Sonntagsblatt 4/2019 | Page 26

„Wir nennen uns Donauschwaben” Branauer Kapelle „Lustig Auf” im Gespräch Von Richard Guth Das soziale Netzwerk Facebook dient nicht nur als Kommunikati- onskanal, sondern beglückt einen oft mit gesponserten Inhalten. So tauchte eines Tages die Anzeige einer Kapelle auf, der ich womöglich sonst nicht begegnet wäre: Die Kapelle „Lustig Auf” aus der Branau. Stilgerecht habe ich mich mit einem der Kapel- lenmitglieder, Adam Schütz, über Messenger ausgetauscht. Das Kurzinterview wurde in deutscher Sprache geführt. sationen, die für das Ziel arbeiten, dass diese Kultur nicht ver- schwindet. SB: Zum Schluss eine etwas provokative Frage: Hat das Ungarndeutschtum eine Zukunft? LA: Natürlich hat es eine Zukunft, aber dazu ist es unerlässlich, dass es auch die jungen Generationen für wichtig halten, diese Traditionen zu pflegen, damit es weiter existieren kann! s JBG-Nachrichten Bericht über eine gut gelungene Historikertagung in Wudersch Die Ungarndeutschen 30 Jahre nach der Wende Von Dr. Kathi Gajdos-Frank PhD SB: Jede Kapellenbezeichnung hat eine Geschichte - wo- her kommt der Name Eurer Kapelle? LA: Wir wussten gar nicht, wie wir uns nennen sollen. Es kamen viele verschiedene Ideen vor, aber der richtige Name war nicht dabei, deshalb fingen wir lieber an zu musizieren. Wir haben eine Polka geübt, die sich bei uns nur „Lustig auf“-Polka nennt. Als wir die Bezeichnung der Polka ausgesprochen haben, wussten wir sofort, dass wir den richtigen Namen für unsere Kapelle ge- funden haben. SB: Woher kommt ihr und was für Musik spielt ihr? LA: Alle Mitglieder der Kapelle wohnen in der Branau, in klei- nen Dörfern. Zwei von uns sind aus Bawaz, zwei aus Nimmersch und ich aus Boschok. Wir spielen traditionelle schwäbische und Oberkrainer Musik. SB: Ihr bemüht euch, auf Facebook zweisprachig zu posten - welche Rolle spielt für euch die deutsche Sprache bzw. die Zweisprachigkeit? LA: Die deutsche Sprache bedeutet uns viel, denn wir sind alle Ungarndeutsche und wir halten es wichtig, die Kultur der Ungarn- deutschen auch in der und über die Sprache zu pflegen. SB: Als was würdet ihr euch definieren? Schwaben, Ungarn- deutsche, Ungarn/Madjaren? LA: Wir nennen uns Donauschwaben. SB: Wie seht ihr die gegenwärtige Lage der Ungarndeut- schen (auch der ungarndeutschen Jugend)? LA: Heutzutage ist die Lage der Ungarndeutschen viel besser als vorher. Es gibt viele Jugendliche in Ungarn, die ihr Deutsch- tum sehr ernst nehmen und sie halten es wichtig, diese Kultur weiterzugeben. Zum Glück gibt es verschiedene Jugendorgani- 26 Als Ungarndeutsche aus Wudersch/Budaörs ist es eine große Ehre für mich, das Andenken an meine Ahnen zu bewahren und das Heimatmuseum zu leiten. Für mich ist das höchste Prinzip das Retten der Werte – seien es Gegenstände oder interessante Forschungen. Auf Bitten von Schulen und Universitäten halten wir zahlreiche Vorträge und nehmen als Vortraggeber an interna- tionalen Konferenzen teil. Im Leben des Museums betrachte ich also die wissenschaftliche Arbeit und die damit zusammenhän- genden Einladungen für das größte Ergebnis. Deshalb freute ich mich sehr darüber, dass wir - das Jakob Bleyer Heimatmuseum Wudersch - am 12. Oktober 2019 Gastgeber waren: Die Veran- stalter, die Deutsche Kulturgemeinschaft Wudersch e.V. und die Jakob Bleyer Gemeinschaft e.V. organisierten in unserem Kon- ferenzraum eine Historikertagung zum Thema „Die Ungarndeut- schen 30 Jahre nach der Wende (1989-2019)“. Die Geschichte der Ungarndeutschen begann bereits bei der Gründung des Königreichs Ungarn durch Stephan I., als deut- sche Siedler ins Land kamen. Weitere deutsche Gruppen wurden in den darauffolgenden Jahrhunderten ins Land gerufen und sie lebten mit anderen Minderheiten und mit den Madjaren friedlich zusammen. Die Ereignisse im 20. Jahrhundert führten jedoch in eine Katastrophe: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Un- garndeutschen aus ihrer Heimat vertrieben und für die verbliebe- ne deutsche Minderheit in Ungarn begann eine Zeit der Diskrimi- nierung. Nach der Wende, Anfang der 1990er Jahre, durften die Ungarndeutschen schon über bestimmte Tabu-Themen wie die leidvolle Verschleppung, Vertreibung und Unterdrückung reden. Vor diesem Hintergrund war die Historikertagung im Jakob Bley- er Heimatmuseum besonders bemerkenswert. Sie fügt sich in eine Reihe von ähnlichen Veranstaltungen und Historikertagun- gen ein – organisiert ebenfalls von der Deutschen Kulturgemein- schaft Wudersch e.V. und der Jakob Bleyer Gemeinschaft e.V. -, welche die Bedeutung der Ungarndeutschen und deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa behandelten, wie das der Moderator der Tagung, Herr Prof. Dr. Nelu Bradean-Ebinger (Corvinus-Universität Budapest) zur Eröffnung betonte. Im ersten Vortrag wies Herr Mag. Dr. Peter Wassertheurer (Wien, Verband der Volksdeutschen Landsmannschaft, VLÖ) auf die historischen Rahmenbedingungen hin, die das Schicksal der Na- tionalitäten beeinflusst haben. Herr Dr. Wassertheurer arbeitet im Bereich der deutschen Volksgruppen in Ost-, Ostmittel- und Süd- osteuropa und begann in seinem Vortrag „Deutsche Volksgrup- pen in Ostmitteleuropa nach der Wenderevolution – Brüche und Konstanten“ mit den Folgen des österreich-ungarischen Aus- SoNNTAGSBLATT