Sonntagsblatt 5/2015 | Page 8

fen mittlerweile auch Züge voller Touristen in Klausenburg / Ko- lozsvár ein.
Zwischen der Reivision und dem Auftauchen der Schiffe mit dem Hakenkreuz bestand auch darüber hinaus ein Zusam- menhang, dass der Zweite Wiener Schiedsspruch Ungarn schlussends zum Vasallen Nazideutschlands machte. Zur unmittelbaren Vorgeschichte gehört es, dass die Sowjetunion ihren Anspruch auf die rumänischen Gebiete Nordbukowina und Bessarabien erhoben hat – in dieses Gebiet, das größtenteils das heutige Moldawien bildet, ist die Rote Armee am 2. August einmarschiert. Die außen politische Krise Rumäniens setzte die Deutschen des Ostens in Bewegung, aber auch die ungarische Armee wurde zu deren Ausnutzung an den Grenzen mobilisiert. Siebenbürgen konnte Horthy soweit indirekt den Sowjets verdanken.
1940 standen Hitler und Stalin noch nicht einander gegenüber. Der Molotov – Ribentropp-Pakt hat lediglich Polens Schicksal besiegelt, er verfügte nicht über die Aufteilung des gesamten Ost- blocks. Laut der geheimen Klausel hinsichtlich europäischer Inte- ressenssphären haben die Sowjets auch das Baltikum( zu dem damals auch Finnland gehörte, Litauen aber nicht) bekommen, genauso wie Bessarabien, das eine rumänische Bevölkerungs- mehr heit hatte, aber vielsprachig war.
Die beiden totalitären Staaten haben auch darüber entschieden, dass die Deutschen, die in den Gebieten leben, die an die Russen kamen, in das Dritte Reich umgesiedelt werden. So kamen neben den Balten- und Bukowinadeutschen auch die Bessarabien- deutschen auf die Liste derjenigen, die wegen der Politik und dem Krieg umgesiedelt werden. Es erging ihnen besser als den Wolgadeutschen beispielsweise, die von den Sowjets auf die kasachische Steppe oder nach Sibirien verbannt wurden, bevor sie in den NKVD-Gulags massenhaft starben.
Umsiedlungsaktionen, Bevölkerungstausch, Zwangsmigration, kollektive „ Säuberung” großer Gebiete von ganzen Völkern wa- ren nicht nur eine Begleiterscheinung von Kriegen. Nach dem griechisch – türkischen Bevölkerungstransfer nach dem Ersten Welt krieg betrachtete man sie als geeignetes Mittel der Regelung internationaler Konflikte, als ob man mit hunderttausenden Menschen ein Spiel treiben könnte wie in einem Strategiespiel. Insbesondere in der Sowjetunion behandelte man die Volks- gruppen, die als potentielle Kollaboranten abgestempelt wurden, als feindliche Kolonnen, die man mit der Eskalation des Konflikts beliebig beiseite schaffen kann.
Die Bessarabiendeutschen haben nicht abgewartet, bis sie an der Reihe sind. Ihr Siedlungsgebiet, das heutige Moldawien, gehörte in der Zwischenkriegszeit zu Rumänien, bis Stalin, der den Segen Hitlers besaß, seinen Anspruch auf das Gebiet erhob. Die Deutschen hatten schlechte Erinnerungen an die russischen Soldaten, ein Großteil wollte lieber Bürger des Deutschen Reiches werden als Mitglied einer Minderheit mit ungewisser Zukunft unter Stalin. Es gab sicherlich einige, denen die Politik Hitlers stark imponierte, die sich durch den Willen, den man gegen jegliche Widerstände vollzog, und den Aufstieg Deutsch- lands, das nach dem Ersten Weltkrieg gedemütigt wurde, auszeichnen sollte. Die Vereine, die mit den Nazis( verstehe: Großdeutschland – die Red.) sympathisierten, die Jugendorga- nisationen waren auch im Kreise der deutschen Volksgruppen immer beliebter: Die fernen bäuerlichen Gemeinschaften wurden auch von einer Ideologie aufgesogen, die das Blut, den germanischen Geist und das Vaterland auf die Fahnen schrieb. Ganz zu schweigen davon, dass die Politik den „ Heimkehrenden” Grund und Boden, Haus, Anerkennung und eine sichere Existenz versprach.
Obwohl die Bessarabiendeutschen nur indirekt von Deutschland als Heimat sprechen konnten. Bereits die Ur- großeltern der Jüngsten sind in der osteuropäischen Region geboren. Die Russlanddeutschen folgten ab Ende des 18. Jahrhunderts zuerst dem Ruf von Katharina der Großen, dann kamen sie wegen den Privilegien und einer besseren Zukunft in das zaristische Russland. Genauso wie bei uns unter Maria Theresia die deutsche Ansiedlung begann. Die preußischen und schwäbischen Armen zogen sogar viel weiter, 2000 – 3000 Kilometer, weg, um Novo Rossija, das vom dahinsiechenden Osmanischen Reich eroberte Neurussland, aufblühen zu lassen.
Das eine deutsche Dorf in Bessarabien nannte man Paris, aber es gab unter ihnen auch Hoffnungstal und Friedenstal. Auf dem schwarzen Boden kamen die Gärten und Weingärten ohne Dün- gung aus, die lutherischen Landwirte, die nach puritanen Grund- sätzen lebten, haben schnell starke Wirtschaften aufgebaut. An die Stelle ihrer Lehmhäuser kamen Behausungen aus Stein, aber sie haben ihre Sprache bewahrt und pflegten in der Regel ehrliche Beziehungen zu ihren Nachbarn, zu den Rumänen, Ruthenen, den altorthodoxen Lopowanen und Gagausen, den Griechen und Juden.
Herbst 1940 machte sich der Großteil der Bessarabiendeut- schen, etwa 100 000 Menschen, auf den Weg gen Westen, um die versprochenen Häuser in Besitz zu nehmen. Sie fuhren so, auf Donauschiffen, wie ihre Vorfahren ein gutes Jahrhundert zuvor, aber nun in entgegengesetzter Richtung. Wahrlich benutzten sie Dampfschiffe und fuhren nicht mit den Ulmer Schachteln, die auch die Donauschwaben benutzten und die sie bei der Ankunft auseinanderlegten, da man sie stromaufwärts nicht bewegen konnte. 1940 durften sie pro Person 50 – 150 Kilo Gepäck mitnehmen: Aus dem Donaudelta kamen sie zuerst in die Nähe von
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