Sonntagsblatt 4/2024 | Page 19

„ WIR WERDEN UNSERE SIEBENBÜRGISCH-

SÄCHSISCHE HERKUNFT NICHT AUFGEBEN ”

Der Student Tobias Krempels aus Baden-Württemberg über Familienerbe , Verbindungen zur Gemeinschaft und den Fortbestand der Siebenbürger Sachsen
Tobias Krempels traf das Sonntagsblatt auf dem Bundesschwabenball der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn in Gerlingen April diesen Jahres . Der junge Mann siebenbürgisch-sächsischer Herkunft stellte sich bereitwillig den Fragen unserer Zeitschrift .
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SB : Tobias , Du bist Siebenbürger Sachse , der bereits in Deutschland geboren wurde - weihe uns bitte ein wenig in die Familiengeschichte ein ! Welche Rolle spielt noch Sächsisch als Sprache im Familienalltag ?
TK : Meine Eltern sind mit ihren Familien erst nach der Wende 1990 nach Deutschland gekommen und haben hier geheiratet . Als ich 1999 auf die Welt kam , war ihre Aussiedlung schon fast 10 Jahre her , jedoch haben sie mir und später meiner jüngeren Schwester unseren sächsischen Dialekt beigebracht . Zu Hause und vor allem bei den Großeltern wird neben Deutsch auch viel Sächsisch gesprochen . Sächsisch klingt aber in Siebenbürgen nicht überall gleich . So hat jede Region bzw . jeder Ort seine eigene Aussprache , die zwar immer ähnlich ist , sich jedoch in Feinheiten unterscheidet . Da meine Großeltern aus vier verschiedenen Dörfern Siebenbürgens stammen , ist mein Sächsisch eine bunt gemischte Version davon , die oft nicht auf einen spezifischen Ort zurückzuführen ist .
SB : Wir haben uns auf dem Bundesschwabenball der LDU getroffen und du , Tobias , hast Tracht getragen - wie wichtig ist das siebenbürgisch-sächsische Erbe für junge Leute siebenbürgisch-sächsischer ( und landlerischer ) Herkunft - gerade für solche , die bereits in Deutschland geboren wurden ?
TK : Die meisten meiner siebenbürgischen Freunde und ich wurden größtenteils anhand der Erziehung durch unsere Eltern hinsichtlich des siebenbürgisch-sächsischen Erbes geprägt . Wir sind in einer Gemeinschaft aufgewachsen , die die Traditionen der Vorfahren nach wie vor pflegt , aber auch Raum für zeitgemäße Ideen bietet . Neben den zahlreichen Kulturgruppen wie Jugendtanzgruppen , Blaskapellen , Chören und Theatergruppen ist die Jugendorganisation unseres Verbandes auch bekannt dafür , die jungen Leute untereinander zu vernetzen . Dies geschieht beispielsweise auf dem jährlichen Volkstanzwettbewerb , auf Skifreizeiten und vielen weiteren Angeboten . Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland bezieht die Jugend schon früh mit ein und erntet entsprechend die Früchte , wenn es um den Nachwuchs und den Fortbestand des Brauchtums geht .
Die christlichen Werte werden in den Familien weitergegeben und die meisten Feste , die wir im Verband feiern , beginnen mit einem Gottesdienst , jedoch sehe ich unter den jüngeren Leuten eine eher sinkende Bedeutung des Glaubens im Leben . Für mich persönlich ist der Glaube mein geistiges Fundament , aber die evangelische Kirche in Deutschland ist mir für einen regelmäßigen Gottesdienstbesuch in den letzten Jahren viel zu politisch geworden .
SB : In welcher Form pflegst du dieses Erbe ?
TK : Ich tanze in der Siebenbürgischen Jugendtanzgruppe Sachsenheim . Dort haben wir auch eine Jugendblaskapelle , in der ich gerne musiziere . Darüber hinaus bin ich seit dem Ende der Corona-Pandemie auch in der Jugendtanzgruppe Heilbronn aktiv .
SB : Ihr fahrt des Öfteren auf „ Heimaturlaub “ - welches Bild habt ihr über die siebenbürgische Urheimat gewonnen ?
TK : Gerade liegt das zweite Große Sachsentreffen in Hermannstadt hinter uns , das Anfang August 2024 in der „ alten Heimat “ stattfand und wohl bei jedem Teilnehmer einzigartige Erinnerungen hinterlassen hat . Ein Höhepunkt war für mich die mehrtägige Wanderung , die wir vor dem Großen Treffen mit der Tanzgruppe durch die Karpaten gemacht haben . Die weitläufig unberührte Natur ist auf jeden Fall ein großer Schatz , den das sonst vergleichsweise arme Land aufzuweisen hat . Darüber hinaus merkt man im Laufe der Jahre die Einflüsse der Mitgliedschaft Rumäniens in der Europäischen Union . Es gibt viele geförderte Projekte , die durch die europäische Zusammenarbeit erst möglich geworden sind und das Land sichtbar voranbringen . Zu nennende Beispiele wären hier zum einen der Ausbau der Autobahn und die Restaurierung der alten Kirchenburgen der ehemals deutschen Dörfer . Leider kann nicht alles gerettet werden und es ist schade mit anzusehen , wie einige Kirchen und Gebäude ringsum verfallen .
SB : Habt ihr noch enge Kontakte nach Siebenbürgen / Rumänien ?
TK : Mein letzter Verwandter , der Bruder meiner Großmutter , der noch dauerhaft in Siebenbürgen gelebt hat , starb im August 2023 in Nussbach bei Kronstadt . Ansonsten habe ich noch eine Großtante , die allerdings nur den Sommer in Siebenbürgen auf dem Hof verbringt . Auf diesem Hof werden wir regelmäßig als Gäste untergebracht , zum Beispiel wenn wir unser Heimatortstreffen dort feiern , wo man alte Bekannte trifft und sogar neue Freunde findet .
Was die Sprache angeht , gehöre ich leider zu einer Minderheit unter den jungen Leuten , die den Dialekt noch sprechen . Verstehen , das klappt bei allen noch gut , aber das Sprechen fällt den meisten schwer . Ähnlich verhält sich das mit dem evangelischen Glauben .
SoNNTAGSBLATT
SB : Nun bist du in Deutschland geboren und aufgewachsen - wie würdest du dich definieren ?
TK : Ich würde mich als alles davon bezeichnen . Durch unsere Vorfahren und die Kultur sind wir ganz klar
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