Sonntagsblatt 5/2014 | Page 4

tionsdefizite der Dialekte scharf erfasst und bewertet. Es wird gefordert, dass die Kinder oder Enkelkinder in der Schule die Standardsprache erlernen sollen. Nach statistischen Angaben ist es eine allgemeine Tendenz, dass auch die Ungarndeutschen die ihre sprachliche Bindung zum Deutschen verloren haben, aber noch eine Restidentität besitzen, einen sehr großen Wert darauf legen, dass ihre Kinder wenigstens in der Schule die deut - sche Standardsprache erlernen. Vor allem in manchen Intelli - genz kreisen der deutschen Minderheit kann man einen demon - strativen Gebrauch dieser Varietät beobachten, meistens verbun- den mit minderheitenspezifischen öffentlichen Situationen. Ob dieses neue Vordringen der deutschen Standardsprache zur Folge hat, dass dieselbe als eine Art neue Erst- oder Zweitsprache funk- tionieren kann, bleibt abzuwarten. In Westungarn ist die Bewer - tung der Standardvarietät allerdings nicht so eindeutig positiv, hier ist in manchen Fällen eine gewisse Abneigung ebenfalls vor- handen und der Rückgang des Dialekts wird als Folge des Vor - dringens der Standardvarietät bewertet. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass diese Standardsprache eine dem süddeutschen Raum angepasste regionale Varietät sein sollte, um nicht dem weit entfernten norddeutschen Muster zu folgen. 2.2. Rechtlicher und institutioneller Rahmen der Minder - hei tenpolitik Das ungarische Minderheitengesetz aus dem Jahre 1993, das 2005 modifiziert wurde, bat den Minderheitengemeinschaften in Ungarn prinzipiell die Rahmenbedingungen einer sog. kulturellen Autonomie an. Das 2011 entstandene Gesetz über die Rechte der Nationalitäten veränderte an der Lage kaum etwas. Auch im politischen Bereich sind die Signale in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht zu verkennen: Nachdem die Bundesrepublik Deutschland als wichtiger Handelspartner eine immer größere strategische Bedeutung für Ungarn bekommt, mündet diese Ent - wicklung darin, dass im Oktober 1985 mit kräftiger Unterstützung des ehemaligen deutschen Außenministers Genscher der erste offiziell gegründete deutsche Minderheitenverein in Osteuropa ins Leben gerufen wurde. Der Kulturverein Nikolaus Lenau e.V. funktioniert bis heute in der Stadt und ist ein wichtiges Sam - melbecken für Angehörige der deutschen Minderheit im Raum Fünfkirchen. Die erste frei gewählte ungarische Regierung unter Ministerpräsident Antall schickte sich 1990 an, die bedeutenden madjarischen Minderheitengemeinschaften in den Nachbarstaa - ten kräftig zu unterstützen. Um diese Zielsetzung international bes ser begründen zu können, wurde ein „beispielhaftes Minder - heitenge setz” ins Visier genommen, also innen- und außen poli - tische Ent wicklungen prägten das Bild ebenfalls. Die Verabschie - dung des Minderheitengesetzes im Jahre 1993 und die darauf fol- gende neue Struktur der sog. Minderheitenselbstverwaltungen führten zu einem Neubeleben der Minderheitenaktivitäten in al - len Lebensbereichen. Bei den Kommunalwahlen im Herbst 1994 sind also die ersten Wahlen der örtlichen Minderheitenselbstverwaltungen durchge- führt wurden, laut den gesetzlichen Bestimmungen bekamen damals alle Wahlberechtigte auch die Listen der Minderheiten. So ist es dazu gekommen, dass in vielen Ortschaften, wo in der Ge - meinschaft angesehene Angehörige der deutschen Minderheit sich zur Wahl gestellt hatten, viele Stimmen von Angehörigen der Mehrheit den deutschen Listen zugute kamen. Im März 1995 wählten im nächsten Schritt die Elektoren der deutschen Min - derheit das erste Mal die Vollversammlungsmitglieder der Lan - desselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU). Sie ist seit- dem das kulturelle und politische Repräsentationsorgan der deut- schen Minderheit in Ungarn. Die Kandidaten zur Minderheiten - wahlen stellten in der Regel die örtlichen oder landesweiten Kul - 4 turvereine der deutschen Minderheit, so dass es zu einer gewissen Verdoppelung der früheren Strukturen kam, da dieselben Perso - nen ja in den Gremien wirkten. Allerdings kann diese Ent - wicklung auch so bewertet werden, dass die zivile Gesellschaft bei den Kommunalwahlen die Minderheitenpolitiker gewählt hat, die dann ihre Interessen auf einer politischen Ebene vertritt, da ja die Minderheitenselbstverwaltungen von ihrer rechtliche Position gesehen als öffentlich-rechtliche Körperschaften wesentlich mehr Kompetenzen haben, als Vereine. Dazu kam eine zwar bescheidene, aber staatlich zugesicherte Grundfinanzierung der Minderheitenselbstverwaltungen, die vor allem in kleineren Gemeinden durch Unterstützung der in der Ortschaft funktionierenden unga