Sonntagsblatt 6/2006 | Page 4

Der berühmteste Ungar

Fußballkönig Puskás wurde in den Himmel gehoben
„ Ach ja . Sie kommen aus Ungarn ? Puskás , Puskás !” Solche und ähnliche Worte fielen und fallen häufig bei Begegnungen mit Menschen im Ausland .
Die ungeheure Beliebtheit hievte den Fußballer Ferenc Puskás über alle bekannten ungarischen Persönlichkeiten hinaus . Den Reformer Graf Ferenc Széchenyi nennt man hierzulande den größten Madjaren . Puskás hingegen gilt als der weltweit berühmteste Ungar .
Das Volk trug ihn auf Händen . Er wurde und wird von den Fans liebevoll „ Puskás Öcsi ” / Brüderlein /, von Jüngeren auch „ Onkel Brüderlein ” genannt . Ein ganzes Dutzend Bücher ist über ihn erschienen . Für die pessimistischen Madjaren , die sich immer wieder als ewige Verlierer betrachten , war und ist Puskás ein Symbol der Stärke und des Sieges .
„ Fußball ist das Leben an sich ”
Am 19 . November ist der Kapitän der ungarischen „ Wundermannschaft ” der fünfziger Jahre nach langer und schwerer Krankheit in einem Budapester Spital im Alter von 79 Jahren verschieden . „ Fußhall ist das Lehen an sich ” - hat Puskás oft gesagt . Doch die tückische Gedächtnisschwäche Alzheimer hatte den beliebtesten Fußballspieler Ungarns schon lange ins Abseits gestellt .
In den Würdigungen wurde viel Weihrauch gestreut , ist Puskás in den Himmel gelobt worden . Es gab ausschließlich Superlative : größter ungarischer Fußballer aller Zeiten ; legendärer Spielleiter ; ein Juwel der Fußballkunst ; der beste Linksfuß der Welt ; eine Größerem wie dem jüngsten Königssohn im Märchen alles gelingt ...
Fällt mir die deutsche Redewendung ein : Entsprechend Maß ist zu allen Dingen gut .
Puskás wurde am 7 . Dezember in der Budapester St . Stephan Basilika aufgebahrt . Staatspräsident László Sólyom , Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány und die Parlamentspräsidentin Katalin Szili legten als erste Kränze nieder . Die beiden noch lebenden Kollegen in der einstigen „ Goldenen Mannschaft ”, Gyula Grosics und Jenő Buzánszky , erwisen dem Verstorbenen ebenfalls Pietät .
Tausende - unter ihnen die Präsidenten von 14 europäi-schen Fußballverbänden , ferner Franz Beckenhauer , Bobby Charlton und Michel Platini sowie viele andere Berühmtheiten aus der Welt des Fußballs und der Politik - nahmen am 9 . Dezember Abschied von ihm . Eine Delegation von Real Madrid war in einem Sondert ! ugzeug nach Budapest gekommen .
Der spanische König Juan Carlos , der frühere Präsident des Internationalen Olympischen Komitees , Samaranch , sowie der weltberühmte brasilianische Fußballstar Pelé drückten in Telegrammen ihr Beileid aus .
Von der Trauerfeier im nach nach Puskás benannten Fußballstadion / früher Volksstadion / führte der lange Trauerzug über den Heldenplatz zur Basilika im Stadtzentrum , wo Puskás zur letzten Ruhe gebettet wurde . Die Regierung erklärte den 9 . Dezember zum Nationalen Trauertag . Puskás wurde postum zum Brigadegeneral ernannt .
Kaisern und Königen , Staatsmännern und Felherren , Entdekkem und anderen Größen wird gewöhnlich eine so hohe Ehre erwiesen . Und längst nicht allen . In der Sportwelt kann es vielleicht Pelé mit Puskás aufnehmen .
Womit hat der Mann alles das verdient ?
„ Ab jetzt heiße ich nicht mehr Purczeld ”

Puskás ist am 2 . April 1927 als Franz Purczeld junior im Budapester Bezirk Josephstadt zur Welt gekommen . Ursprünglich lautete der Familienname Purzfeld . Die Vorfahren waren aus mit deutschen Wurzeln

Deutschland eingewandert . Vater Franz Purczeld war ebenfalls Fußballer , später auch Trainer .
Aufgewachsen ist Purczeld junior ab 1929 in einem Haus mit über hundert Kindern im auch von Deutschen bewohnten Arbeiterviertel Kleinpest / Kispest in der Nähe von Schrokschar . Bis zu zehn Stunden verbrachte der Junge täglich auf dem nahegelegenen Fußballplatz - auf dem „ Grund ”. Ganz wie es heißt : Früh übt sich , was ein Meister werden will .
„ Ich war noch nicht einmal zehn Jahre alt , als ich meinen Spielkameraden mitteilte , dass ich von jetzt ah nicht mehr Purczeld heiße ”, schrieb er in seiner Biographie . Sein Freund Bozsik fragte verwundert : „ Wie heißt du denn dann ?” Die Antwort : „ Puskás heiße ich . Auf den Namen wurde ich madjarisiert ”.
Es war die Zeit der massenweise Namensmadjarisierung . Viele wurden gezwungen , ihren deutschen Namen aufzugeben . So auch viele namhafte Sportler : Der Nationalspieler Korányi hatte als Kronberger das Licht der Welt erblickt , Táncos als Tänzer , Toldi als Toni gold und Lantos als Lendenmayer . Bei der Olympionade 1932 in Los Angeles hat Jekelfalussy die Goldmedaille im Säbelfechten geholt . Vor den Spielen hatte er noch Pillér geheißen . Reichsverweser Horthy beim Empfang nach der Olympiade : Wir waren immer ein Volk des Schwertes ...
Es ist kaum bekannt und wird auch nur selten hervorgehoben , dass Puskás väterlicherseits ungamdeutscher Herkunft war . Man kann sich leicht vorstellen , wie die Berichterstattung iin Ungarn ausfiele , ginge es um einen Auslandsmadjaren gleicher Größe und Bekanntheit ...
Früh beginnt die einmalige Karriere von Puskás . B-ereits mit 16 spielte er 1943 als Mitglied des Erstligisten Kisp > est gegen Großwardein / Nagyvärad . Da erzielt er sein erstes Meisterschaftstor , da entpuppt er sich als Torjäger , der alles mit links macht , als ein Naturtalent , dem die Erfolge gleichsam zufliegen .
Kurz nach dem Krieg , am 20 . August 1945 , traf Ungarn auf den ewigen Rivalen Österreich . Im Match 5:2 für Ungarn schoss Puskás sein erstes Tor von insgesamt 84 in 85 Länderspielen . Bei den nächsten zwei Begegnungen mit Österreich traf Puskás I jeweils drei Mal ins Netz . Im Nu wurde er weit herum bekannt . Und eigentlich wurden hier die Weichen zur Ära der legendären „ Wundermannschaft ” gestellt .
1949 fusionierte Kispest - wohl aus politischen Gründen - mit der Armeemanschaft Honvéd . Dieser Klub bildete dann das Rückgrat der legendären Nationalelf . Die Honvéd-Mannschaft wurde mit Puskás zwischen 1949-56 fünf Mal Landesmeister .
„ Puskás gibt es nur einen ”
Puskás avanchierte zum Obersten . Er konnte sich im Gegensatz zu anderen so manches leisten , galt er doch als unantastbar . So bot er dem gefürchteten Parteipotentaten und Verteidigungsminister Mihály Farkas Paroli : „ Minister kann ein jeder werden , aber Puskás gibt es nur einen .”
Puskás heimste haufenweise Lorbeeren ein . Fünfmal wurde er j ungarischer Torschützenkönig . In der Saison 1947 / 48 erzielte er gleich 50 Treffer . Bis 1956 schoss er in der ungarischen Meisterschaft insgesamt 585 Tore . Das schaffte kein Zweiter . Teamchef Gusztáv Sebes charakterisierte Puskás wie folgt : , Jn Bruchteilen von Sekunden überschaute er die Spielsituationen und wählte fast immer die überraschendste Lösung ”.
Zusammen mit „ den Brüdern ”, den hochbegabten Kollegen wie Bozsik , Czibor , Grosics , Hidegkúti , Kocsis und Lóránt , führte Puskás als harter Profi die ungarische Mannschaft 1952 in Helsinki zum Olympiasieg . 1953 erstürmte die Puskás-Elf als erste Wembley , demütigte sie England mit einem historischen 6:3 - Erfolg . „ Das war der Höhepunkt meiner Karriere ” - so Puskás . Für Ungarn eine Stemstunde . Und Balsam auf verängstigte Seelen .
( Fortsetzung auf Seite 5 )
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