Suchtreport 2019 – CRAFT Neue Wege in der Suchttherapie 2019-08-26_suchtreport_2019 | Página 17

dann, wenn ihr eigener Leidensdruck für sie kaum mehr auszuhalten ist und sie sich eben in diesem Dilemma befinden. Häufig ist es so, dass sie sich und ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen, womit ihre Lebensqualität enorm beeinträchtigt wird. In der Beratung äussern die Angehörigen dann oft den Wunsch, die Beziehung zum abhängigen nahestehenden Menschen aufrechterhalten oder gar verbessern zu wollen und ihn zu einer Verhaltens- änderung zu motivieren. Seit einiger Zeit arbeiten Sie mit Angehörigen nach dem CRAFT-Ansatz. Was hat Sie dazu veranlasst? Zu meiner Aufgabe gehört es u.a., die Klientinnen und Klienten im Sinne der Selbstbestimmung zur Erreichung ihrer eigenen Wünsche und Ziele zu un- terstützen. Sie sollen Ressourcen auf- und ausbauen können, damit sich ihre Lebensqualität langfristig verbessert. Der Gefahr von Jobverlust, finanziellen und psychischen Problemen kann so präventiv entgegengewirkt werden. Das oben genannte Bedürfnis der Angehörigen, helfen zu wollen, gilt es deshalb meiner Meinung nach nicht zu pathologisieren, sondern ernst zu nehmen. Zudem ist Liebe, Solidarität und Zusammenhalt in der Familie ein unter anderem durch Altruismus begründetes, tiefliegendes menschliches Bedürfnis. Noch heute wird in der Literatur der Angehörigenarbeit grössten- teils auf das Konzept der Co-Abhängigkeit verwiesen, insbesondere in der Selbsthilfeliteratur. Dies, obwohl der Begriff und das Konzept in der neueren Fachliteratur und den aktuellen Fachzeitschriften stark kritisiert werden. Das Konzept beinhaltet, dass die Angehörigen vor allem auf ihre eigenen Anteile und Verhaltensweisen hingewiesen werden. Ebendas gilt heute als pathologisierend und stigmatisierend für die Angehörigen und entspricht nicht deren Bedürfnissen. Auf der Suche nach einem neuen Ansatz in der Angehörigenberatung, bin ich auf den CRAFT-Ansatz gestossen. Hat sich durch diesen Therapieansatz etwas im Umgang mit den Betroffenen geändert? Bevor ich Kenntnis über den CRAFT-Ansatz hatte, legte ich den Fokus der Angehörigenberatung vor allem auf die Autonomieförderung. Dies ist an und für sich auch nicht falsch, wird aber den Bedürfnissen der Angehörigen nicht ausreichend oder nur ungenügend gerecht. Der CRAFT-Ansatz berücksichtigt erweiterte Zielsetzungen. Nebst der Erhöhung der Lebenszufriedenheit der Angehörigen, worin die Autonomieförderung ein klarer Bestandteil ist, wer- den ihnen gezielt neue Fähigkeiten vermittelt. Diese bedienen sich anstelle 17