRAFT Neue Wege in der Suchttherapie 2019-08-26_suchtreport_2019 | Page 16

«Man kann das Gefühl der Hilflosigkeit abbauen» Die Suchtberaterin Sarah Cathomas arbeitet seit einigen Jahren in der Fach- stelle für Suchtfragen in Chur. Im Rahmen einer Weiterbildung hat sie sich intensiv mit CRAFT beschäftigt und dazu eine CAS Arbeit geschrieben. In dem Interview spricht sie über ihre Erfahrungen im Umgang mit Angehörigen. Sarah Cathomas, in Ihrer Funktion als Suchtberaterin begegnen Sie Menschen mit einer Suchtmittel- abhängigkeit. Worin liegt die beson- dere Herausforderung Ihrer Arbeit? Menschen mit einer Abhängigkeitspro- blematik leiden oft unter einer inneren Zerrissenheit. So wünschen sie sich an manchen Tagen, die Abhängigkeit schleu- nigst aus dem Weg schaffen zu können, sich gar in Therapie zu begeben. In einer anderen Situation wiederum ist es ihnen kaum mehr möglich, eine Introperspek- tive herzustellen, womit meist auch die Veränderungsmotivation verloren geht. Eine weitere Herausforderung liegt darin, dass in der Zusammenarbeit mit weiteren Stellen, eine Abhängigkeit immer noch nicht als Krankheit angesehen wird. So wird den Klientinnen und Klienten oft fehlende Mitwirkung und fehlender «Wille» unterstellt. Dies kann die Rolle als Vermittlerin ziemlich herausfordern. In gravierenden Fällen wird man mit Stigmatisierung, nicht nur gegenüber der Klientel, sondern gar in Bezug auf die eigene Rolle konfrontiert. Diese Stigmatisierung trifft übrigens auch viele Angehörige von Menschen mit einer Suchtmittelabhängigkeit. Welche Erfahrungen haben Sie im Umgang mit Suchtmittelabhängigen und deren familiären Umfeld gemacht? In den meisten Fällen empfinden die Angehörigen eine starke Hilflosigkeit. Oftmals auch, weil sich der oder die Erkrankte nicht in Beratung begibt und somit die ganze Hilfe- und Unterstützungsleistung auf ihnen lasten bleibt. Ins- besondere, wenn die Hilfeleistung nichts bewirkt, geraten sie in das Dilemma, wie sie sich verhalten sollen – weiterhin helfen oder sich doch zurückziehen? Bei uns auf der Beratungsstelle melden sich die Angehörigen meistens erst 16