Literatur – Bücher
Neben den Kirschbäumen, die auf drei Hektar Land gepflanzt wurden, haben sie auch Weinbau betrieben, auf zehn Hektar Weinreben gepflanzt und verarbeitet. 30 000 Kilogramm Kirschen wurden jährlich geerntet und vermarktet. Wie man das macht? „ Der Baum muss in der Mitte sauber sein, damit man drin tanzen kann”, verrät sie, und – es musste ja kommen – „ arbeiten, immer viel arbeiten”.
Ein Kochlöffel aus dem Vernichtungslager Mit den anderen Banatern, den Ulrichs und Bernhardts, haben sie sich noch bis vor einigen Jahren immer sonntags zum Karten- spielen getroffen. „ Zum Belot” – das ist eine Art Fuchse –, erklärt Frau Enzinger. Heute ist das alles etwas schwieriger geworden, der serpentinenreiche Weg hinauf nach La Roque und überhaupt, das Interesse an diesen Zusammenkünften scheint geschwunden zu sein. Was verbindet Frau Enzinger noch mit ihrer Herkunft, außer der deutschen Sprache, die gelegentlich gesprochen wird, außer dem Arbeitsethos, einigen spezifischen Gerichten der do- nau schwäbischen Küche – die Frage drängt sich auf. Kurzes Zö- gern, und dann wird doch noch eine Geschichte erzählt. Ein alter Kochlöffel aus dem Lager im Molidorf ist noch da. „ Er ist schon gebrochen”, sagt sie, „ aber ich schmeiße ihn nicht weg”. Gekochte Gerste habe man damit gegessen – wie froh war man, wenn we- nigstens diese zur Verfügung stand. Michael Enzinger hat von einem Rumänienaufenthalt einen Mörser und Stößel mitgebracht. Jetzt steht er bei der Tochter in der Vitrine. Zuviel der Erinnerungen? „ Wir sind Franzosen und bleiben Franzosen”, sagt seine Frau. Und eine Minute später zu ihrem Mann: „ Du weißt doch, wie die Franzosen sind!” Man hat es nicht leicht mit seiner Identität, als Kind donauschwäbischer Eltern im Banat geboren, im Vernichtungslager überlebt, in Österreich als staatenloser Volksdeutscher mit zweimonatiger Aufenthaltsge- neh mi gung geduldet, als Franzose aus dem Banat nach Loth- ringen umgesiedelt, dann in der Provence angesiedelt, wo die an- säs sigen Franzosen feststellten, dass dies ja keine richtigen Fran- zosen sind. Was bin ich? Diese Frage hat auch die Tochter der Fa- milie Straky-Enzinger im Lehrerzimmer der Schule in Pernes ihren Kollegen gestellt: „ Mein Vater ist in Rumänien geboren, meine Mutter in Jugoslawien, ich in einem Lager in Österreich.” Von einer Antwort wird uns nichts erzählt.
Nikolaus Benz, in Kleinbetschkerek geboren, ist einer der wenigen Banater, die auch heute noch als Bauer im Gebiet um la Roque sur Pernes arbeiten. Er kam 1954 aus dem Lager Kematen in Tirol nach Pernes; es ist die Ortschaft unterhalb von La Roque sur Pernes. 17 Hektar Weingärten bewirtschaftet er mit seinem Sohn. Zwölf Hektar nennt er sein eigen, fünf Hektar hat er dazugepachtet. Vor genau fünfzig Jahren hat er hier angefangen. Als er aus dem Lager Kematen in Tirol hier ankam, war das Gelände verwildert, mit Steinen und Geröll übersät. Vier Jahre lang habe er keinen Schluck Wein getrunken, erzählt er. Nur gearbeitet und gespart, in die Ausbildung der Kinder investiert. Ingenieur wurde der eine, Musiker der andere, und der Dritte – er erfüllte den Wunsch aller bäuerlichen Familien – übernahm den elterlichen Betrieb.
Ein Banater Weinbauer in der Provence Stolz führt er uns durch seinen Betrieb. Die Weintrauben werden alle maschinell geerntet, nur die Tafeltrauben mit der Hand. Sai- sonarbeiter aus Nordafrika besorgen das und natürlich auch die Familie. Trotz seiner über achtzig Jahre ist Bauer Benz in das bäuerliche Leben im Betrieb eingebunden, den er 1953 für eine Mil- lion alte Franc gekauft hatte. Zehn Jahre mussten Schulden abbezahlt, aber auch Maschinen gekauft werden. Er bietet Ferien auf dem Bauernhof an; eine Familie aus Hamburg kommt seit 25 Jah- ren in diese von Gott gesegnete, aber auch verlassene Gegend. Was machen diese hier in dieser Einöde, von gängigen touristischen Angeboten entfernt, die Frage drängt sich auf: Bauer Benz hat die Antwort gleich parat: „ Faulenze tun se”, sagt er in seinem klaren schwäbischen Dialekt, den er besser spricht als mancher Banater in Deutschland. 1965 hat Nikolaus Benz zum erstenmal wieder seinen Heimatort Kleinbetschkerek besucht, 1982 ist er das zweite und letzte Mal „ heimgefahren”, wie er sagt. Es hat ihm nicht gefallen, was er dort vorgefunden hatte. „ De Leit han se alles weg ghol, alles nor de Staat, es wor jo nix meh”, lautet seine einfache, aber zutreffende Einschätzung der Verhältnisse in seinem Heimatort.
In einer großen Halle sind die Weinkessel untergebracht. 20 000 Liter Wein verkauft er selbst, Rotwein und Rosé, auch nach Deutsch land. Weitere 10 000 Liter gehen an Großhändler, die Ta- fel trauben auf die Märkte.
Im Elsaß beten sie noch heute für ausgewanderte Landsleute „ Im Elsaß gibt es eine Gemeinde, da beten sie noch heute jeden Sonntag für diejenigen, die aus dem Elsaß ausgewandert sind”, berichtet Nikolaus Benz, und man hat den Eindruck, als würde er sich ihnen zugehörig fühlen. Nun, Franzosen sind sie wohl geworden, die Kinder des Ehepaares Benz, französische Staatsbürger mit deutschen, mit Banater Wurzeln. Das Ehepaar Benz spricht untereinander Deutsch, Frau Benz spricht auch mit den Kindern deutsch, hier auf ihrem einsamen Hof, am Fuße des Mont Ven- toux, wo in heißen und trockenen Sommermonaten die Trauben für den Rotwein der Benz’ s reifen. „ Nur gezählt wird auf Fran- zösisch”, sagt Frau Benz. Das ist wohl in einem so florierenden Wirtschaftsbetrieb unumgänglich. Als Bauer Benz mit seinen Trau ben auf dem Markt in Pernes stand, wurde er von seinen Kunden gefragt, ob er ein Spanier sei oder ein Italiener. „ Ich bin ein Deutscher aus Rumänien”, hat er geantwortet, und die Ver- wirrung war komplett.
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Buchbesprechung
Nelu B. Ebinger: LOVE STORY in Budapest
Ein vielverheißender Titel. Und wirklich auch ein vielgebender Inhalt.
Dennoch könnte die Lektüre manchem Leser eine große En- täuschung einbringen. Jenem Leser, der vom Titel ausgehend sich eine romantische Liebesgeschichte mit einem geistreichen Happyend erhofft.
Vielgebend – historisch aufklärend und politisch ernüchternd – ist der Inhalt des Büchleins jedoch für Menschen, die sich für Geschichte, für geschichtemachende Persönlichkeiten interessieren.
Diesmal haben wir es mit einem Fall zu tun, in welchem Liebe und Politik ineinander knüpfend das Schicksal eines ehrlichen und aufrichtigen Menschen lenken, das letztendlich in einer Tragödie endet.
Es ist das Schicksal des Führers der deutschen Volksgruppe in Ungarn in den 1930 – 40er Jahren, des den Märtyrertod gestorbenen Dr. Franz Anton Basch.
Was die deutsche Öffentlichkeit, insbesondere die Masse der Deutschen aus und in Ungarn anbelangt, so ist Basch – natürlich von der offiziellen Geschichtsschreibung dargestellt – als Nazi, als Kriegsverbrecher bekannt. Doch die Wirklichkeit ist eine ganz andere.
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