Banater Post, 5. Mai 2005, Zeitgeschichte
Banater Schwaben in Frankreich
Auf der Suche nach Heimat
»Meine Mutter war in Gedanken immer im Banat«
Die Banater in Südfrankreich ein halbes Jahrhundert nach ihrer An -
siedlung (Teil 5)
Bürgermeister Gilbert Espenand, 1923 geboren, ist mit Sicherheit
einer der dienstältesten Bürgermeister Frankreichs: Seit 1965 ist
er Bürgermeister von St. Didier unweit von Pernes, seit 1947
gehört er dem Gemeinderat seines Heimatortes an. Er ist mit der
Situation der Banater bestens vertraut. Den Deutschen war er
stets freundlich gesinnt, da er mit ihnen vor allem positive Er fah -
rungen gemacht hatte. Nach dem Rückzug der deutschen Armee
aus Frankreich war er als Soldat der französischen Armee kurze
Zeit in Deutschland stationiert. Schon sein Vater hatte den Bana -
tern geholfen, ihnen Land verschafft. Warum diese Hilfsbe reit -
schaft? „Nun, die Banater waren arm, und sie hatten am An fang
Angst”, erzählt Gilbert Espenand. „Sie lebten in der Ebene und
fanden jetzt ganz andere landschaftliche Bedingungen vor. Die
klimatischen Verhältnisse waren anders, es musste mit den ein-
fachsten und selbstverständlichsten Dingen geholfen werden. Ihre
Ansiedlung hier war ein Wagnis, aber das Experiment ist gelun-
gen”, sagt er. Bereits die zweite Generation war hier gut integriert,
ihre Anwesenheit wirkte sich positiv auf die Region aus.
Auch Bundespräsident Theodor Heuss besuchte die Banater Siedlung
in der Provence
Mit sichtlichem Vergnügen erzählt Gilbert Espenand von den
damaligen Größen der Politik, die nach La Roque sur Pernes
gepilgert seien, um die Wiedergeburt des einst sterbenden Dorfes
zu bestaunen. Robert Schumann war da, Bundespräsident Theo -
dor Heuss, zwei französische Minister, Botschafter, Abgesandte
Israels. Auch rumänische Diplomaten in Paris seien auf die Bana -
ter hier aufmerksam geworden und hätten die Siedlung besucht,
manchmal auch inkognito. Und dann hat Gilbert Espenand noch
eine interessante Geschichte parat, die bis dato nicht an die
Öffentlichkeit gedrungen war. Als der rumänische KP-Chef und
Staatspräsident Nicolae Ceausescu in den siebziger Jahren
Frankreich einen Staatsbesuch abgestattet hatte, gab es im Vorfeld
des Besuches bei den französischen Sicherheitsbehörden Überle-
gungen, die Banater überwachen zu lassen. „Man hatte Angst,
dass sie dem Ceausescu was antun wollten”, weiß der Bürger -
meister zu berichten, und lacht dabei. Heute wie damals, denn er
kannte und kennt seine Banater besser als die hohen Beamten im
fernen Paris.
Karoline Pury aus Banat Brestowatz ist eine der wenigen Bana -
ter Siedler, die auch heute noch im Ortskern von La Roque sur
Pernes leben. Über dem Vorhof ihres kleinen Häuschens steht die
Mittagshitze, die von den Felsen hinter dem Haus noch verstärkt
wird. Die betagte Banaterin steht im Schatten ihrer Laube und ver-
sucht unsere Stimmen zuzuordnen. Ihr Augenlicht ist getrübt,
Stimmen in ihrer Muttersprache vernimmt sie wahrscheinlich nur
noch selten. „Wir sind ja nur wenige geblieben”, sagt die heute 85-
Jährige in der uns vertrauten Mundart. Ihre Tochter schaue oft
nach ihr und kümmere sich um sie. Genauso wie der französische
Staat, der für die Rentner hier täglich eine Putzfrau bezahle. Frau
Pury kam aus einem Lager in der Steiermark nach La Roque. Bis
1947 war sie im Vernichtungslager Rudolfsgnad in Jugoslawien, wo
sie drei Kinder verloren hat. Verhungert. Die Antworten sind
knapp und dürr, es fällt uns schwer, weitere Fragen zu stellen. Vier
Kinder kamen dann noch in La Roque zur Welt. „Es geht uns gut
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hier”, ruft sie uns nach, als wollte sie uns von dem vorher in weni-
gen Sätzen offenbarten Leid und Gram entlasten. Es gelingt nicht.
Vom Friedhof in La Roque sur Pernes, der etwas unterhalb des
Dorfes liegt, hat man einen der schönsten Ausblicke auf das Dorf.
Hier das Ende, dort dass Leben, und irgendwo, ganz weit dahinten
der Anfang. Die Grabstätten der Banater wirken pompös in der
Stille der Natur, wie für die Ewigkeit aufgestellt. Bereits verwittert
sind die wenigen Gräber der letzten französischen Orts bewohner
seitlich an der Friedhofsmauer. Dazwischen Grabstät ten einiger
ungarischer Emigranten, die es nach dem Aufstand von 1956 hier-
her verschlagen hatte, und der Grabstein einer ru mä nischen
Familie, die hier ebenfalls ihr Glück gesucht hatte. Johann Wagner,
1871 in Sackelhausen geboren, war der erste Ba nater, den die klei-
ne schwäbische Gemeinschaft in La Roque sur Pernes beerdigt
hatte. Er starb 1954 im 83. Lebensjahr. Wohin seine Kinder gezo-
gen sind, seine Enkel leben, weiß man nicht. Das Grab sieht verlas-
sen aus. „Ruhe in Frieden” ist in deutscher Sprache auf dem Kreuz
zu lesen. Auf den anderen Grabsteinen erinnern nur noch die
Namen der Verstorbenen an die Banater deutsche Herkunft, die
Inschriften und kurzen Nachrufe, auf kleinen Marmortafeln
nebeneinander gereiht, sind in Französisch verfasst. Und plötzlich
doch ein weiterer kleiner Hinweis, einer, der noch in vertraut klin-
genden Lauten sowohl etwas über den verrät, dessen Tod betrauert
wird, als auch über den Trauernden: „Mut ter, Gott sei Dank, jetz
pischt endlich mol mit Vater in