tionsdefizite der Dialekte scharf erfasst und bewertet. Es wird
gefordert, dass die Kinder oder Enkelkinder in der Schule die
Standardsprache erlernen sollen. Nach statistischen Angaben ist
es eine allgemeine Tendenz, dass auch die Ungarndeutschen die
ihre sprachliche Bindung zum Deutschen verloren haben,
aber noch eine Restidentität besitzen, einen sehr großen Wert
darauf legen, dass ihre Kinder wenigstens in der Schule die deut -
sche Standardsprache erlernen. Vor allem in manchen Intelli -
genz kreisen der deutschen Minderheit kann man einen demon -
strativen Gebrauch dieser Varietät beobachten, meistens verbun-
den mit minderheitenspezifischen öffentlichen Situationen. Ob
dieses neue Vordringen der deutschen Standardsprache zur Folge
hat, dass dieselbe als eine Art neue Erst- oder Zweitsprache funk-
tionieren kann, bleibt abzuwarten. In Westungarn ist die Bewer -
tung der Standardvarietät allerdings nicht so eindeutig positiv,
hier ist in manchen Fällen eine gewisse Abneigung ebenfalls vor-
handen und der Rückgang des Dialekts wird als Folge des Vor -
dringens der Standardvarietät bewertet. Es ist auch wichtig zu
erwähnen, dass diese Standardsprache eine dem süddeutschen
Raum angepasste regionale Varietät sein sollte, um nicht dem weit
entfernten norddeutschen Muster zu folgen.
2.2. Rechtlicher und institutioneller Rahmen der Minder -
hei tenpolitik
Das ungarische Minderheitengesetz aus dem Jahre 1993, das
2005 modifiziert wurde, bat den Minderheitengemeinschaften in
Ungarn prinzipiell die Rahmenbedingungen einer sog. kulturellen
Autonomie an. Das 2011 entstandene Gesetz über die Rechte
der Nationalitäten veränderte an der Lage kaum etwas. Auch im
politischen Bereich sind die Signale in den 80er Jahren des 20.
Jahrhunderts nicht zu verkennen: Nachdem die Bundesrepublik
Deutschland als wichtiger Handelspartner eine immer größere
strategische Bedeutung für Ungarn bekommt, mündet diese Ent -
wicklung darin, dass im Oktober 1985 mit kräftiger Unterstützung
des ehemaligen deutschen Außenministers Genscher der erste
offiziell gegründete deutsche Minderheitenverein in Osteuropa
ins Leben gerufen wurde. Der Kulturverein Nikolaus Lenau e.V.
funktioniert bis heute in der Stadt und ist ein wichtiges Sam -
melbecken für Angehörige der deutschen Minderheit im Raum
Fünfkirchen. Die erste frei gewählte ungarische Regierung unter
Ministerpräsident Antall schickte sich 1990 an, die bedeutenden
madjarischen Minderheitengemeinschaften in den Nachbarstaa -
ten kräftig zu unterstützen. Um diese Zielsetzung international
bes ser begründen zu können, wurde ein „beispielhaftes Minder -
heitenge setz” ins Visier genommen, also innen- und außen poli -
tische Ent wicklungen prägten das Bild ebenfalls. Die Verabschie -
dung des Minderheitengesetzes im Jahre 1993 und die darauf fol-
gende neue Struktur der sog. Minderheitenselbstverwaltungen
führten zu einem Neubeleben der Minderheitenaktivitäten in al -
len Lebensbereichen.
Bei den Kommunalwahlen im Herbst 1994 sind also die ersten
Wahlen der örtlichen Minderheitenselbstverwaltungen durchge-
führt wurden, laut den gesetzlichen Bestimmungen bekamen
damals alle Wahlberechtigte auch die Listen der Minderheiten. So
ist es dazu gekommen, dass in vielen Ortschaften, wo in der Ge -
meinschaft angesehene Angehörige der deutschen Minderheit
sich zur Wahl gestellt hatten, viele Stimmen von Angehörigen der
Mehrheit den deutschen Listen zugute kamen. Im März 1995
wählten im nächsten Schritt die Elektoren der deutschen Min -
derheit das erste Mal die Vollversammlungsmitglieder der Lan -
desselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU). Sie ist seit-
dem das kulturelle und politische Repräsentationsorgan der deut-
schen Minderheit in Ungarn. Die Kandidaten zur Minderheiten -
wahlen stellten in der Regel die örtlichen oder landesweiten Kul -
4
turvereine der deutschen Minderheit, so dass es zu einer gewissen
Verdoppelung der früheren Strukturen kam, da dieselben Perso -
nen ja in den Gremien wirkten. Allerdings kann diese Ent -
wicklung auch so bewertet werden, dass die zivile Gesellschaft bei
den Kommunalwahlen die Minderheitenpolitiker gewählt hat, die
dann ihre Interessen auf einer politischen Ebene vertritt, da ja die
Minderheitenselbstverwaltungen von ihrer rechtliche Position
gesehen als öffentlich-rechtliche Körperschaften wesentlich mehr
Kompetenzen haben, als Vereine.
Dazu kam eine zwar bescheidene, aber staatlich zugesicherte
Grundfinanzierung der Minderheitenselbstverwaltungen, die vor
allem in kleineren Gemeinden durch Unterstützung der in der
Ortschaft funktionierenden unga