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( Fortsetzung von Titelseite) schaulich repräsentieren. Diese Vielfalt ergibt sich u. a. daraus, dass verschiedene Mundarttypen wie Bairisch und Fränkisch, wie sie heute von zwei- bzw. mehrsprachigen Sprecher( inne) n in Un- garn verwendet werden, zu Wort kommen. Neben Prof. Dr. Csaba Földes als Projektleiter ist das Institut für Germanistik und Translationswissenschaft an der Pannoni- schen Universität Veszprém( Ungarn) beteiligt. Einen wichtigen Part ner stellt außerdem Prof. Dr. Hans C. Boas von der Univer- sity of Texas at Austin( USA) dar, mit dem eine Zusammenarbeit in Bezug auf sein Texas German Dialect Project geplant ist. Eine intensive Vernetzung mit zahlreichen weiteren internationalen Partnern soll außerdem zum Qualitätsniveau des Projekts beitragen. Ergebnis des Forschungsprojektes soll ein digitales Portal mit einem ungarndeutschen Zweisprachigkeits- und Sprachkontakt- korpus mit authentischem Material aus drei wichtigen Sied- lungsregionen deutscher Minderheiten sein. Außerdem sind wissenschaftliche Publikationen geplant.
„ Mir liegt die Aufzeichnung von bestandsgefährdetem regionalem Sprachmaterial des Deutschen als Minderheitensprache wie wir sie nun umsetzen wollen, sehr am Herzen – nicht zuletzt weil ich selbst aus einem donauschwäbischen Ort stamme”, erläutert Csaba Földes den Hintergrund seines Forschungsprojektes. „ Da die ungarndeutschen Sprachvarietäten immer weniger gesprochen werden, ist ihre Beschreibung und Dokumentation von hoher Aktualität. Außerdem verspricht das Projekt spannende Erkennt- nisse für die Theorie der sozialen Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit, beispielsweise bei Fragen des Spracherhalts oder der Sprach- umstellung. Die in Frage stehende Konstellation dürfte dabei einen hohen Erkenntniswert haben, da Deutsch und Ungarisch typologisch disparate und genetisch nicht-verwandte Sprachen sind.”
Csaba Földes( geb. 8. Juni 1958 in Almasch / Bácsalmás, Ungarn) ist ein Germa- nist mit dem Arbeitsschwerpunkt Deutsche Gegenwartssprache und Deutsch als Fremdsprache sowie Inhaber des Lehrstuhls für Germanistische Sprachwissen- schaft an der Universität Erfurt. Er ist Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und Präsident des Mitteleuropäischen Germanistenverbandes( MGV).
Unserem Dr. Johann Weidlein zum Gedenken
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Vor 110 Jahren wurde Johann Weidlein am 25. Oktober 1905 in Murgau / Murga geboren, einem deutschen evangelischen Dorf in jener Landschaft zwischen Plattensee, Donau und Drau, die man seit langem Schwä bische Türkei nennt, weil sie nach der Befreiung von den Türken im 18. Jahrhundert vorwiegend durch den Fleiß deutscher Siedler wieder zu einem Kulturland gemacht wurde. Aber von Kindheit an war es ihm nicht leicht gemacht, Gottes Wege sich gefallen zu lassen. Seine Eltern waren Kleinbauern, die schwer um ihre Existenz kämpften. Trotzdem schickten sie den begabten Buben auf Gymnasium – es konnte damals nur ein ungarisches Gymnasium sein – in den dennoch überwiegend evangelisch-deutschen Marktflecken Jink / Gyönk. Dort wurde er mit den deutschen Ortskindem konfirmiert – sein Vater sorgte sich: Der Bub vergisst mir noch das Deutsche! und bekam den Spruch mit, der dann für sein Leben viel bedeutsamer wurde als der Pfarrer damals ahnen konnte: Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir.
Bald darauf musste sein Vater in den Krisenjahren nach dem Ersten Weltkrieg seine geringe Habe aufgeben und nahm eine Stelle in einer Ziegelfabrik in Rákospalota, heute Teil Budapests, an. Die beiden Schwestern mussten mit Maschinenstricken zum Unterhalt beitragen und auch er half ihnen dabei, um das Gymna- sium, jetzt in Budapest, mit dem Abitur 1924 beenden zu können. Im selben Jahr starben seine Schwestern an Tuberkulose und er selbst war gefährdet. Nur durch Privatunterricht, den er gab, ist es ihm möglich, Germanistik und Hungaristik an der Universität Budapest zu studieren. 1929 beendete er dieses Studium mit der für seine künftige wissenschaftliche Tätigkeit programmatischen Arbeit über die Mundart seines Heimatdorfs. 1930 promovierte er. Sein Rüstzeug für die Mundart- und Flurnamenforschung kann er durch ein Stipendium in Marburg vervollständigen.
Nach dem Examen tritt er seine erste Stelle am Gymnasium der evangelischen Kirche in Szarvas an, einer Stadt nahe der rumänischen Grenze mit einem starken slowakischen Bevölkerungsteil. 1932 heiratete er Maria Antoinette Paál de Bethlenfalva, die Toch- ter eines ungarischen Minderheitenabgeordneten und Schriftlei- ters im rumänisch gewordenen Siebenbürgen. Über 60 Jahre trug er mit seiner Gattin in Harmonie Freud und Leid. Drei Kinder wurden in der Ehe geboren, das älteste starb schon als Kleinkind – wieder mussten die Eltern lernen, auch schweres Leid aus Gottes Hand zu nehmen –, ihm folgten noch ein Sohn und eine Tochter. Oft hat Johann Weidlein betont, wie hoch er seinen Schwiegervater schätzte als, wie er sagte, „ tüchtigsten und einsichts- vollsten Magyaren seiner Zeit.” Durch ihn weitete sich sein Blick auch auf die Lage der ungarischen Minderheiten der Nachbarlän- der. Gerade in Siebenbürgen war damals ein durchaus ver- heißungs voller kultureller Austausch zwischen Ungarn, Sachsen und Rumänen im Gange, der der Grundeinstellung Weidleins wie seiner Lehrer Gideon Petz und Jakob Bleyer von der Vermittler- funktion deutscher Volksgruppen zwischen. Muttervolk und Staats nation sehr nahestand.
Diese Jahre sind erfüllt mit einer erstaunlichen Zahl volkskundlicher Arbeiten sowohl in ungarischen wie in deutschen Publi- kationen, schließlich weist seine Bibliographie an 400 Titeln auf. Dabei mag es uns Kopfschütteln verursachen, ist aber für den nationalistischen Geist jener Jahre kennzeichnend, dass man Weid lein riet, in ungarndeutschen Blättern ein Pseudonym zu benutzen. Andererseits erfuhren seine Arbeiten auch von ungarischer wissenschaftlicher Seite Anerkennung.
In der volksdeutschen Bewegung wusste man zwar, dass der Szarvaser Professor, der sich mittlerweile auch in Debrecen habilitiert hat, geistig zu dem sich als Kameradschaft fühlenden Kreis der wenigen deutschbewussten Akademiker gehört. Eine herausragende Stellung nahm er aber erst ein, als die Regierung 1940 ein deutsches Gymnasium in Budapest genehmigte und er von der Volksgruppe zu dessen Direktor und zunächst zum Verantwort- lichen für das ganze deutsche Schulwesen berufen wurde. In die Zeit dieses Wechsels fällt auch der Beschluss eines Kreises evangelischer deutscher Persönlichkeiten, ein Memorandum über Probleme in den deutschen Kirchengemeinden abzufassen. Dann verdunkelten sich für uns alle mit den Schrecken des unserem Vaterland immer näher rückenden Krieges die Wege Gottes wieder. Die – allerdings vergeblichen – Versuche des erst vom antikommunistischen Feldzug begeisterten Ungarn, aus dem hoffnungslos gewordenen Krieg auszusteigen, belasteten auch im Lan de die Atmosphäre zwischen Ungarn und Deutschen. Schließlich wurde das Jakob-Bleyer-Gymnasium 1944 ins Reich evakuiert und mit ihm natürlich auch sein Direktor. Auch er musste dann mit Frau und Kindern vom Nullpunkt eine neue Existenz aufbauen und hat so in Schorndorf Wurzel geschlagen. War dies klaglose Anpacken nicht auch ein Stück Herzenshingabe und Annahme der Wege Gottes?
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