Sonntagsblatt 5/2015 | Page 2

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( Fortsetzung von Titelseite ) schaulich repräsentieren . Diese Vielfalt ergibt sich u . a . daraus , dass verschiedene Mundarttypen wie Bairisch und Fränkisch , wie sie heute von zwei- bzw . mehrsprachigen Sprecher ( inne ) n in Un - garn verwendet werden , zu Wort kommen . Neben Prof . Dr . Csaba Földes als Projektleiter ist das Institut für Germanistik und Translationswissenschaft an der Pannoni - schen Universität Veszprém ( Ungarn ) beteiligt . Einen wichtigen Part ner stellt außerdem Prof . Dr . Hans C . Boas von der Univer - sity of Texas at Austin ( USA ) dar , mit dem eine Zusammenarbeit in Bezug auf sein Texas German Dialect Project geplant ist . Eine intensive Vernetzung mit zahlreichen weiteren internationalen Partnern soll außerdem zum Qualitätsniveau des Projekts beitragen . Ergebnis des Forschungsprojektes soll ein digitales Portal mit einem ungarndeutschen Zweisprachigkeits- und Sprachkontakt - korpus mit authentischem Material aus drei wichtigen Sied - lungsregionen deutscher Minderheiten sein . Außerdem sind wissenschaftliche Publikationen geplant .
„ Mir liegt die Aufzeichnung von bestandsgefährdetem regionalem Sprachmaterial des Deutschen als Minderheitensprache wie wir sie nun umsetzen wollen , sehr am Herzen – nicht zuletzt weil ich selbst aus einem donauschwäbischen Ort stamme ”, erläutert Csaba Földes den Hintergrund seines Forschungsprojektes . „ Da die ungarndeutschen Sprachvarietäten immer weniger gesprochen werden , ist ihre Beschreibung und Dokumentation von hoher Aktualität . Außerdem verspricht das Projekt spannende Erkennt - nisse für die Theorie der sozialen Zwei- bzw . Mehrsprachigkeit , beispielsweise bei Fragen des Spracherhalts oder der Sprach - umstellung . Die in Frage stehende Konstellation dürfte dabei einen hohen Erkenntniswert haben , da Deutsch und Ungarisch typologisch disparate und genetisch nicht-verwandte Sprachen sind .”
Csaba Földes ( geb . 8 . Juni 1958 in Almasch / Bácsalmás , Ungarn ) ist ein Germa - nist mit dem Arbeitsschwerpunkt Deutsche Gegenwartssprache und Deutsch als Fremdsprache sowie Inhaber des Lehrstuhls für Germanistische Sprachwissen - schaft an der Universität Erfurt . Er ist Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und Präsident des Mitteleuropäischen Germanistenverbandes ( MGV ).

Unserem Dr . Johann Weidlein zum Gedenken

Vor 110 Jahren wurde Johann Weidlein am 25 . Oktober 1905 in Murgau / Murga geboren , einem deutschen evangelischen Dorf in jener Landschaft zwischen Plattensee , Donau und Drau , die man seit langem Schwä bische Türkei nennt , weil sie nach der Befreiung von den Türken im 18 . Jahrhundert vorwiegend durch den Fleiß deutscher Siedler wieder zu einem Kulturland gemacht wurde . Aber von Kindheit an war es ihm nicht leicht gemacht , Gottes Wege sich gefallen zu lassen . Seine Eltern waren Kleinbauern , die schwer um ihre Existenz kämpften . Trotzdem schickten sie den begabten Buben auf Gymnasium – es konnte damals nur ein ungarisches Gymnasium sein – in den dennoch überwiegend evangelisch-deutschen Marktflecken Jink / Gyönk . Dort wurde er mit den deutschen Ortskindem konfirmiert – sein Vater sorgte sich : Der Bub vergisst mir noch das Deutsche ! und bekam den Spruch mit , der dann für sein Leben viel bedeutsamer wurde als der Pfarrer damals ahnen konnte : Fürchte dich nicht , denn ich bin bei dir .
Bald darauf musste sein Vater in den Krisenjahren nach dem Ersten Weltkrieg seine geringe Habe aufgeben und nahm eine Stelle in einer Ziegelfabrik in Rákospalota , heute Teil Budapests , an . Die beiden Schwestern mussten mit Maschinenstricken zum Unterhalt beitragen und auch er half ihnen dabei , um das Gymna - sium , jetzt in Budapest , mit dem Abitur 1924 beenden zu können . Im selben Jahr starben seine Schwestern an Tuberkulose und er selbst war gefährdet . Nur durch Privatunterricht , den er gab , ist es ihm möglich , Germanistik und Hungaristik an der Universität Budapest zu studieren . 1929 beendete er dieses Studium mit der für seine künftige wissenschaftliche Tätigkeit programmatischen Arbeit über die Mundart seines Heimatdorfs . 1930 promovierte er . Sein Rüstzeug für die Mundart- und Flurnamenforschung kann er durch ein Stipendium in Marburg vervollständigen .
Nach dem Examen tritt er seine erste Stelle am Gymnasium der evangelischen Kirche in Szarvas an , einer Stadt nahe der rumänischen Grenze mit einem starken slowakischen Bevölkerungsteil . 1932 heiratete er Maria Antoinette Paál de Bethlenfalva , die Toch - ter eines ungarischen Minderheitenabgeordneten und Schriftlei - ters im rumänisch gewordenen Siebenbürgen . Über 60 Jahre trug er mit seiner Gattin in Harmonie Freud und Leid . Drei Kinder wurden in der Ehe geboren , das älteste starb schon als Kleinkind – wieder mussten die Eltern lernen , auch schweres Leid aus Gottes Hand zu nehmen –, ihm folgten noch ein Sohn und eine Tochter . Oft hat Johann Weidlein betont , wie hoch er seinen Schwiegervater schätzte als , wie er sagte , „ tüchtigsten und einsichts - vollsten Magyaren seiner Zeit .” Durch ihn weitete sich sein Blick auch auf die Lage der ungarischen Minderheiten der Nachbarlän - der . Gerade in Siebenbürgen war damals ein durchaus ver - heißungs voller kultureller Austausch zwischen Ungarn , Sachsen und Rumänen im Gange , der der Grundeinstellung Weidleins wie seiner Lehrer Gideon Petz und Jakob Bleyer von der Vermittler - funktion deutscher Volksgruppen zwischen . Muttervolk und Staats nation sehr nahestand .
Diese Jahre sind erfüllt mit einer erstaunlichen Zahl volkskundlicher Arbeiten sowohl in ungarischen wie in deutschen Publi - kationen , schließlich weist seine Bibliographie an 400 Titeln auf . Dabei mag es uns Kopfschütteln verursachen , ist aber für den nationalistischen Geist jener Jahre kennzeichnend , dass man Weid lein riet , in ungarndeutschen Blättern ein Pseudonym zu benutzen . Andererseits erfuhren seine Arbeiten auch von ungarischer wissenschaftlicher Seite Anerkennung .
In der volksdeutschen Bewegung wusste man zwar , dass der Szarvaser Professor , der sich mittlerweile auch in Debrecen habilitiert hat , geistig zu dem sich als Kameradschaft fühlenden Kreis der wenigen deutschbewussten Akademiker gehört . Eine herausragende Stellung nahm er aber erst ein , als die Regierung 1940 ein deutsches Gymnasium in Budapest genehmigte und er von der Volksgruppe zu dessen Direktor und zunächst zum Verantwort - lichen für das ganze deutsche Schulwesen berufen wurde . In die Zeit dieses Wechsels fällt auch der Beschluss eines Kreises evangelischer deutscher Persönlichkeiten , ein Memorandum über Probleme in den deutschen Kirchengemeinden abzufassen . Dann verdunkelten sich für uns alle mit den Schrecken des unserem Vaterland immer näher rückenden Krieges die Wege Gottes wieder . Die – allerdings vergeblichen – Versuche des erst vom antikommunistischen Feldzug begeisterten Ungarn , aus dem hoffnungslos gewordenen Krieg auszusteigen , belasteten auch im Lan de die Atmosphäre zwischen Ungarn und Deutschen . Schließlich wurde das Jakob-Bleyer-Gymnasium 1944 ins Reich evakuiert und mit ihm natürlich auch sein Direktor . Auch er musste dann mit Frau und Kindern vom Nullpunkt eine neue Existenz aufbauen und hat so in Schorndorf Wurzel geschlagen . War dies klaglose Anpacken nicht auch ein Stück Herzenshingabe und Annahme der Wege Gottes ?
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