Sonntagsblatt 4/2019 | Page 4

Ersatzkandidaten. Eine echte Alternative gab es in der Schomo- dei: Hier trat neben dem Komitatsverband der Nationalitäten- selbstverwaltungen der Deutsche Gemeinnützige Verein Kapos- vár an und sicherte sich drei der sieben Mandate. In anderen Komitaten hatte man – wie im Falle der Landesliste – nur eine Liste „zur Auswahl”. Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits gilt der Namensbezeichnung der Kandidaten – nur wenige der 47 Landeslistenkandidaten ga- ben ihren Vornamen in deutscher Form an – dies gilt auch für die Komitatslisten. Dabei wäre gerade von Vertretern der deutschen Minderheit die Wahrnehmung einer Vorbildfunktion zu erwarten. Genauso sprach man vielfach von „Német Nemzetiségi Önkor- mányzatok Szövetsége” - eine erfreuliche Ausnahme bildeten die Weißenburger mit ihrer deutschen Bezeichnung. Ein etwas bunteres Bild zeigte sich bei den lokalen Kandidaten, hier war die Auswahl an Nominiserungsverbänden und -vereinen größer. Dennoch dominierten auch hier die Komitatsverbände von Nationalitätenselbstverwaltungen. Die JBG hatte in zwei Ortschaften eigene Kandidaten aufgestellt – in Witschke/Bicske wurden alle drei JBG-Kandidaten gewählt: Daniel Erlein mit 76 %, Georg Izsák und Kristian Szerencsés mit je 53%. Wohlge- merkt betrug die Zahl der Wahlberechtigten nur 31, von denen 17 ihre Stimmen abgegeben hatten. Die drei Herren waren auch die einzigen Kandidaten. In Galgagyörk wurden alle vier von der JBG nominierten Kandidaten gewählt: Thomas Várszegi, Dr. Robert Merkler, Tünde Mike und Georgina Barta-Szlovák (Reihenfolge nach Stimmenzahl). Hier erschienen von den 55 Wahlberech- tigten 37. Es bleibt zu hoffen, dass sich die JBG-Abgeordneten auch im Verein einbringen werden. Insgesamt eine berechenbare Abstimmung mit wenig Über- raschungen! Dabei findet man neben einigen neuen viele alt- bekannte Namen. Dabei würde mehr Auswahl und Konkurrenz das Geschäft beleben und das Ungarndeutschtum zu neuem Schwung verhelfen. Da stehen aber Vereine wie die JBG ge- nauso in der Verantwortung, geeignete Kandidaten für sich zu gewinnen und zu benennen - auch an der Sprachenfront, denn: Wie man von der Wahl der Branauer 11 berichtete, gab es nur zwei (junge) Kandidaten, die sich auf Deutsch vorstellten – sonst soll die Veranstaltung im „deutschen Kernland” ungarisch domi- niert gewesen sein. Gästen auf Deutsch zu kommunizieren. Dabei arbeitet lediglich eine Dame in der Einrichtung (jedenfalls der wir begegneten), die einen sächsischen Vater aufweisen kann. Alle anderen sind Rumänen, die nicht einmal eine deutsche Schule in der Region besucht haben (jedenfalls unter denen, denen wir begegneten), so auch die Rezeptionistin, die nach eigenem Bekunden nach der Belegung eines Deutschkurses anfing in der Einrichtung zu arbeiten. „Da hier viel deutsch gesprochen wird, habe ich vieles dazugelernt”, sagt die Rumänin im nahezu perfekten Deutsch. Wie wäre es wohl in Ungarn, in einer ungarndeutschen Einrich- tung? Irgendwie wohl mit Händen und Füßen! Bei allem Respekt denen gegenüber, die es jedenfalls versuchen oder es können… „Nichts Ungewöhnliches, dass viele Rumänen hier Deutsch spre- chen, zumal die Beziehung der beiden Volksgruppen nicht vorbe- lastet ist”, das sagt bereits der Geschäftsführer des Siebenbür- genforums, Winfried Ziegler. Der gebürtige Hermannstädter, der die Gruppe an diesem verregneten Oktobertag im Spiegelsaal der Geschäftsstelle - eines alten Bürgerhauses am Großen Ring - des „Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien“ (DFDR) Hermannstadt empfängt, berichtet von der Tanzgruppe des Jugendforums: Unter den 20 Tänzern gäbe es nur noch zwei Sachsen bzw. Landler, der Rest rumänische Jugendliche. Nichts Ungewöhnliches soweit, denn auch bei uns tanzen madjarische Jugendliche mit, auch wenn in den meisten Kulturgruppen der Anteil der Deutschen und Deutschstämmigen höher ist als 10 %! Worin sich die Rumänen von den Madjaren unterscheiden, sind aber die Sprachkenntnisse: Die Rumänen ziehen nicht nur die sächsische Tracht an, sondern sprechen auch ausnahmslos die deutsche Sprache. Viele von ihnen besuchen eine der staat- lichen deutschen beziehungsweise deutschsprachigen Schulen, die auch nach der Auswanderung der Sachsen vielerorts erhal- ten geblieben sind – heute werden diese Schulen zu 95% von Rumänen besucht, für die sich große Chancen eröffnen, selbst im Lande. Auch selbst der fehlende Besuch einer solchen Ein- richtung hindert die Leute nicht daran, die deutsche Sprache ak- tiv zu benutzen. s Aktuelles Reisenotizen spezial Sieweberjen Von Richard Guth Tag 1 „Bringen Sie bitte das Geschirr nach vorne, wenn Sie fertig sind”, so die freundliche Bitte der rumänischen Küchenhilfe auf Deutsch. Reaktionen der Verwunderung im Frühstücksraum, der heute Morgen mehrheitlich von Ungarndeutschen belegt ist. „Könnte uns auch so was zu Hause auf dem Lande widerfah- ren?”, lautet die Frage, was entschieden mit „Nein” beantwortet wird. Wir sind in Neppendorf, zu Rumänisch Turnişor, heute ein Stadt- teil von Hermannstadt in Siebenbürgen. Der Verwunderung der Reisegruppe, die auf den Spuren des Gelehrten Honterus den Königsboden, die Heimat der Siebenbürger Sachsen und Land- ler, erkundet, tut dies keinen Abbruch, denn nahezu das ganze Personal in der Evangelischen Akademie ist in der Lage, mit den 4 Geschäftsführer Ziegler während seines Vortrags Geschäftsführer Ziegler, dessen Siebenbürgenforum eines der fünf Regionalforen ist, beleuchtet in seinem Vortrag die histori- sche Entwicklung der sächsischen Minderheit, die lange über eine Selbstverwaltung verfügte, was die Mentalität der hiesi- gen Bevölkerung - nicht nur der Deutschen - geprägt habe. Der Historiker fokussiert dabei auf die Entwicklung im schicksals- trächtigen 20. Jahrhundert, deren Ecksteine Evakuierung, Ver- schleppung, Zwangskollektivierung, Familienzusammenführung und Ausverkauf waren, in deren Folge die Zahl der Rumänien- deutschen von 800.000 (darunter 230.000 Sachsen und Landler) im Jahre 1921 auf 35.000 im Jahre 2011 sank. Dennoch habe sich nach Jahren der Verfolgung und Entrechtung unmittelbar nach Kriegsende eine – im Vergleich zu anderen ost- und mittel- europäischen Ländern – liberale Haltung gegenüber den Min- derheiten durchgesetzt: Die nicht vertriebenen Deutschen hatten ihre – nunmehr staatlichen – deutschen Schulen beziehungs- weise Deutschabteilungen und auch ihre Zeitungen und kultu- SoNNTAGSBLATT