Suchtreport 2019 – CRAFT Neue Wege in der Suchttherapie 2019-08-26_suchtreport_2019 | Page 15
ren und welche Bewältigungsmechanismen sie anwenden. Besonders hohe
Belastungen ergeben sich aus resignativen Bewältigungsstilen, aber auch aus
Versuchen, die Kontrolle über die Situation zu gewinnen, insbesondere, wenn
diese Versuche scheitern. Die Belastungen Angehöriger werden zudem oft
dadurch verstärkt, dass mit fortschreitenden Suchterkrankungen ein sozia-
ler Rückzug stattfindet, infolge dessen Angehörige sich zunehmend sozial
isolieren. Dieser Rückzug ist auch dadurch bedingt, dass Suchterkrankungen
weithin noch immer nicht als psychische Erkrankungen akzeptiert, sondern
als moralisches Fehlverhalten stigmatisiert werden – eine Stigmatisierung,
die dann auch auf die Angehörigen zurückfällt.
So nachvollziehbar der Wunsch, Angehörige mögen sich mehr um das eige-
ne Wohlergehen kümmern und sich gegenüber dem Suchtkranken stärker
abgrenzen angesichts derer oft dysfunktionalen Versuche, den Suchtkranken
zu beeinflussen oder Schaden von ihm abzuwenden auch sein mag, so dys-
funktional kann sich dieser Wunsch für Beratung und Hilfen auswirken, wenn
Angehörige andere Ziele verfolgen. Studien konnten zeigen, dass ein verbreite-
tes Anliegen bei hilfesuchenden Angehörigen ist, konkrete Bewältigungsstra-
tegien für den Umgang mit dem Suchtkranken zu erhalten – oftmals mit dem
Ziel, dieser möge sich verändern. Ansätze wie das Community Reinforcement
and Family Training CRAFT haben gezeigt, dass Angehörige in vielen Fällen
dieses Ziel auch erreichen können. Notwendig für eine bedarfsorientierte
Angebotsstruktur erscheint deshalb eine zieloffene Haltung, wie sie bei der
Behandlung anderer psychischer Beschwerden zunehmend selbstverständlich
wird. Das Co-Abhängigkeitsmodell ist vor diesem Hintergrund als Teil des
Problems zu betrachten und durch wissenschaftlich fundierte Konzepte wie
das Stress-Strain-Coping-Support-Modell zu ersetzen.
Von Gallus Bischof
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