Sonntagsblatt 4/2024 | Page 25

fest („ die Kerb “) in einem Zelt gefeiert , das meine Eltern vor unserem Siedlungshaus aufgebaut hatten .
Da mein Vater im Betrieb einer Gastwirtschaft eine bessere berufliche Perspektive als im Maurerhandwerk sah , entschlossen sich meine Eltern , den Bau einer Gastwirtschaft auf dem hierfür vorgesehenen Siedlungsgelände zu beantragen . Nachdem ihnen das im Rahmen eines auf 99 Jahre festgelegten Erbbaurechtsvertrages zur Verfügung gestellt worden war , begann mein Vater bereits im September 1952 mit dem Bau der Gastwirtschaft . Er war fest entschlossen , den Großteil der Erd- und Maurerarbeiten , selbst zu leisten , da er sich inzwischen die handwerklichen Fähigkeiten erworben hatte . Er hatte sich ausgerechnet , dass er nur so die finanzielle Belastung in einem tragbaren Rahmen halten könne . Trotz der von manchen Siedlern geäußerten Skepsis , ging er mit dem ihm eigenen Elan an die Arbeit . Obwohl er nur einen Hilfsarbeiter als ständigen Helfer hatte und meine Mutter und ich - mit meinen 13 Jahren - manchmal als Handlanger mithelfen mussten , konnte er tatsächlich in knapp sechs Monaten den Keller und das Erdgeschoss soweit fertigstellen , dass am 13 . Februar 1953 die Gastwirtschaft mit dem Namen „ Zur Stadt Budapest “ in Betrieb genommen werden konnte .
Da das Geschäft sich nicht zuletzt aufgrund der häufigen Besuche der amerikanischen Soldaten aus der nahegelegenen amerikanischen Kaserne recht gut entwickelte , kündigte mein Vater seinen Arbeitsvertrag bei der Baufirma , um den Ausbau des Obergeschosses forcieren zu können , sodass Ende des Jahres 1953 unsere ganze Familie in das neue Haus einziehen konnte . Um den weiteren Ausbau mit einem Tanzsaal ( 1954 ) und einer Kegelbahn ( 1972 ) finanzieren zu können , verkauften meine Eltern unser Siedlungshaus . Die
UNGARNDEUTSCHE PARLAMENTARIER IM PORTRAIT ( 2 ):

DR . JOHANN HARGITAI

Von Richard Guth
Seit der letzten Sonntagsblatt-Ausgabe portraitieren wir ungarndeutsche Parlamentsabgeordnete . Die Vorstellung setzen wir mit Dr . Johann Hargitai fort , dem Ostbranauer Abgeordneten von Fidesz-KDNP . Der Abgeordnete vertritt im ungarischen Parlament seit über 25 Jahren die Ostbranau .
„ Ich bin sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits Donauschwabe . Mein Vater wurde als Hauszmann geboren , ehe die Zeit der Namensmadjarisierung anbrach . Natürlich wurden beide Familien , die meines Vaters wie die meiner Mutter , aus Ungarn vertrieben , sie kamen in die Sowjetisch Besetzte Zone Deutschlands , in die spätere DDR . Sie kamen aber nach einem Jahr wieder zurück und kauften mit der Zeit das weggenommene Haus zurück . Eine gewöhnliche Geschichte , die damals wohl die reine Hölle war ”, weiht mich der 66-jährige Politiker in die Familiengeschichte ein .
Gastwirtschaft entwickelte sich sehr rasch zu einem Kommunikationsmittelpunkt und kulturellen Zentrum der Donausiedlung . Der Saal war nicht nur der Ort vieler öffentlicher gesellschaftlicher Veranstaltungen und privater Feierlichkeiten , sondern auch Ort kultureller und sportlicher Aktivitäten . Er war u . a . auch Proberaum und Theatersaal für die Vorführungen der Theatergruppe des bereits 1951 von dem ungarndeutschen Lehrer Ernst Gori gegründeten Kulturvereins und in den Wintermonaten sogar Trainingsraum für die Fußballer des im Juni 1954 gegründeten Fußballvereins Rot-Weiß Darmstadt , der sich im Oktober des gleichen Jahres mit dem Kulturverein zum Sport- und Kulturverein zusammenschloss . Dieser SKV Rot-Weiß Darmstadt 1954 e . V . - dessen Gründungsvorsitzender mein Vater war und den er in den ersten 18 Jahren als Vorsitzender führte - war ein wichtiger Integrationsfaktor nicht nur für die ungarndeutschen Siedler der Donausiedlung , sondern weit darüber hinaus . Mein Vater hat vor allem in der Aufbauphase viel Zeit und Arbeit in diesen Verein investiert , der heute ein Großverein mit etwa 1 300 Mitgliedern aus allen Stadtteilen und Bevölkerungsschichten ist .
SB : Hatten Sie - hatte Ihre Familie - Verbindungen zu der Landsmannschaft der Deutschen in Ungarn Landesgruppe Hessen ( auch in den späteren Jahren ), deren Arbeit in der Anfangsphase von der umstrittenen Irma Steinsch maßgeblich beeinflusst wurde ?
JL : An der Spitze des Genossenschafts-Aufsichtsrates stand bis 1954 Frau Dr . Irma Steinsch . In diesem Gremium war auch mein Vater einige Jahre Mitglied . Meines Wissens hatte er aber keine Verbindungen zu der Landsmannschaft der Deutschen in Ungarn .
Ende Teil 1
Hargitai stammt aus Großnaarad / Nagynyárád in der Branau , dessen Bürgermeister ( 1985-90 als tanácselnök - übersetzt : Vorsitzender des Rats der Gemeinde , 1990-1994 sowie 2002-2010 als Bürgermeister ) er lange Zeit war . Er schätzt sich nach eigenem Bekunden glücklich , dass in seinem Mohatscher Wahlkreis die „ Creme der Schwaben ” lebe . Auch wenn er heute im Parlament in anderen Gebieten tätig sei ,
SoNNTAGSBLATT sei er bis heute aktives Mitglied der Gemeinschaft und unterstütze in allen Belangen die deutschen Selbstverwaltungen und zivilen Organisationen in der Ostbranau .
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