in La Roque, die ihn als damaligen jungen Buben geprägt hat, ist
in ihm nach wie vor lebendig. Er hat auch den Wandel des Dorfes
miterlebt, von der Ruinenstätte über die Landwirtschaft der Bana -
ter hin zum gefragten Urlaubsort, denn das wird La Roque immer
mehr. Ein Drittel der Touristen, die heute nach La Roque kom-
men, haben eigene Häuser: Belgier, Deutsche, Schweizer und in
den letzten Jahren vermehrt Amerikaner. Diese Nachfrage treibt
die Preise in die Höhe. Zwischen 800 000 und einer Million Euro
wird heute für ein neues Feriendomizil in La Roque verlangt und
bezahlt. Das macht den jungen Familien zu schaffen, die so aus
dem Ort gedrängt werden. Probleme eines Bürgermeisters, ver-
gleichbar jenen seiner Kollegen in anderen Ferienorten der Pro -
vence. Dass es in La Roque aber doch etwas anders ist, hat mit den
Banatern zu tun. Denn Josef Bernhardt, Jahrgang 1951, möch te in
La Roque ein kleines Museum errichten, das die Ge schichte der
Banater dokumentiert sowie ihren Beitrag zum Wiederaufbau des
Dorfes belegt. „Man kann seine Wurzeln nicht vergessen, es ist
erforderlich, dass man sie pflegt”, sagt er. Und persönlich, wie hält
er es mit der Vergangenheit? „Ich bin stolz, Banater zu sein”, sagt
er ohne zu zögern, fügt aber gleich hinzu: „Das ist nicht bei allen
der Fall. Das liegt an den ersten Jahren, am Misstrauen der einhei-
mischen Bevölkerung gegenüber den Banatern, die uns gegenüber
oft Schimpfworte benutzte. Das war für viele Anlass, die Herkunft
zu verdrängen. Das ist alles noch gar nicht so lange her.” Und dann
fügt Josef Bernhardt, der im Hauptberuf als Lehrer seine Schüler
in Biologie und Geologie unterrichtet, noch hinzu, dass erst kürz-
lich ein Mitbürger mit ihm ein Gespräch mit dem Satz beendet
hätte: „Wir, die echten Fran zosen.” Es habe ihn schockiert, sagt er.
Echt oder unecht, Josef Bernhardt ist französischer Staatsbürger
mit Banater Wur zeln. Er hat die Heimat seiner Eltern besucht, war
in Pantschewo, Homo litz und Brestowatz im Banat, er hat aber
auch das Donau schwäbische Zentralmuseum in Ulm besucht und
an Treffen der Donauschwaben in Deutschland teilgenommen, zu
denen seine Eltern nach wie vor regelmäßig fahren. Es fällt ihm
schwer zu sagen, ob und wieviele Banater bzw. deren
Nachkommen in und um Roque leben. „Man entdeckt immer wie-
der welche”, sagt er, und in diesem Satz schwingt soviel Freude und
Entdeckerlust mit, dass man am liebsten gleich mitsuchen würde.
Fast fünfundfünfzig Jahre nach ihrer Ansiedlung in dem Bergdorf
in der Provence: Die Banater als Objekt offener Suche und
heimlicher Sehn süch te? Aber was wird hier eigentlich gesucht?
Was suchen wir, jene, die nach Entre Rios fahren und die schwäbi-
schen Dörfer im brasilianischen Umfeld bestaunen, jene, die in die
donauschwäbischen Zentren in den USA oder zu den Schwaben
nach Kitchener in Kanada reisen, nach Fünfkirchen in Ungarn
oder zur Kirchweih nach Wolfsberg oder Billed? Welche
Erwartungen lassen uns solche Entscheidungen treffen, was lässt
uns nach Bezügen vergangener Zeiten suchen, den Banater in
Frankreich, der ein Franzose ist, wenn auch ein anderer, und auch
in den anderen Staaten, in denen die Banater leben? Ich lasse die
Frage offen, jeder wird sei ne ganz eigene Antwort darauf haben.
Hier bei uns in Deutsch land, aber auch in La Roque und überall,
wo Banater daheim sind. Etwas sei jedoch noch festgehalten. Wir
erleben das „Banater sein” heute nicht mehr im Alltag, nicht mehr
in der engen Ge meinschaft der Sippe oder der aufgelösten
Dorfgemeinschaft. Wir erleben es auch nur mehr begrenzt inner-
halb eines landsmannschaftlichen