S onntagsblatt
Nr. 5/2015
Gegründet von Dr. Jakob Bleyer im Jahre 1921
Informationen, Meinungen
MOTTO
Was auch immer auf Erden besteht, besteht durch Ehre und Treue.
Wer heute die alte Pflicht verrät, verrät auch morgen die neue.
Adalbert Stifter
Quo vadis, Europa?
Wohin gehst Du, Europa? Diese Frage wird zurzeit weltweit ge -
stellt, aber vor allem in den EU-Staaten, die wegen der ungelösten
Migrationskrise untereinander zerstritten sind. Die reichen EU-
Länder – insbesondere Deutschland – brauchen junge, billige Ar -
beitskräfte für ihre noch boomende Wirtschaft und begegnen den
Hundertausenden von Migranten mit einer merkwürdigen „Will -
kommenskultur”. Die ärmeren Länder im Süden und Osten
Euro pas reagieren dagegen mit Ängsten vor dem Islam, Ab schot -
tung und Schließung der Grenzen: Die meisten von ihnen winken
die Migranten einfach durch in Richtung Österreich, Deutschland
und Schweden.
Nur Ungarn stellt sich quer, beharrt auf Einhaltung der Dublin-
Richtlinien zum Schutze des Schengen-Raums. Dafür bekommt
die ungarische Regierung viel Kritik aus dem Westen, was für die
große Mehrheit der Bevölkerung des Landes – darunter auch ein
Großteil der Ungarndeutschen – unerklärlich und als Affront ge -
gen die Unabhängigkeit Ungarns gesehen wird.
Frage: Warum holen sich Deutschland und Schweden diese
Arbeitskräfte einfach nicht direkt aus den Flüchtlingslagern in der
Türkei, im Libanon und in Jordanien, um so den syrischen Mig -
ran ten den lebensgefährlichen Weg von Tausenden von Kilome -
tern über das Mittelmeer und den Balkan zu ersparen?
Die Institutionen der EU in Brüssel ringen schon seit Monaten
um eine gemeinsame Lösung des Flüchtlingsproblems, um ein
einheitliches Asylrecht. Das Asylrecht in Europa wird jedoch
gedehnt und ausgehöhlt. Man unterscheidet nicht mehr zwischen
an Leib und Leben Bedrohten, Bürgerkriegsflüchtlingen und wirt-
schaftsbedingter illegaler Migration. Die Folge davon ist, dass die
Migrationsströme immer stärker anschwellen mit unabsehbaren
sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen. Die Si -
tu a tion ist europaweit außer Kontrolle geraten. Kriminelle
Schleppernetze nutzen die Verwahrlosung des Asylrechts für ihre
milliardenschwere Industrie. Gleichzeitig verbreitet sich auf dem
Kontinent ein Klima aggressiver Meinungseinfalt. Kritiker der
Missstände werden persönlich diffamiert. Es herrscht eine aufklä-
rungsfeindliche und wirklichkeitsfremde politische Korrektheit,
die eine offene Debatte über die Probleme erschwert.
Dazu passt treffend ein Zitat aus der schweizerischen „Die
Weltwoche” vom 10. September 2015 (Spezialdossier Asyl: Die
große Wanderung – Reportagen, Analysen, Zahlen und Fakten zu
Europas Flüchtlingskrise):
Jakob Bleyer Gemeinschaft e.V.
„Wer das Asylrecht ernst nimmt, muss seine Aushöhlung be -
kämpfen. Die EU und die von der europäischen Flüchtlingspolitik
direkt betroffene Schweiz stehen vor riesigen Herausforderungen.
Da gegenwärtig die Bereitschaft fehlt, Menschen, die weder
Schutz noch Asyl verdienen, nach Hause zurückzuschicken, wie es
unserer Asyltradition und unseren Rechtsordnungen entsprechen
würde, dürften sich immer mehr Menschen aus armen Ländern
auf den Weg machen. Europa, die Schweiz erst recht, kann aber
nicht alle Armen dieser Welt aufnehmen und ihnen eine neue
Heimat bieten.”
Wo kein Wille, dort auch kein Weg. So sieht es zurzeit aus im
„Haus Europa”. Eine Lösung dieser riesigen Aufgabe liegt noch
in den Sternen.
Nelu B. Ebinger
(BRD)-Kulturstaatsministerin
fördert neues Forschungsprojekt
von Prof. Dr. Csaba Földes über
„Donauschwaben” mit rund
83 500 Euro
Dr. Csaba Földes
Pressemitteilung Nr.: 98/2015 – 22.09.2015
Mit rund 83 500 Euro fördert die Kulturstaatsministerin in ihrer
Funktion als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Me -
dien in den kommenden zwei Jahren ein neues Forschungsprojekt
von Prof. Dr. Csaba Földes, Sprachwissenschaftler an der Uni
Erfurt. Gegenstand des Projekts ist die Sprache der deutschen
Minderheit in Ungarn, der sogenannten „Donauschwaben”.
Während die meisten bisherigen Forschungen sich auf die
Beschreibung von deren Basismundarten (Bairisch, Fränkisch und
Schwäbisch) konzentriert haben, stellt die Forschung von Prof.
Földes die durch Mehrsprachigkeit, Inter-/Transkulturalität und
Variaton weitgehend geprägte tatsächliche Sprachverwendung in
den Mittelpunkt. Denn die „reinen” deutschen Dialekte werden
in der Untersuchungsregion heute kaum noch gesprochen, viel-
mehr sind Mischformen mit Ungarisch und anderen Kontakt -
sprachen charakteristisch. Sind doch gleichsam alle Ungarndeut -
schen zwei- bzw. mehrsprachig, mit unterschiedlichen Dominanz -
konfigurationen. Das Projekt möchte einerseits authentische
ungarndeutsche Diskurse, d.h. wie die Sprecher mit ihren durch
Mehrsprachigkeit und Transkulturalität geprägten Varietäten jetzt
umgehen, kontakt- und variationslinguistisch erforschen, anderer-
seits diese Redeprodukte in einer elektronischen Datenbank er -
fassen und zugänglich machen. Das als Ergebnis vorgesehene
ungarndeutsche Zweisprachigkeitskorpus soll reale, aus dem
Leben gegriffene Texte systematisch bereitstellen, die die ungarn-
deutschen Kontaktvarietäten der Gegenwart in ihrer Vielfalt an -
(Fortsetzung auf Seite 2)