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Der Zweite Weltkrieg und die BÖSEN DEUTSCHEN –
so wird allgemein geschrieben. Doch auf der ANDEREN SEITE
EINES MEDAILLONS ist zu lesen:
Italien hat Julius Schlegel
nicht vergessen
Eine italienische Bürgermeisterin, geschmückt mit der grün–
weiß–roten Amtsschärpe und dem Wappen der Republik Italien,
ehrte in der Pfarre des Wiener Stephansdoms einen hohen Of -
fizier der Deutschen Wehrmacht. Die Vizebürgermeisterin von
Monte Cassino überreichte den beiden Söhnen des 1958 verstor-
benen Oberstleutnants Julius Schlegel, der als „Held von Monte
Cassino” in die Geschichte eingegangen ist, zwei Ehrenplaketten
— als Dank dafür, dass ihr Vater in den Kriegsjahren 1943/44 die
unschätzbaren Kunstwerke und die Bibliothek des Klosters vor
dem Untergang gerettet hatte. Bürgermeisterin Iris Volante sagte
an die beiden Söhne Otto Benedikt und Gottfried Schlegel gerich-
tet, ihr Vater habe durch seine tapfere Tat gezeigt, wie Menschen
brüderlich zusammenleben und einander helfen können. Die
Rettung der Kunstschätze von Monte Cassino sei eine Geste der
Verbrüderung und ein Beispiel für die Jugend. Der aus Wien
stammende Oberstleutnant hatte, als er merkte, dass sich die
Alliierte Front näherte und Monte Cassino, das im Jahr 529 ge -
gründete Benediktinerkloster, genau auf dem Weg der Alliierten
in Richtung Rom lag, mit über 100 deutschen Armeelastwagen die
Kunstschätze des Klosters eingesammelt und in den Vatikan
gebracht, wo sie den päpstlichen Behörden übergeben wurden
und den Krieg unbeschädigt überstanden. Wenig später bombar-
dierten die Amerikaner Monte Cassino aus der Luft und beschos-
sen es mit schwerer Artillerie. Das Kloster wurde dem Erdboden
gleichgemacht — zahlreiche Mönche und Zivilisten, die sich vor
den Kampfhandlungen in seine Mauern geflüchtet hatten, fanden
den Tod.
Der Vatikan, der damalige Abt des Klosters sowie der Verwal -
ter bescheinigten, dass sich in Monte Cassino kein einziger
deutscher Soldat befunden hat und dort auch kein Kriegs -
gerät oder vorgeschobene deutsche Beobachter befunden ha -
ben.
Wenn die altehrwürdige Benediktinerabtei heute wieder aufge-
baut ist, wurde dies nicht zuletzt deshalb möglich, weil der Öster-
reicher Schlegel als deutscher Oberstleutnant auch die alten
Baupläne gerettet hat, aufgrund derer der Bau dann rekonstruiert
wurde. Oberstleutnant Schlegel überlebte den Zweiten Weltkrieg.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde im 21. Wiener Bezirk eine
Straße nach dem „Helden von Monte Cassino” benannt – und im
Wiener Wertheimstein-Park erinnert eine Büste an ihn. Es war
rührend zu sehen, wie in der Begl eitung der italienischen Bürger -
meisterin Bewohner in Volkstrachten, Hirten in Felljacken und
mit Dudelsäcken sowie Frauen in langen Festtagstrachten, ein
Ständchen im Gedenken an den Oberstleutnant brachten.
Die bepackten Völkerschaften schwimmen dahin
(Úsznak a felmálházott népek)
Auf einen interessanten Artikel bin ich bei Internetrecherchen
gestoßen. Das Online-Fotoarchiv Fortepan enthält eine große Zahl
privater Archivaufnahmen. Die beiden Autoren behandeln in diesem
Artikel die Umsiedlung von Bessarabiendeutschen ins Dritte Reich
und verwenden zeitgenössische Archivaufnahmen in Farbe eben aus
diesem Archiv. Eine auch für uns interessante Zeitreise.
Eine Übersetzung aus dem Ungarischen von Richard Guth.
Ein Artikel von Ádám Kolozsi und Szabolcs Barakonyi. Erschie -
nen auf dem Internetportal Index.hu, 30. Mai 2015. Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung der Autoren.
Mädchen, die Kopftuch tragen, blicken verlegen lächelnd in die
Kamera, ein Hutträger, neben ihm hält ein Kind an der Schwester
fest, die es im Arm hält. Viel Volkstracht, aber noch mehr Uni -
form. Osteuropa machte sich auf den Weg, um in der Heimat von
anderen ein Zuhause zu finden, weil es so befohlen wurde. Farb -
aufnahmen aus dem Jahre 1940 über die Umsiedlungsaktionen.
Vor dem Parlament dampft das Dampfschiff, auf seinem
Schorn stein eine Rot-, am Heck eine Hakenkreuzflagge. Der von
Franz Joseph auf Jupiter umgetaufte Passagierdampfer transpor-
tierte Herbst 1940 mit 26 anderen Schiffen seine Passagiere gen
neue Heimat, Bessarabiendeutsche aus fernen Dörfern mit komi-
schen Namen in das Dritte Reich. Die tüchtigen Landwirte bra-
chen aus dem heutigen Moldawien wegen den Weltkriegsum -
wälzungen, den gefürchteten Russen und der Nazipropaganda ins
Ungewisse auf. Wie andere Volksgruppen wurden auch sie betro-
gen: Geheime Pakte der Großmächte entschieden über ihr
Schicksal, sie mussten als Requisiten für die Propaganda und als
Kanonenfutter herhalten, danach haben sie selber bei der Ver -
treibung anderer mitgeholfen, so dass sie dann wieder selber
Flüchtlinge wurden, die kein Recht auf Gedenken haben.
Sachsen, Schwaben, Sekler, Polen, Madjaren wissen, dass es dabei
nichts Besonderes gibt, es herrscht hier in dieser Region reger
Verkehr.
Als die Schiffe, die die Bessarabiendeutschen transportierten,
stromaufwärts fuhren, herrschte bei uns in Ungarn noch kein
Krieg, die Bilder der Massenflucht sorgten noch nicht für Gleich -
gültigkeit. Die Schiffe transportierten ein Jahr zuvor orthodoxe
Juden, die vor dem Antisemitismus nach Palästina aufbrachen,
danach kamen Polen nach Ungarn, die nach dem doppelten Über-
fall auf ihr Land eintrafen, aber das Land war noch einige Monate
kein Kriegsteilnehmer.
Dieser Tage konnten die Schiffe am Pester Donauufer selbst
von Pál Jávor und Klári Tolnay gesichtet werden, die gerade eini-
ge Szenen von „Szerelem nem szégyen” (Liebe ist keine Schande)
drehten: Am Ende des Lustspiels entschied sich der verarmte
Graf, der auf einem Schiff lebte, statt dem Selbstmord für die
Liebe. In diesen Wochen war die ungarische Öffentlichkeit in
Hochstimmung versetzt: Bis Mitte September kehrte Nordsie -
benbürgen zurück, und nach den einmarschierenden Soldaten tra-
(Fortsetzung auf Seite 8)
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