Sonntagsblatt 4/2019 | Page 3

betet werden soll und nicht der Mensch sich feiern darf. SB: Ist deutschsprachige Seelsorge im Kreise der Ungarn- deutschen gefragt? RSZ: Die deutsche Sprache wird bei den kirchlichen Zeremonien eher selten verlangt. Die Generation, die das benötigen würde, nähert sich dem Aussterben. Es gibt ja immer weniger Leute, die eigentlich in die Kirche gehen. In vielen Orten haben sich die Gläubigen schon abgewöhnt, deutsch zu beten und singen. Warum? Einerseits wegen dem Einfluss der ungarischen Spra- che, dann der gesunkenen Zahl der ungarndeutschen Kirchen- mitglieder und wegen dem Mangel an geeigneten Priestern, die Deutsch irgendwie sprechen. SB: Wie steht die Katholische Kirche zur Frage der mutter- sprachlichen Seelsorge? RSZ: In der Kirche war, ist und bleibt wichtig die Leute über ihre Muttersprachen zu erreichen. Es kann aber vorkommen, dass dieser Wunsch irgendwie nicht erfüllt werden kann, weil kein ge- eigneter Priester zur Verfügung steht oder die Nachfrage sehr gering ist. Man muss aber eine Lösung dort finden, wo das sprachliche Bedürfnis echt und weit verbreitet ist. In dieser Arbeit könnten die Minderheitenselbstverwaltungen einiges mithelfen. SB: Die Kirche steht in Europa vor einschneidenden Verän- derungen. Wo sehen Sie die Kirche in 30 Jahren? RSZ: Das ist eine gute Frage… ich habe keine Ahnung, denn ich bin weder ein Prophet noch ein Visionär. Ganz gewiss leben wir in religiöser Hinsicht in einer schwierigen Zeit. Viele sind gleichgültig geworden und haben sich vom reli- giösen Leben und von der Kirche abgewendet. In vielen Bistü- mern kämpfen die Bischöfe mit Priestermangel und die Zahl der Gläubigen ist auch zurückgegangen beziehungsweise stagniert. Deshalb wollen einige totale Veränderungen in der Katholi- schen Kirche und glauben, dass dies dann eine neue Blütezeit mit sich bringen würde. Es sind Sachen, die reformiert werden könnten und vielleicht auch müssten, aber das Wesentliche kann man nicht verändern, einfach weil die Kirche nicht nur ein rein menschliches Institut ist, sondern „Spielraum Gottes“, wo er da ist und durch sie wirkt. Es ist nicht unbedingt schlecht, dass wir weniger werden und einiges von unseren Instituten aufgeben müssen. All das ermög- licht eine Zeit der Reinigung und Klärung. Gott bleibt Herr über unsere Zukunft. Nicht die Kirche, das Evangelium Jesu Chris- ti, die Ehe und Familie sind in der Krise, sondern der Mensch selbst, der egoistisch, gierig und oberflächlich geworden ist und mit dieser Haltung Gott einfach aus seinem eigenen Leben ins Exil verbannt. Wir sollten uns bekehren und mehr Zeit für Gott nehmen. Je mehr wir nach der Heiligkeit streben, desto mehr blüht das Leben des Einzelnen und der Kirchengemeinden auf. _______________________ Das Gespräch führte Richard Guth. Apropos war ein Inter- view von Lajos Káposzta, erschienen in den Ungarndeut- schen Christlichen Nachrichten, einer Beilage der Neuen Zeitung (Priester sein bei den Ungarndeutschen, Ungarn- deutsche Christliche Nachrichten 675, NZ 38/2019). SoNNTAGSBLATT s Leitartikel ÉMNÖSZ-Einheitsliste vom Wähler abgesegnet - etwas mehr Vielfalt auf lokaler Ebene Parallel zur Wahl der Kommunalselbstverwaltungen wurden neue ungarndeutsche Vertreter gewählt Eine Wahlnachlese von Richard Guth Der 13. Oktober 2019 brachte manche Überraschung – nach fast 15 Jahren Fidesz-Dominanz in den Kommunen scheint die Erfolgsserie der Regierungspartei ein Ende zu nehmen. Viel ru- higer verliefen die Wahlen der Minderheitenvertreter, jedenfalls bei den Deutschen. Eine richtige Wahlmöglichkeit bestand ohne- hin nur bei der Wahl der örtlichen Nationalitätenselbstverwaltun- gen – auf der Landesebene hatte man lediglich die Möglichkeit die 47 Namen auf der Landesliste abzusegnen: Das taten et- was über 31.000 Wählerinnen und Wählern von den 37.000, die sich registrieren ließen. (Dies entspricht einer Wahlbeteiligung von 73%, 4 % mehr als vor vier Jahren, so LdU-Chefin Ibolya Englender-Hock gegenüber dem Zentrum.) Die Zahl der ungülti- gen Stimmen lag bei 6500, was knapp 20 % aller abgegebenen Stimmen entspricht – einen ähnlich hohen Anteil wiesen nur die Slowaken auf, bei allen anderen Minderheiten lag der Anteil (bis auf die Roma) bei deutlich unter zehn Prozent – ob es sich dabei um eine Form von Protest handelt, ist schwer zu sagen, aber es ist nicht unmöglich, dass manche ein Zeichen setzen woll- ten. Denn es wurde wegen mangelhafter Absprachen zwischen dem deutschen Abgeordneten Emmerich Ritter und der LdU so- wie dessen Nähe zur Regierungspartei vielfach Kritik laut. Auch die fehlende Möglichkeit, über die Kandidaten der Einheitsliste einzeln abzustimmen, könnte eine Erklärung sein. Die Einheits- liste ist unter dem Aspekt unverständlich, weil die 47 Kandidaten auf Komitatsebene durchaus aus einem größeren Kandidaten- kreis ausgewählt werden – die Entscheidung treffen nicht die Wahlbürger an der Urne, sondern ihre bei der vorangegangenen Abstimmung gewählten Verteter in den örtlichen Nationalitäten- selbstverwaltungen. Man könnte durchaus diese Entscheidung dem Wahlvolk überlassen – aber man scheint an der Stelle auf Nummer sicher gehen zu wollen. Selbst bei dem Sammeln von Empfehlungen berichtete man uns davon, dass man seine Emp- fehlung für Kandidaten abgeben sollte, die man gar nicht kannte, geschweige denn ihr Programm. Auch das Aufstellen mehrerer Landeslisten wären unter demo- kratischen Gesichtspunkten wünschenswert – aber gerade hier zeigen sich die Defizite in der ungarndeutschen Öffentlichkeit wie dem Vereinswesen und das Zentralisierungsbemühen man- cher ihrer Vertreter. Bei anderen Nationalitäten werden durchaus mehrere Landeslisten aufgestellt und die Wähler haben in der Tat die Wahl. Bei den Ungarndeutschen könnte ein solches Vorge- hen auch dazu beitragen, dass die Vollversammlung der LdU mit noch stärkerer „Legitimation ihre fünfjährige Tätigkeit angehen kann”, wie es in einem Zentrum-Artikel steht. Auch die Komitatslisten – hier konnten insgesamt sieben Vertre- ter hineingewählt werden – boten kaum Wahlmöglichkeiten: Es standen zwar in jedem Komitat (es wurden nicht überall Listen aufgestellt, vor allem im Osten) mehr als sieben Kandidaten – in der Regel 9-10 – auf der Liste, aber lediglich die Reihenfolge bei den ersten sieben variierte, die restlichen Kandidaten waren (Fortsetzung auf Seite 4) 3