Sonntagsblatt 4/2018 | Page 28

Leserbriefe s Leserbrief von Franz Wesner (Unna) Madjarisch fühlend als Deutsche vertrieben Von Richard Guth SB 03/2018 Dass auch Rumänien seine deutsche Minderheit nach dem Mot- to „Schonen wir das eigene Blut” den Sowjets zum Fraß hinge- worfen hat, ist unstrittig. Dafür hat aber Rumänien sich entschuldigt (Iliescu). Demgegen- über gedenkt Ungarn uns auch weiterhin mit dem primitiven Lü- genmärchen „malenkij robot” (suggeriert russische Schuld) ab- zuspeisen. Bei der Verschleppung hat sich Rumänien also genauso verhal- ten wie Ungarn, ist aber – im Gegensatz zu Ungarn – in Potsdam nicht vorstellig geworden. Der deklarierte Weltbürger-Bundes- außenminister für die Auslandsdeut- schen Von Freiherrn Egmont Die jüngsten Ereignisse in Rumänien stießen nicht nur einen Stein, sondern einen ganzen Berg ins Wasser: Die Lage der ru- mänischen Demokratie in der internationalen Öffentlichkeit wird fast so heiß diskutiert wie der Sargentini-Bericht, mit der Beson- derheit, dass auch die weit und breit gut bekannte Deutschfeind- lichkeit seitens der rumänischen Rotkappisten hervorgebracht wurde. Nun trat ein edler Schutzherr von der Bundesregierung hervor, um vor die Sachsen und Schwaben ein Schutzschild des Mutterlandes zu stellen. Der Moment, wenn der internationalis- tische Spitzenpolitiker dazu gezwungen wird, die „geduldeten Auslandsdeutschen” in Schutz zu nehmen. Dem Fall ’Iohannis’ widmete sich die Redaktion des Sonntags- blattes mehrfach in den vergangenen Wochen. Die Versuchung machte sich an uns, Ungarndeutsche, heran, dass wir nach der deutschfeindlichen Hexenjagd gegen den Hermannstädter Se- ligman (nach dem Charakter Woody Allens, der, wie ein transyl- vanischer Chamäleon, immer seine Identität in der Hoffnung der Anerkanntheit bei den anderen wechselt) eine gewisse Schaden- freude zu verspüren: Der verehrte und populäre Hermannstädter Lokalpolitiker, ein Minderheitenangehöriger vom Sachsenvolke, hatte mit seiner Herkunft die historische Chance, die Rolle des Brückenbauers zwischen den Rumänen und anderen Nationali- täten einzunehmen, aber letztendlich wurde er für uns, Madjaren und Deutsche aus dem Karpatenraum, eine riesengroße Enttäu- schung. Die antideutschen Angriffe nehmen nicht nur ihn, sondern auch die ganze sächsische und schwäbische Gemeinschaft ins Vi- sier. Noch ferner: Vor einigen Wochen vermeldete die kroati- sche Presse ähnliche Tendenzen. Der deutschstämmige Goran Beus Richemberg, Historiker, Mitglied des Sabors, erhielt von kroatischen Facebook-Kommentatoren das virtuelle tschechi- sche ’N-Armband’, nur wegen seiner deutschen Abstammung. Das unterschwellig Deutschfeindliche ist auch hier in Ungarn nicht unbekannt, vor allem, wenn man meint, davon politisches Kapital schlagen zu können. So berichtete das regierungsnahe 28 Portal 888.hu von der Jobbik-Kandidatur von Koloman Brenner mit einem Hinweis auf die Germanisierung seines Vornamen während seiner Gymnasialzeit und die vermeintlich ungeklär- te Identität von Brenner. Aber auch die fabrizierte Figur des „dummen Schwaben” taucht in solchen Medien mal offen, mal im Verborgenen auf, getragen von Kulturkämpfern, die in der Dezső-Szabó-Schule sozialisiert wurden. Regierungs(parteien) nähe bedeutet aber gleichzeitig ein breites Spektrum an konkre- ten politischen Vorstellungen und Geisteshaltungen - deswegen war die Feststellung Róbert Puzsérs ein Volltreffer, wonach das System der Nationalen Zusammenarbeit von Slomó Köves bis Zsolt Bayer reiche. Aber dass unterschwellige Deutschfeindlich- keit keine Parteigrenzen kennt, zeigt das Beispiel des ehema- ligen sozialistischen Politikers und regierungskritischen Journa- listen Sándor Csintalan, der auch mal von „verrückten” (lökött) Schwaben spricht. Wir dürfen also, im Sinne des Obengenann- ten, mit der Vermutung leben, dass die deutschfeindliche Rheto- rik wieder salonfähig ist, welches Phänomen wir, volksdeutsche Jugendliche zuvor nie so eindeutig erlebten. Wo bleibt denn der angeblich offizielle Hüter der Auslandsdeut- schen? Die Hitler-Schnurrbart Johannis‘ und die „Der Deutsche ist schuld”-Plakaten resonierten in den Kreisen der Bundesre- gierung ebenfalls. Zum Glück ist der siebenbürger-sächsische Bernd Fabritius in der Position des Beauftragten für Minderhei- ten und Aussiedlerfragen, die er nach der Abdankung Hartmut Koschyks beerbte. Naturgemäß, auch wegen persönlicher Be- troffenheit, schaltete sich der gebürtige Agnethelner nach der deutschfeindlichen Verleumdungskampagne mit voller Kraft ein und formulierte fast sofort eine Erklärung, wobei er den Rumä- niendeutschen seine volle Unterstützung und Schutz zusicherte. Für Dr. Dr. Bernd Fabritius ist eine solche Stellungnahme selbst- erklärend: Als Deutscher und jetzt als bundesdeutscher Amts- träger mit geeigneten Befugnissen nimmt er seine Aufgabe ernst (wie Koschyk vor ihm). Weil er als Auslandsdeutscher in Rumänien, also im Ausland, aufwuchs, hat er offensichtlich ein anderes Deutsch- und Selbstbild als andere Berliner Spitzen- politiker. Aber neulich zog die bundesdeutsche oberste Führung die Konsequenz, wahrscheinlich dank der Lobbyarbeit Fabritius’: Der neue deutsche Außenminister, Heiko Maas, machte einen Besuch beim Demokratischen Forum der Deutschen in Rumä- nien und äußerte, dass Angriffe gegen die deutsche Minderheit inakzeptabel seien. „Rumänien braucht Deutschland und die deutsche Minderheit als Partner.” Leicht können wir uns vorstellen, was für ein großer Druck auf Maas lastete, als er diese Zeilen zu Papier brachte: Heiko Maas stammt aus einem anderen Millieu, er ist der Archetyp des tech- nokratischen bundesdeutschen Politikers, der zuvor keine Ver- bindung zum Thema „Auslandsdeutschtum” hatte. Die von ihm vertretene politische Elite bibbert sofort, wenn sie das Wort „Aus- landsdeutschtum” hört: Dazu kommt sein politisches Lager, die SPD, wo solche Gedanken überhaupt nicht so angesagt zu sein scheinen. Er ist ein spätes Kind von ’68, genau wie der flämische Guy Verhofstadt: Sie schimpfen über „den Nationalismus” (sie meinen damit Patriotismus, Vaterlandsliebe) im Sängerchor vor der Weltpresse. Bei Maas ist die Situation noch komplexer, da er zwei paralelle Botschaften an zwei verschiedene Zielgruppen richten muss: Einerseits muss der Außenminister mit den „Eu- rope United” und den antinationalistisch gesinnten Interessens- gruppen (besonders nach Chemnitz) konvenieren, und gleich- zeitig redet er über deutsche Volksgruppen, Auslandsdeutsche in Rumänien. Nicht nur Heiko Mass, sondern mit ihm die ganze bundesdeutsche Elite steht vor der Entscheidung: Wollen sie als „Mutter Germania” (nach Stephan L. Roth) im Interesse der deut- schen Minderheiten auch in dieser heiklen Situation auftreten und endlich eine solche beispielhafte Politik zugunsten der Aus- landsdeutschen betreiben (auch wenn es diplomatisch riskant sein kann) wie die österreichische Regierung oder bleiben diese Äußerungen nur leere Worte?! SoNNTAGSBLATT