Sonntagsblatt 5-6/2013 | Page 5

man einen leisen Aufschrei , ein sanftes Aufbegehren . Nur selten wird die Regierung wegen ihrer heimatlichen Minderheitenpolitik zur Rechenschaft gezogen . Die Meinung greift um sich : Der Friede soll auch weiterhin bewahrt werden . Aber die Ungarndeutschen müsste aus dem Schlaf getrommelt werden . Denn es verstärkt sich der Eindruck : Viele , wenn nicht die meisten Ungarndeutschen haben sich mit der Lage abgefunden , sich den Zuständen ergeben . So werden die Sorgen fortbestehen , so wird man kaum weiterkommen . Eine Erfahrung lautet : Wer wenig begehrt , kriegt auch wenig .
Dabei müsste doch in vielen Bereichen eine bessere Qualität erreicht werden . Besonders , wie immer wieder betont , im gravierenden Bereich , im ungarndeutschen Schulwesen . Die Probleme und Ziele im Deutschunterricht dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden . Sie müssen immer wieder auf den Tisch , um eine Renaissance herbeizuführen . Und gerade auch am Schulsystem kann die Minderheitenpolitik Ungarns - und auch anderer Länder - wohl am besten gemessen werden . Das wissen auch alle Verantwortlichen ganz genau .
Es ist und war schon immer so : Die meisten Menschen sehnen sich nach ungestörter Ordnung und Harmonie , nach Recht und Gerechtigkeit , nach Ruhe und Frieden . Ganz nach dem Motto : Unfriede verzehrt , Friede ernährt . Möge Weihnachten allen Menschen in Ungarn und in der weiten Welt Frieden bescheren .
G . Hambuch
• AKTUELLES *
Mit Ehrfurcht gedenken wir unseres Vorbildes , dem Erwecker des Ungarländischen Deutschtums , JAKOB BLEYER , der vor 80 Jahren , am 5 . Dezember 1933 gestorben ist und somit sein so sehr geliebtes DEUTSCHE VOLK IN UNGARN für immer verlassen hat .
Jakob Bleyer - vor 80 Jahren
Nach Parlamentsrede und Demonstrationen
In den vorangegangenen Nummern des Sonntagsblattes berichteten wir über die große Rede Bleyers im ungarischen Parlament und die darauf folgenden Demonstrationen und Angriffe in der Presse .
All diesen Anfeindungen trotzend blieb Bleyer standhaft und unverzagt . Als „ Abrechnung mit seinen Gegnern ” können wir seinen im Sonntagsblatt vom 28 . Mai 1933 veröffentlichten Aufsatz mit der Überschrift „ Was ich noch zu sagen habe ” betrachten .
Hierin betonte er , es sei nicht nur sein Recht , sondern auch seine Pflicht als Abgeordneter gewesen , im Parlament offen die Lage des ungarländischen Deutschtums zu schildern . Es wäre nicht redlich von einem Abgeordneten , wenn er dies nicht im Parlament , sondern anderswo täte .
Die Studentenkundgebung verurteilte er scharf . „ Meine Rede hatte von diesen Hunderten niemand in ihrem Wortlaut gelesen , und bisher hat auch niemand in konkreter Form angedeutet , welcher Teil oder welche Teile meiner Ausführungen » vaterlandsverräterisch « seien ... Warum wurde mir also diese unerhörte Schmach uns Erniedrigung angetan ? - frage ich mit tiefster Bitterkeit in der Seele . Warum hat weder das Unterrichtsministerium noch die Universitätsbehörde energisch eingegriffen ?... - Wer aber nahm mich und meine Lehrfreiheit in Schutz ?...”
Was den „ christlichen Kämpfer ” Bleyer am schmerzlichsten berührte war das Verhalten der katholischen Tagespresse und der katholischen Studentenschaft , die doch kein Recht hätten , einen
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Stein auf ihn zu werfen , da er stets für katholische Grundsätze gekämpft habe . Mit Trauer und Kummer sehe er , dass die wilden Kundgebungen einen tiefen Riss in die deutsche und ungarische Freundschaft zu bringen drohten . Man könne ihm nicht vorwerfen , seine Rede sei unzeitgemäß gewesen , etwa , weil es einen Nationalsozialismus in Deutschland gebe . Die gesamte ungarische Studentenschaft habe nachträglich ja erklärt , sie habe Sympathien für den Nationalsozialismus .
Bleyer schließt den Aufsatz mit folgender Erklärung : „ Ich gehe meinen Weg mit schwerem , aber festem Schritt weiter . Der Charakter eines Universitätsprofessors verpflichtet zur Wahrheit und Wahrhaftigkeit und auch zum Kampfe um Recht und Gerechtigkeit . Er verpflichtet um jeden Preis , also auch um den Preis der Professur selbst . Nur eine Dienerseele kann mit der Androhung der Entlassung und durch Erniedrigung eingeschüchtert werden , aber niemals ein wahrer Professor , ein Bekenner , der ich nicht nur in der Wissenschaft , sondern auch in der Politik bin . Ich zerstöre nicht , höchstens Unrecht und Unwahrheit , sondern baue auf nach Maßgabe meiner bescheidenen Kräfte und jedenfalls im Geiste der Wahrheit und Gerechtigkeit . Ich bin mit heißer Seele mitzuhelfen bemüht , das ungarische Vaterland einzubauen in die neue Welt , die da dröhnenden Ganges naht . Dieses Vaterland beherbergt ja auch mein Volk , und seine Erhebung ist auch Befreiung für uns . ”
In den Reihen seiner Gegner befanden sich auch viele hohe Amtsträger mit deutschen Namen . So z . B . beteuerte der Abgeordnete Guido Hopfner „ im Namen des Zipser Deutschtums ”, dass dieses in Ungarn stets gut behandelt worden sei ( also kein Grund zur Klage !). In der Fünfkirchner Zeitung „ Landpost ” nannte der evangelische Pfarrer Rettmann Bleyer einen „ Völksverhetzer ” und sprach sich gegen den Schultyp A ( deutschsprachiger Unterricht ) aus . Großen und gefährlichen Lärm machten die Abgeordneten der Sozialdemokraten . Die Partei hatte einen deutschen Flügel mit deutschstämmigen Abgeordneten und vertrat z . B . in der Schulfrage - bis 1933 - den gleichen Standpunkt wie Bleyers UDV . Da aber der UDV auf diesem Gebiet nicht gegen die Regierung aufkam , so näherten sich viele deutsche Landsleute dieser Partei , die dadurch laufend ihre Mitgliederzahl erhöhen konnte . Nun aber stand die Partei gegen Bleyer .
Glücklicherweise gab es aber nicht nur Angriffe , Schmähungen und Drohungen . Täglich erreichten Bleyer zur großen Freude unzählige Zuschriften von Anhänger und Freunden , die ihn ihrer Treue und Zustimmung versicherten . Dabei sah er zum erstenmal , wie überraschend reich seine Saat in den Herzen seiner Volksgenossen diesseits und jenseits der Grenzen aufgegangen war . Am allermeisten freuten ihn die Briefe der Bauern , für die er den Kampf ja hauptsächlich führte . In einer solchen Zuschrift ( die besten wurden ja im Sonntagsblatt veröffentlicht ) heißt es : „ Wir staunen über Ihren Heldenmut im Verteidigen , über die große Mühe und Arbeit , denn Sie machen es ganz uneigennützig für uns . Gott sei Dank , dass er uns einen so tüchtigen Führer gab ...” Aber nicht nur die Bauern , auch die schwäbische Intelligenz bekannte sich zu Bleyer . Das war ein gewaltiger Fortschritt im Vergleich zur Zeit vor 1914 , als gerade die Gebildeten der Einschmelzung ( Madjarisierung ) den geringsten Widerstand entgegensetzten . Viele Briefe , die Bleyer empfing , waren madjarisch geschrieben ( Zeichen des Fehlens des muttersprachlichen Schulunterrichts ), verrieten jedoch deutschen Geist und die Sehnsucht nach Rückkehr zum eigenen Volkstum . So wurde im Sonntagsblatt vom 11 . Juni 1933 ein Brief ( aus dem Madjarischen übersetzt ) eines Batschkaer Studenten - geschrieben im Namen der Batschkaer Studenten - veröffentlicht , darin es heißt : „ Herr Abgeordneter ! Vor aller Augen sind Sie der würdige Vertreter des deutschen Volkes in Ungarn geworden ... Und auch wir , die vom Schicksal zur intellek-
( Fortsetzung auf Seite 6 )
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