Sonntagsblatt 4/2020 | Page 13

Merkwürdigkeiten
Ungarns Scheintoleranz ?

Von Johannes Maiwald s wenn alle Szekler unter 70 Jahren in ihren Dörfern untereinander Rumänisch sprechen würden und in der Mehrheit der Minderheitenschulen Ungarisch nur in fünf Stunden pro Woche unterrichtet würde ...

Die Meinungsführer der ungarischen Öffentlichkeit berichten darüber immer mit Stolz , dass Ungarn seine Minderheiten nicht nur tolerieren , sondern sie mit allen möglichen Mitteln unterstütze . Die magyarische Gesellschaft ist also offen und lebt glücklich mit den anderen ungarländischen Minderheiten zusammen . Nicht so wie die Rumänen , Serben , Slowaken , usw . mit den magyarischen Minderheiten in unseren Nachbarländern ! Und diese Argumentation kommt sehr oft vor .
Dieses Verhalten der ( Mehrheits- ) Gesellschaft gegenüber den Minderheiten ist merkwürdig und einzigartig in unserer Region , oder ? Falls es überhaupt so ist ! Man muss es doch ehrlich zugeben : In Ungarn gibt es so ein Minderheitenleben wie z . B . in Siebenbürgen für die Magyaren nicht . Es ist nicht möglich und wird irgendwie auch nicht befürwortet .
Wenn man sein Kind einsprachig ( ausschließlich auf Deutsch ) erziehen möchte , ist der erste Kreis , wo das negativ beurteilt wird , unsere ungarndeutsche Gemeinschaft . In der überwiegenden Mehrheit „ unserer “ Schulen hat ein Kind , das bis zum ersten Schuljahr auf Deutsch aufgewachsen ist , keine Chancen . Unsere Lehrer werden sagen , dass sein ungarisches Sprachniveau nicht ausreichen würde , um die Nationalitätenschule erfolgreich zu absolvieren . Hätten die Eltern mit ihm mehr Ungarisch gesprochen !
Wenn wir weitergehen , kommen wir bei der Mehrheitsgesellschaft an . Wenn ich nur meine Erfahrungen nehme : Als ich in der Öffentlichkeit mit meinen Bekannten auf Deutsch gesprochen habe , so , dass es für das „ Publikum “ klar war , dass die Konversation auch hätte auf Ungarisch laufen können , musste ich bislang immer feststellen , dass man uns alles andere als freundlich angeschaut hat . Einerseits war man wohl überrascht , aber ein bisschen auch feindlich uns gegenüber . Hoffentlich haben die Leser andere Erfahrungen .
Und am Ende kommt man bei den Politikern an , als Spitze und gleichzeitig Spiegelbild der Gesellschaft . MSZP-Vorstandsmitglied Bárány ( siehe unsere Berichterstattung in “ Aktuelles “) spricht auf einer heimlich aufgenommenen Tonaufnahme über das Schwabentum des Schaumarer Bürgermeisters im negativen Kontext , was später vom politischen Gegner veröffentlicht und benutzt wurde . Am Anfang des Jahres machten regierungsnahe Publizisten degoutante Witze über die Ausrottung der Deutschen und die Hautfarbe der Schwaben . Im Oktober 2019 war ein Hauptargument im Wahlkampf der Fidesz-Bürgermeisterkandidatin in Weimend , dass man sie wählen soll , damit die Schwaben im Dorf nicht wieder an die Macht kommen . Die Identität des Jobbik-Politikers Koloman Brenner und seine Treue zum Vaterland wurden auf der Webseite 888 . hu offen in Frage gestellt .
Wenn diese Frage politisch ( und jetzt meine ich im negativen Kontext ) nützlich sein kann , dann gibt es dafür auf allen Ebenen Beispiele dafür , dass man keine Berührungsängste hat , diese Karte auszuspielen . Wir können nur hoffen , dass in der Zukunft unsere Volksgruppe in den Wahlkämpfen nur im positiven Kontext vorkommt .
Natürlich würde und will ich nicht sagen , dass dies für alle in Ungarn gilt , so , dass nicht alle Rumänen die Szekler hassen . Was man aber klar sehen sollte , dass Ungarns Toleranz soweit reicht , bis seine Minderheiten nicht als Minderheiten leben wollen . Ich bin mir sicher , dass die Rumänen sehr freundlich wären ,
SoNNTAGSBLATT
Weißt Du ...
Von Georg Krix
Weißt du , wo die … nein , diesmal nicht wo ( wie im Schlager ) die Blumen sind . Sondern , wie im Sonntagsblatt Herr Guth die Frage stellt : … wo die ungarndeutsche Öffentlichkeit bleibt . Wirklich , wo ist , wo bleibt sie ? Guth fragt sich dann selber noch mit zweifelnder Stimme : Gibt es diese Öffentlichkeit überhaupt ? Nun , sicherlich gibt es die Öffentlichkeit . Ob sie deutsch oder ungarndeutsch , oder eben ’ irgendwie ’ ist ? Darauf ist es schwer die richtige Antwort zu finden .
Herr Jenő Kaltenbach wähnt in seinem unlängst im Sonntagsblatt erschienenen Beitrag „ Identitäten ” die ungarndeutsche Öffentlichkeit in der NEUEN ZEITUNG suchen zu müssen , doch – meint er – darin ist sie nicht zu finden . Diese Feststellung wollte er dann mit seinem nächsten Beitrag „ Inseldasein “ wiederholt bestätigen bzw . bekräftigen damit , dass sie auch im Sonntagsblatt nicht erscheint – wobei er diesmal gezielt das Fehlen der dicken Tages ( partei ) politik bemängelt . Die Frage ist erstanden , weil auf Beiträge ( Interviews , Berichte , Meinungen ) des Sonntagsblattes - allgemein - keine Lesermeinungen , Kommentare , Bemerkungen eingehen , wobei doch in vielen Fällen eben derartige Reaktionen die eine oder andere Frage / Feststellung auf positive oder eben negative Weise klären – befürworten oder ablehnen oder eben ergänzen – könnte , ja sogar sollte . Denn , nur wenn man miteinander redet , ob nun mündlich oder schriftlich , kann man sich gegenseitig verstehen , kann man womöglich auf einen gemeinsamen Nenner kommen .
Zusammengefasst : Es ist wünschenswert , dass Landsleute , in diesem Falle unsere Leser , kommentieren , debattieren , Meinung äußern , um den ins Stocken geratenen ungarndeutschen Wagen in Bewegung zu bringen , die sich auf Krebsgang befindliche ungarndeutsche Volksgruppe in zukunftsverheißende Spur einzuschwenken .
Denn , wieder Herr Kaltenbachs Feststellung ins Auge fassend : Die in der Budapester Júlia utca regierende Deutsche ( Sich ) Selbstverwaltung und die daneben agierende altersschwache Neue Zeitung verkörpern nicht die ungarndeutsche Öffentlichkeit . Es gibt sie eben , als Paradepferd für die ungarische Nationalitätenpolitik . Dass diese Nationalitäten bereits eingegangen sind oder doch noch in Todeskrämpfen zappeln , bemerken Außenstehende nicht , weil ja diese vor ihrer Gruft stehenden noch lebenden „ nemzetiségi ” - Menschen ( leichen ) volle Zufriedenheit ausstrahlen , d . h . so tun , als wäre alles in bester Ordnung , schließlich tanzen und singen wir ja noch …
Nun zurück zu den einleitenden Zeilen meines Kommentars . Herr Guth begibt sich auf die Suche nach der ungarndeutschen Öffentlichkeit … - wobei , so gegen Ende seines Artikels , er diese doch bereits schon als gefunden glaubt mit der Feststellung : „ Unsere Leser , die ich erreichen konnte , äußerten Lob und Kritik gleichermaßen , zeigten aber , dass es diese ungarndeutsche Öffentlichkeit doch gibt . In diesem Zusammenhang waren besonders die Gespräche mit den Vertretern der deutschen Selbst-
( Fortsetzung auf Seite 14 )
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