Integration würden sich die Neubürger - vornehmlich Rentner - wenig bemühen . „ Wir Schwaben sind die größte Gruppe , aber erreichen nicht mehr die 50 %”, so der junge Mann . Auch der Dialekt verschwinde mit dem Aussterben der Alten , als junger Mensch spreche man dann eher Hochdeutsch . Was die Arbeitsmöglichkeiten angeht , sieht er die Situation positiv : Arbeit gebe es genug , vor allem in der Landwirtschaft rund um Lippwar , Mohatsch und Deutschbohl . Trotzdem räumt er ein , dass etliche den Ort verlassen hätten - oft gen Westeuropa . Auch um das Gemeinschaftsleben werde viel getan und er fängt an die Feste im Jahreskreis aufzuzählen .
Über Lipowitz / Lipovica / Kislippó führt mein Weg nach Ungarischbohl / Мађарбоја / Magyarbóly , das ein ähnlich vielseitiges Ortsbild präsentiert wie Tiedisch und Lippwar . Trotz dem Namenszusatz „ Ungarisch ” lebten im Ort bis Mitte des 20 . Jahrhunderts zwar auch Madjaren , dennoch stellten die Deutschen fast 60 % der Bevölkerung : Interessant dabei ist die Tatsache , dass es sich um eine Siedlung handelt , die vornehmlich im Zuge der Sekundärkolonisation deutsch besiedelt wurde . Zwischen 1803 und 1830 kamen evangelische Deutsche aus der Tolnau ( um 1790 auch katholische Deutsche ). Die Serben hatten sich gut ein Jahrhundert früher im Ort angesiedelt , der lange ein serbisches Lehnsgut war . Ich halte am Friedhof , der , wie es sich gleich herausstellt , aus vier Teilen besteht : aus dem ethnisch , religiös gemischten Gemeindefriedhof , einem katholischen , serbisch-orthodoxen und einem reformiert-calvinistischen Friedhof ( letzterer etwas versteckt im hinteren Teil des Areals ). Die meisten Grabmäler sind ungarischsprachig , die älteren deutschen hingegen oft deutschsprachig , die Aufschriften sind nicht immer zu entziffern . Allein bei den serbisch-orthodoxen Grabmälern sieht man ein Festhalten an der serbischen Sprache ( mit kyrillischer Schrift ) bis heute . Meine erste Ansprechpartnerin , eine junge Renterin , bestätigt die Anwesenheit von wenigen Serben und Deutschen , wobei der Ort mehrheitlich madjarisch sei . Sie berichtet von einem verstärkten Zuzug von Menschen , man bekomme kein Haus mehr im Ort . Wie sie herkommen , kann sie mir nicht beantworten . Aber auch andere Neubürger habe der Ort seit kurzem : temporär beschäftigte Gastarbeiter ( so die offizielle Bezeichnung ) von den Philippinen , die in der Viehwirtschaft arbeiten würden , um wohl den Arbeitskräftemangel zu lindern . Auch nach ihrem Eindruck gäbe es genug Arbeit . Dennoch erzählt sie von Menschen , die wiederum ihr Glück woanders suchen würden , bei gleichzeitigem Zuzug von neuen Bürgern .
„ Es gibt hier kaum Arbeit ”, das sagt dagegen die Angestellte in einem Laden und übergibt das Wort an eine ältere Frau , als ich sie nach den Nationalitätenverhältnissen frage : Serben können die beiden etliche aufzählen , bei den Deutschen wird es schwieriger , obwohl die Frau einen ungarndeutschen Vater hatte , der noch die Mundart beherrschte . Was geblieben ist , sei die Liebe für die deutsche Musik . Auch heute noch lausche sie fleißig den Klängen der Schrammelmusik .
18
SoNNTAGSBLATT