gleiches aus dem Jahre 1867, nach dem die Nationalitätenpolitik
nicht mehr von Wien aus geleitet wurde. Wassertheurer erwähn-
te die französischen und die Herderschen Nationalitätenmodelle
und mit Hilfe von historischen Beispielen deren Gemeinsamkei-
ten und Unterschiede. Eine Zäsur bildeten die Zeit 1918/1920
und der Vertrag von Trianon, nachdem nicht nur neue Grenzen
und neue Nationalstaaten entstanden waren, sondern auch der
Assimilationsdruck stieg. Zu den deutschen Volksgruppen in Ost-
mitteleuropa gehörten nicht nur neue Ideologien, sondern auch
neue Ausdrücke wie zum Beispiel deutsche, deutschsprachige
oder altösterreichische Volksgruppen. Das Jahr 1945 führte zu
weiteren Brüchen in Ostmitteleuropa und die Entwicklung der
deutschen Minderheiten verlief auch nach 1989 unterschiedlich.
Wassertheurer erwähnte hier zum Beispiel Rumänien und den
Exodus der Siebenbürger Sachsen beziehungsweise die sog.
„Familienzusammenführung“ mit Hilfe des Kopfgeldes während
des kommunistischen Regimes. Er erzählte im Weiteren über die
kleinen „Reste“ der deutschen Minderheit in Kroatien, Slowenien
und Serbien und betonte dabei, sie seien leider keine politischen
Faktoren mehr. Wir wissen auch, die Möglichkeiten sind – nach
der Wende – da, aber mehrere Jahrzehnte nach der Vertreibung
nicht mehr so einfach.
Im zweiten Vortrag „Der lange Weg der Integration – Die Situa-
tion der deutschen Minderheit in Ungarn nach der Wende und
die Herausbildung der deutschen Selbstverwaltungen“ versuchte
ich zuerst die Nationalitätenpolitik Ungarns bis 1989 zu beschrei-
ben: Damals war das Prinzip des Automatismus vorherrschend,
es machte also die Herausbildung einer autonomen, auf lokaler
Ebene funktionierenden Selbstorganisation unmöglich. Die DDR
spielte jedoch in diesen Jahrzehnten eine wichtige Rolle. In den
Jahren der Wende hörte man schon über Tabu-Themen wie die
Vertreibung und über die Frage der Verantwortung. Ungarn und
die BRD unterschrieben am 7. Oktober 1987 einen Vertrag über
die Förderung der Ungarndeutschen und ihrer Kultur. Partner-
schaften und Kulturbeziehungen entstanden, gegenseitige Besu-
che konnten stattfinden. Im Zusammenhang mit dem politischen
Systemwechsel konnten sich viele positive Veränderungen im
Alltagsleben der Ungarndeutschen abzeichnen. Der zwischen
der Ungarischen Republik und der Bundesrepublik Deutsch-
land am 6. Februar 1992 unterschriebene Grundvertrag über die
freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft verstärkte
diese Veränderungen. Die Ungarndeutschen können seit 1993
– auf lokaler Ebene — bei den Fragen, die ihre Existenz als Na-
tionalität betreffen, mitentscheiden und 1995 wurde die Landes-
selbstverwaltung der Ungarndeutschen gegründet.
Im zweiten Teil des Vortrages berichtete ich über die Tätigkeit
der LdU und über erfolgreiche ungarndeutsche Organisationen,
Institute sowie positive Veränderungen. Dazu gehören u.a. die
zwei Gesetze – das Minderheitengesetz (Mhg. Nr. CLXXIX.) und
das Bildungsgesetz (Bg. Nr. CXC) –, die das Parlament im Jahre
2011 verabschiedet hat, der Gedenktag (2012), der ungarndeut-
sche Lehrpfad (seit 2016), das Stipendium für ungarndeutsche
PädagogInnen (seit Januar 2019) und die Einweihung der Ulmer
Schachtel in Paaja/Baja (Oktober 2019), die „die Vergangenheit,
die Gegenwart und die Zukunft der Ungarndeutschen miteinan-
der verbinden soll”, wie es sechs Tage später, am 18. Oktober
bei der feierlichen Übergabe der Ulmer Schachtel Frau Theresia
Szauter, Hauptdirektorin des Bildungszentrums Paaja, formulier-
te.
Es war erfreulich, dass sich die Gäste der Tagung - Vertreter der
deutschen Minderheit - über ihre Erfahrungen und ihren Lebens-
alltag seit der Wende austauschen konnten. Wir bedanken uns
im Namen des Jakob Bleyer Heimatmuseums besonders bei den
Organisatoren und Rednern sowie Gästen der Tagung, die aus
Wien oder aus anderen Städten angereist waren.
Die Autorin ist Direktorin des Jakob Bleyer Heimatmuseums
in Wudersch / Budaörs
SoNNTAGSBLATT
Edmund-Steinacker-Gedenkfeier
Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Am 25. Oktober fand im Károlyi-Schloss (Petőfi-Literaturmuse-
um) in Budapest eine Edmund-Steinacker-Gedenkveranstaltung
statt.
Ildikó Jencsik erhält den Geza-Hambuch-Preis
Die Veranstaltung eröffnete Dr. Ing. Georg Kramm, Vorsitzender
der Jakob Bleyer Gemeinschaft. In seiner Rede hob er den inte-
ressanten Lebensweg Steinackers hervor. Steinacker war näm-
lich ein Dissimilierter, der nur später in seinem Leben seine deut-
sche Identität erkannte und erlebte. Laut Kramm ist Steinackers
Beispiel wichtig für uns, da ohne eine Art von Dissimilation das
Ungarndeutschtum wirklich verschwinden würde.
Nach Kramms Eröffnungsrede ergriff der Historiker Stefan Pleyer
das Wort. Pleyer fasste Steinackers vielfältiges Leben in gut 30
Minuten zusammen. Interessant war, wie Steinacker daran arbei-
tete, dass sich im Karpatenbecken eine gemeinsame deutsche
Identität entwickelt. Leider, wie im Falle unseres Namensgebers,
Jakob Bleyer, scheiterte auch Steinacker in seinen Plänen. Nach
einer kurzen Pause kam der Höhepunkt der Veranstaltung, die
Übergabe des Geza-Hambuch-Preises. Dieses Jahr erhielt den
Preis Ildiko Jencsik, eine 22-jährige Graphikerin aus Schaumar.
Die junge Frau tanzt in der Lochberg-Tanzgruppe, spielt eine füh-
rende Rolle im Facebook-Projekt SVUNG und plant ein Brettspiel
zur ungarndeutschen Thematik auf den Markt zu bringen. Ihr, wie
sie in seiner Dankesrede betonte, sei das Allerwichtigste, dass
die kommenden Generationen über eine stärkere ungarndeut-
sche Identität verfügen und das könne man bei den Jüngeren
durch eine Herangehensweise, in deren Mittelpunkt das Spieleri-
sche steht, einfacher erreichen.
Die Veranstaltung wurde mit dem Kulturprogramm der Saarer
Drei abgeschlossen. An dieser Stelle möchten wir uns auch bei
der BGA Zrt. für die freundliche Unterstützung bedanken.
Jahreshauptversammlung der
Jakob Bleyer Gemeinschaft
Wir erwarten die Mitglieder der JBG
auf der Jahreshauptversamlung
unseres Vereins.
Ort: Heimatmuseum Wudersch
2040 Budaörs, Budapesti út 47.
Termin:
1. Februar 2020, 10 Uhr
Wir freuen uns bereits auf Ihre Teilnahme!
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