Sonntagsblatt 5/2015 | Page 25

des kultur-politischen Lebens in Ungarns Hauptstadt, skizziert in einem negativen Bild Charaktereigenschaften gewisser Kreise: verarmte Adelige, korrupte Advokaten, chauvinistische Journalis - ten, Studenten und Assimilanten. Im Kapitel „Rund um ein Ministerium” erscheint „der politi- sierende magyarische Advokat” als demagogisch, berechn end-lie- benswürdig und patriotisch aus Profitgier. Der junge adelige Beamte führt einen lockeren und aufwendi- gen Lebenswandel, ist beruflich desinteressiert. Seine Einstellung ist, einer guten Partei und guter Politik anzugehören, um als Nutznießer ein behagliches Leben führen zu können. Im Kapitel „Die Saat von Czinkota” stellt der Dichter die mad jarische und die assimilierte Jugend und Studenten als chau- vinistisch dar. Selbst die entsprechende madjarische Literatur deckt sich ver- gleichsweise mit dem von Adam Müller-Guttenbrunn in dieser Angelegenheit gezeichneten Charakterbild jener Zeit: Gyula Szekfû bezichtigt die jungen adeligen Beamten des lok - keren und aufwendigen Lebenswandels, der auf mangelnde Selbst zucht zurückzuführen ist. Die Einstellung, Beruf und Politik als Instrument der Ge - nusssucht anzusehen, geht auf die geistige und physische Tätig - keit, die harte und schwere Arbeit meidet, zurück, was Gyu la Szekfû und János Vajda dem gesamten ungarischen Volk vor- werfen. Schuld seien bei den Madjaren der Egoismus, die maßlose Eitelkeit, die Selbstbewunderung, die stets bei anderen die Fehler suchen bzw. keinerlei Kritik oder Tadel zulassen. Weiters unterstreicht Gyula Szekfû, dass bei seinen Lands - leuten die Politik nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen gemacht werde und so die für Leidenschaft anfällige Gefühls poli - tik entstünde. Nach den 1870-er Jahren setzte im ungarischen Geistesleben eine Wende ein, der zufolge Rassismus und Chauvinismus über- handnahmen. In allen Bereichen des Wirtschafts-, kulturellen- und Geistes - lebens Ungarns bestimmten Assimilanten und Juden das Geschehen. Dazu kam noch der scharfe Gegensatz zwischen Land- und Großstadtmilieu. Dagegen erhoben sich die (nach Weidlein) wurzelechten Madjaren, deren Sprecher Endre Ady (1877–1919) und Szabó Dezsô (1879–1945) waren. Diese Kreise forderten nach der Jahrhundertwende die Verdrängung der Assimilanten aus ihren einflussreichen Stellungen zugunsten der Magyaren. Gefordert wurde weiter die Besinnung auf eigene Kräfte, was schließlich gegen die Assimilationsbevormundung und darüber hinaus zur Ablehnung gegen westliche Kultureinflüsse führen soll- te. Diese Haltung ist unter der Bezeichnung Turanismus in die Geschichte eingegangen. Graf István Széchenyi war auch unmittelbar der Förderer der Turanismus-Bewegung. Diese [auch (Pan)-Turanismus (