rellen Autonomierechte. Die Lage habe sich aber ab Ende der
1960er Jahre zunehmend schwieriger gestaltet, als Ceauşescu
aus China die Idee der Kulturrevolution mitgebracht und einen
nationalkommunistischen Kurs gefahren habe. Nichtrumänisch-
sprachige Ortsnamen wurden verboten – bis heute ein sensibles
Thema –, dem man mit viel Kreativität begegnet sei: So hieß
Hermannstadt in der in „Die Woche” umbenannten Hermann-
städter Zeitung nicht Sibiu, sondern die Stadt am Zibin. Dennoch
habe die kommunistische Diktatur paradoxerweise die Traditio-
nen konserviert, auch dank einer bewussten „Abkapselung” der
Minderheitenangehörigen, die bereits nach der Aufhebung der
Autonomierechte im 19. Jahrhundert ihre Wurzeln gehabt habe.
Eine Frage, die ja auch heute noch aktuell sei, es gehe ja um die
Frage der Autonomie der Sekler, was bei vielen Rumänen, bei
der politischen Elite sowieso, auf wenig Gegenliebe stoße. „Das
ist ein rotes Tuch in Rumänien. Ich denke, es braucht noch Zeit,
eine Generation sicher. Uns Deutsche betrifft das aufgrund un-
serer geringen Zahl und der Zersiedlung kaum”, so Ziegler. Der
Historiker und Funktionsträger geht im Gespräch auch auf die
Fragen und Herausforderungen der Zeit ein und spricht von der
Bedeutung der „Gemeinschaftspflege”, die sich unter anderem
durch die Herausgabe von 50 Titeln im Jahr, Kulturveranstaltun-
gen und Gesprächsrunden wie die Hermannstädter Gespräche,
aber auch durch die Jugendarbeit auszeichne. Unter Gemein-
schaft versteht Ziegler auch diejenigen Neuzuzügler, die sich seit
der Wende in Siebenbürgen niederließen: die Rentner mit sie-
benbürgischen Wurzeln, die „Sommersachsen” genannt werden,
weil sie meist die warme Jahreszeit in Rumänien verbringen, die
Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Siebenbürgen
ziehen, oder die „Ausscheider”, die sich unter anderem der Bio-
landwirtschaft widmen.
Winfried Ziegler stellt auch das Modell „Hermannstadt” näher vor:
Hier regiert seit 2004 eine Ratsmehrheit des Forums. Der Posten
des Bürgermeisters wird sogar seit 2000 von einem Angehörigen
der deutschen Minderheit bekleidet, zuerst von Klaus Johannis
und seit 2016 von Astrid Fodor, „dies zum Wohle der lokalen Ge-
meinschaft” durch die Verschönerung der Stadtlandschaft und
vor allem durch die Ansiedlung von Firmen in der Industriezone
West. Auch wenn es der Stadt mit nahezu Vollbeschäftigung und
aufgeräumten Plätzen (gerade im Vergleich zu den Landstrichen
rund um Demrich und Eisenmarkt mit einer verfallenen Industrie-
und Stadtlandschaft) nun gutgehe, werde es nicht ewig so wei-
terlaufen mit der Ratsmehrheit, ist sich Ziegler sicher, weil diese
viel Energie koste, die aufgrund der dünnen Personaldecke an
anderer Stelle fehlen könnte.
zeige sich auch im Bemühen um den Erhalt der nahezu 200 Kir-
chenburgen, was mangels staatlicher Unterstützung eine Stif-
tung leisten soll. Als Kommunalpolitikerin gehe es ihr aber um
die Gesamtbevölkerung und das Wohl der ganzen Stadt: „Uns ist
eine ausgewogene Entwicklung der Stadt und eine transparente
Verwaltung das Wichtigste”. Deshalb hat man nach Angaben von
Bokor sehr viel in die Infrastruktur investiert. Bei jedem Projekt
hätten die Bürger die Möglichkeit, Vorschläge einzureichen und
die Pläne der Stadtverwaltung zu bewerten bzw. die Projekte zu
priorisieren. Über die Vorhaben würden mehrere Kommissionen
entscheiden, denen unter anderen auch Angestellte von Kultur-
organisationen angehören würden. Geprüft würde die Verwen-
dung der Gelder von der staatlichen Autoritate de Management
mit Sitz in Karlsburg. Der Stadt liege sehr viel an der Förderung
von Kultur und Sport - mit einem jährlichen Etat von je 8 Millionen
Lei (560 Millionen Forint, 1,5 Millionen Euro). Um die Projekte
mit einer Eigenleistung von 2 % bei EU-Geldern finanzieren zu
können, bedarf es ja einer starken Wirtschaft: Mit einer Arbeits-
losenquote von unter 1 % in der Stadt und 2,5 % im Kreis stehe
man gut da, so die Erste Stadträtin von Hermannstadt. In der In-
dustrie gebe es 15.000 Arbeitsplätze, der Durchschnittsverdienst
von 3038 Lei (215.000 Forint, 620 Euro) netto liegt über dem
rumänischen Durchschnitt, was Hermannstadt auch für viele aus
anderen Teilen des Landes attraktiv machen würde. Eine Ent-
wicklung, die viel Arbeit erfordere: So wurden nach Angaben von
Bokor in den letzten Jahren allein 250 Erdstraßen asphaltiert und
auch die Bauplätze in der Industriezone - voll erschlossen - unter
günstigen Konditionen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus
kümmere sich ein Verein unter Beteiligung von Stadt, Deutschem
Wirtschaftsclub und Firmen um den Ausbau der dualen Ausbil-
dungsmöglichkeiten in einer Stadt mit einer vorteilhaften geogra-
fischen Lage und vielen deutschsprechenden Einwohnern. Aber
auch weitere Projekte in Richtung Zukunftsstadt seien auf dem
Wege der Verwirklichung wie der Bau von unterirdischen Park-
häusern und der Anschaffung von elektrischen und CNG-Bus-
sen, denn Verkehr sei neben der Versorgung von Kita-Plätzen
eine der großen Herausforderungen in einer wachsenden Met-
ropolregion - dies alles um die Stadt attraktiv zu machen für die
Bewohner, denn oft führe der Weg nach der Schule immer noch
ins Ausland, so Bokor.
So wie im Falle eines Jungendlichen, der am Abend am Orts-
rand von Heltau mit seinem Kumpel den Daumen nach oben
hält: Er erzählt auf dem Weg zurück nach Hermannstadt, dass er
nach dem Abitur am Brukenthal-Lyzeum und der Sprachdiplom-
prüfung in Frankfurt oder München studieren möchte. Der rumä-
nische Junge, der fließend Deutsch spricht, berichtet von einer
großen Herausforderung, vor der die deutschen Schulen stehen:
Es fehlen schlicht deutschsprachige Lehrkräfte, was auch ande-
re Gesprächspartner bestätigen. So würde deutschsprachiger
Fachunterricht zeitweise oder längerfristig auf Rumänisch erteilt.
Stadtbild von Hermannstadt
Dass aber Gemeinschaftspflege der deutschen und der lokalen
Bevölkerung Hand in Hand gehe, bestätigt Corina Bokor, Ers-
te Stadträtin von Hermannstadt. „Ein besonderes Anliegen von
uns ist die Erhaltung der deutschen Identität und des mutter-
sprachlichen Unterrichts” für die 1400 Sachsen und Landler in
der Stadt und die 4200 im Landkreis Hermannstadt (vor 1990
20.000 bzw. 80.000), so die Politikerin des DFDR, die früher als
Kulturreferentin des Forums gearbeitet hat. Dieses Engagement
SoNNTAGSBLATT
Beatrice Ungar stellt die Hermannstädter Zeitung vor
Aber bleiben wir doch noch in Hermannstadt, denn wir wurden
von einer prominenten Sächsin empfangen, deren Namen ich
bereits vor Jahren kennen lernen durfte: Beatrice Ungar. Die
(Fortsetzung auf Seite 6)
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