Hodschager Männer vom 23. November 1944( siehe Paul Pfuhl, in Schieder-Dok., S. 269f) zur Auffassung gelangt sein, dass es eine Hilfsmannschaft brauche, die die Stricke festhält, mit denen die Filipowaer Männer zusammengehalten wurden. In Hodschag war nämlich ein Mann aus der Gruppe ausgebrochen und in der Dun- kelheit entkommen. Das Mordkommando forderte daher von der Somborer Kaserne weitere 50 Mann an, die sich sämtliche aus Wojwodiner Serben, Slowaken, Bunjewatzen und Ungarn rekrutierten. Diese Wojwodiner wussten offenbar zunächst nicht, um was es eigentlich ging. Spätestens bei den beginnenden Folte- rungen wurde es auch ihnen klar, dass sie bei der grau- samen Tötung der gefangenen Filipowaer mithelfen sollten. Da erkannte ein Bunjewatz, ein Bauer aus Nemesch-Miletitsch, den Fili- powaer Apotheker Magister Ludwig Vogl. Er wandte sich an die Kommandeure der Truppe mit der Forderung, Magister Vogl müsse freigelassen werden. Er kenne die Familie, der Vater des Apothekers sei in Sentiwan Lehrer gewesen, er könne sich nicht denken, dass dieser Mann irgendeine Schuld auf sich geladen hätte. Es kam zu einer Auseinandersetzung mit den Partisanen des Mordkommandos, in deren Verlauf sich offenbar ein Großteil der Wojwodiner diesem Bunjewatzen anschloss und sich weigerte, bei der Folterung und der beabsichtigten Exekution der Fili- powaer Männer mitzumachen. Die Anführer des Exekutions kom- mandos waren nun in ihrem Vorhaben sehr verunsichert. Sie schickten einen berittenen Kurier zum Kommando nach Hod- schag mit der Frage, was zu tun sei. Der Kurier kam noch in der Nacht mit dem Befehl zurück, die Dienstverweigerer seien sofort abzuziehen. Der Name des in Österreich lebenden Donau- schwaben, der diese Vorgänge als „ herausgekaufter” Lagermann vom besagten Bunjewatzen selbst erfahren hat, war um 1985 den Verfassern des Buches Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde, Sechster Band: Kriegs- und Lageropfer, nämlich Paul Mesli, Franz Schreiber und Georg Wildmann bekannt.
Wir verneigen uns mit Respekt auch vor dem Mut und der Charakterstärke dieser Männer aus der Wojwodina und sehen in ihrem Verhalten den Beleg dafür, dass es ungerecht und unsinnig wäre, allen Serben, Bunjewatzen oder Ungarn einen Hass und Ver nichtungswillen ihren donauschwäbischen Nachbarn und Mit- bewohnern gegenüber anzulasten.
Diese mutige Tat eines Teiles der Wojwodiner dürfte der Anlass dazu gewesen sein, dass die Frage der Liquidierungen und ihrer Sinnhaftigkeit von Hodschag über Sombor bis nach Belgrad weitergeleitet und neu erörtert wurde. Soweit wir sehen können, dürften ab dem 25. November 1944 keine weiteren Massenhin- rich tungen mehr stattgefunden haben. Dass die sowjetischen Militärs die Liquidierungen anfangs duldeten, dürfte unbestritten sein, sie drangen dann aber energisch auf deren Einstellung, weil sie offenbar sahen, dass Partisanengruppen bei solchen Anlässen in einen Blutrausch gerieten, der sie für eine geordnete Kriegs- führung untauglich machte.
Derselbe Gewährsmann gibt an, dass den Befehlsverweigerern zum Hohn Magister Vogl als erster erschlagen und in eine der Gru be auf der Heuwiese geworfen wurde. Die Gruben waren wäh rend der Kriegszeit angelegt worden, als die Heuwiese als deutscher Feldflughafen diente. Sie sollten den Luftabweh ge- schützen Deckung geben. Jetzt mussten sie als Massengräber dienen.
Die Vorgänge auf dem Rothsalasch und auf der Heuwiese waren grausam. Es gibt einen Bericht über die Ereignisse, den ein serbischer Knecht, der bei Gregor Eichinger in Diensten war, Filipowaer Nachkommen in Tomaschanzi gegeben hat. Der Mann besitzt des halb eine große Glaubwürdigkeit, weil er erstaunlich genaue
Personenangaben machen konnte. So erzählte er, dass die Par- tisanen verlangten, ein Sohn solle seinen Vater schlagen!( Beider Namen waren bei Abfassung dieses Gesamtberichts um 1985 der Redaktion bekannt; nahe Verwandte haben gebeten, die Namen nicht zu nennen.) Der Sohn weigerte sich. Da sagte der Vater: „ Mach net lange herum. Hau einmal anständig zu. Je schneller die Sache vorbei ist, desto besser für uns alle...” Grausames Spiel. Der Mann berichtete weiter, dass nach Magister Vogl als einer der ersten der Gemeindearzt Dr. Franz Dickmann besonders grausam umgebracht worden sei. Einer der Partisanen, offenbar ein Wojwodiner, habe dies aus persönlicher Rache getan. Dieser Par- tisan habe während der Kriegszeit von Dr. Dickmann verlangt, er solle ihn krankschreiben, damit er nicht zum ungarischen Militär einrücken müsse. Der aufrechte Arzt soll ihm geantwortet haben: Wenn ich dich krankschreibe, dann muss ich alle anderen auch krankschreiben. Das kann ich nicht, du bist gesund. So wurde Dr. Dickmann noch in seinen letzten Minuten gewissermaßen Opfer seines ärztlichen Ethos! „ Einer der Partisanen, der dabei war, als die 240 liquidiert wurden, hat ungefähr zwei Jahre später einer Frau, deren Mann auch dabei war, erzählt, dass die Filipowaer fromme Menschen gewesen sein müssten. Als die Frau ihn fragte, warum er dies sage, erzählte er ihr, wie es in der damaligen Nacht zugegangen ist. Als man die Männer niederschlug( er selbst habe sich daran nicht beteiligt), da haben sie gebetet und sich gegenseitig Trostworte zugerufen”( So Paul Pfuhl in Schieder-Dok. S. 270). Schwester Lea und die Mutter Magdalena Johler gingen im Jahr 1946 auf die Salasche( Maierhöfe) am Keresturer Hotter( Ge markung) betteln, um die Lagerleute mit Lebensmitteln un- terstützen zu können. Sie bekamen Lebensmittel und auch Geld. Auf einem Salasch trafen sie einen Mann, der ihnen sehr aufmerksam zuhörte, als sie über die Not in den Konzentra tions lagern berichteten. Nachdem er erfahren hatte, dass sie aus Fili powa kamen, wurde er sehr ernst und begann traurig zu erzählen: „ Ich wurde im Jahre 1944 von der Militärbehörde zum Dienst in den Heimatschutz einberufen. Ich musste bei der Säuberungs aktion am 25. November 1944 mittun. Ich war nicht bei denen, die bewaffnet waren, sondern bei denen, die als Sanitäter rekrutiert wurden. So war ich dabei, als man die Männer auf der Wiese zwischen den beiden Dörfern( Filipowa und Hodschag) zusammentrieb. Ich war nicht bei den bewaffneten Bewachern, sondern bei denen, die die Stricke zusammenhalten mussten, damit keiner davonlaufen konnte.” Er wurde noch ernster und sagte weiter: „ Was ich euch beiden jetzt sage, das kann ich in meinem Leben nie vergessen. Die meisten der Männer haben gebetet und das Kreuz gemacht, bevor sie erschossen worden sind. Und wenn ein Vater und Sohn dabei waren, dann hat der Vater dem Sohn noch ein Kreuz auf die Stirn gemacht, ehe sie erschossen worden sind.” Der Augenzeuge, der das berichtete, war aus Pivnica.
Georg König( alias Burger Jergl) aus Filipowa berichtet, wie ihm ein Slowake aus Selentscha erzählte, sein Vater( der Vater des Slowaken) habe noch in der Nacht auf der Heuwiese mit dem Wa- gen vorfahren müssen, um die Kleider aufzuladen. Nach der Ver- sion des Slowaken habe man die Männer, die man vom Roth- salasch in großen Gruppen zu den Flaklöchern trieb, mit einem Strick umschlungen gehabt. Vor den Gruben mussten sie sich nackt ausziehen, um dann erschlagen oder erschossen zu werden. Der Mann kam nie wieder von dieser Szene los, er musste sie, wie seine Kinder zu berichten wussten, immer wieder erzählen.
Neben den beiden Massengräbern findet sich ein kleines Grab, in dem nachweislich sechs Personen begraben liegen, wie zufällig von ihrer Arbeit heimkehrende Hodschager Lagerleute nach einem längeren Herbstregen betroffen feststellen mussten. Der Regen hatte eine der Leichen teilweise freigewaschen. Halterbu- ben, die ebenfalls im Lager waren, konnten die Zahl sechs bestä-
18