Sonntagsblatt 4/2019 | Page 27

gleiches aus dem Jahre 1867, nach dem die Nationalitätenpolitik nicht mehr von Wien aus geleitet wurde. Wassertheurer erwähn- te die französischen und die Herderschen Nationalitätenmodelle und mit Hilfe von historischen Beispielen deren Gemeinsamkei- ten und Unterschiede. Eine Zäsur bildeten die Zeit 1918/1920 und der Vertrag von Trianon, nachdem nicht nur neue Grenzen und neue Nationalstaaten entstanden waren, sondern auch der Assimilationsdruck stieg. Zu den deutschen Volksgruppen in Ost- mitteleuropa gehörten nicht nur neue Ideologien, sondern auch neue Ausdrücke wie zum Beispiel deutsche, deutschsprachige oder altösterreichische Volksgruppen. Das Jahr 1945 führte zu weiteren Brüchen in Ostmitteleuropa und die Entwicklung der deutschen Minderheiten verlief auch nach 1989 unterschiedlich. Wassertheurer erwähnte hier zum Beispiel Rumänien und den Exodus der Siebenbürger Sachsen beziehungsweise die sog. „Familienzusammenführung“ mit Hilfe des Kopfgeldes während des kommunistischen Regimes. Er erzählte im Weiteren über die kleinen „Reste“ der deutschen Minderheit in Kroatien, Slowenien und Serbien und betonte dabei, sie seien leider keine politischen Faktoren mehr. Wir wissen auch, die Möglichkeiten sind – nach der Wende – da, aber mehrere Jahrzehnte nach der Vertreibung nicht mehr so einfach. Im zweiten Vortrag „Der lange Weg der Integration – Die Situa- tion der deutschen Minderheit in Ungarn nach der Wende und die Herausbildung der deutschen Selbstverwaltungen“ versuchte ich zuerst die Nationalitätenpolitik Ungarns bis 1989 zu beschrei- ben: Damals war das Prinzip des Automatismus vorherrschend, es machte also die Herausbildung einer autonomen, auf lokaler Ebene funktionierenden Selbstorganisation unmöglich. Die DDR spielte jedoch in diesen Jahrzehnten eine wichtige Rolle. In den Jahren der Wende hörte man schon über Tabu-Themen wie die Vertreibung und über die Frage der Verantwortung. Ungarn und die BRD unterschrieben am 7. Oktober 1987 einen Vertrag über die Förderung der Ungarndeutschen und ihrer Kultur. Partner- schaften und Kulturbeziehungen entstanden, gegenseitige Besu- che konnten stattfinden. Im Zusammenhang mit dem politischen Systemwechsel konnten sich viele positive Veränderungen im Alltagsleben der Ungarndeutschen abzeichnen. Der zwischen der Ungarischen Republik und der Bundesrepublik Deutsch- land am 6. Februar 1992 unterschriebene Grundvertrag über die freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft verstärkte diese Veränderungen. Die Ungarndeutschen können seit 1993 – auf lokaler Ebene — bei den Fragen, die ihre Existenz als Na- tionalität betreffen, mitentscheiden und 1995 wurde die Landes- selbstverwaltung der Ungarndeutschen gegründet. Im zweiten Teil des Vortrages berichtete ich über die Tätigkeit der LdU und über erfolgreiche ungarndeutsche Organisationen, Institute sowie positive Veränderungen. Dazu gehören u.a. die zwei Gesetze – das Minderheitengesetz (Mhg. Nr. CLXXIX.) und das Bildungsgesetz (Bg. Nr. CXC) –, die das Parlament im Jahre 2011 verabschiedet hat, der Gedenktag (2012), der ungarndeut- sche Lehrpfad (seit 2016), das Stipendium für ungarndeutsche PädagogInnen (seit Januar 2019) und die Einweihung der Ulmer Schachtel in Paaja/Baja (Oktober 2019), die „die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der Ungarndeutschen miteinan- der verbinden soll”, wie es sechs Tage später, am 18. Oktober bei der feierlichen Übergabe der Ulmer Schachtel Frau Theresia Szauter, Hauptdirektorin des Bildungszentrums Paaja, formulier- te. Es war erfreulich, dass sich die Gäste der Tagung - Vertreter der deutschen Minderheit - über ihre Erfahrungen und ihren Lebens- alltag seit der Wende austauschen konnten. Wir bedanken uns im Namen des Jakob Bleyer Heimatmuseums besonders bei den Organisatoren und Rednern sowie Gästen der Tagung, die aus Wien oder aus anderen Städten angereist waren. Die Autorin ist Direktorin des Jakob Bleyer Heimatmuseums in Wudersch / Budaörs SoNNTAGSBLATT Edmund-Steinacker-Gedenkfeier Von Patrik Schwarcz-Kiefer Am 25. Oktober fand im Károlyi-Schloss (Petőfi-Literaturmuse- um) in Budapest eine Edmund-Steinacker-Gedenkveranstaltung statt. Ildikó Jencsik erhält den Geza-Hambuch-Preis Die Veranstaltung eröffnete Dr. Ing. Georg Kramm, Vorsitzender der Jakob Bleyer Gemeinschaft. In seiner Rede hob er den inte- ressanten Lebensweg Steinackers hervor. Steinacker war näm- lich ein Dissimilierter, der nur später in seinem Leben seine deut- sche Identität erkannte und erlebte. Laut Kramm ist Steinackers Beispiel wichtig für uns, da ohne eine Art von Dissimilation das Ungarndeutschtum wirklich verschwinden würde. Nach Kramms Eröffnungsrede ergriff der Historiker Stefan Pleyer das Wort. Pleyer fasste Steinackers vielfältiges Leben in gut 30 Minuten zusammen. Interessant war, wie Steinacker daran arbei- tete, dass sich im Karpatenbecken eine gemeinsame deutsche Identität entwickelt. Leider, wie im Falle unseres Namensgebers, Jakob Bleyer, scheiterte auch Steinacker in seinen Plänen. Nach einer kurzen Pause kam der Höhepunkt der Veranstaltung, die Übergabe des Geza-Hambuch-Preises. Dieses Jahr erhielt den Preis Ildiko Jencsik, eine 22-jährige Graphikerin aus Schaumar. Die junge Frau tanzt in der Lochberg-Tanzgruppe, spielt eine füh- rende Rolle im Facebook-Projekt SVUNG und plant ein Brettspiel zur ungarndeutschen Thematik auf den Markt zu bringen. Ihr, wie sie in seiner Dankesrede betonte, sei das Allerwichtigste, dass die kommenden Generationen über eine stärkere ungarndeut- sche Identität verfügen und das könne man bei den Jüngeren durch eine Herangehensweise, in deren Mittelpunkt das Spieleri- sche steht, einfacher erreichen. Die Veranstaltung wurde mit dem Kulturprogramm der Saarer Drei abgeschlossen. An dieser Stelle möchten wir uns auch bei der BGA Zrt. für die freundliche Unterstützung bedanken. Jahreshauptversammlung der Jakob Bleyer Gemeinschaft Wir erwarten die Mitglieder der JBG auf der Jahreshauptversamlung unseres Vereins. Ort: Heimatmuseum Wudersch 2040 Budaörs, Budapesti út 47. Termin: 1. Februar 2020, 10 Uhr Wir freuen uns bereits auf Ihre Teilnahme! 27