Angekommen
Ungarndeutscher Parlamentarier bei nationalkonservativer
Jobbik-Partei
von Johann Till
Der ungarndeutsche Universitätsdozent (Germanist) in Buda-
pest, Koloman Brenner, scheint im Zuge der jüngsten Parla-
mentswahlen im Frühjahr 2018 endlich seine politische Heimat
gefunden zu haben, wie er mit spürbarer Freude in einem Inter-
view des Internetforums „Mein Mitteleuropa“ kundtut. In der Par-
tei der nationalkonservativen Partei Jobbik fühle er sich politisch
angekommen, bekennt Brenner, der seit langem bzw. lange Zeit
in der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen und in di-
versen europäischen Sprach- und Minderheitenorganisationen
Führungspositionen inne hat bzw. hatte. Die Überraschung bei
den Ungarndeutschen, insbesondere in seiner engeren Hei-
matregion Westungarns, an der Grenze zum österreichischen
Burgenland, und in der Stadt Sopron/Ödenburg war groß, als
bekannt wurde, dass Koloman Brenner bei den jüngsten Par-
lamentswahlen auf der Liste der am rechten Parteienspektrum
stehenden Jobbik kandidiert. Man hat sie noch als eine Partei
in Erinnerung, die in der Vergangenheit besonders durch ihr
martialisches Gehabe, ihre großmannsüchtig „Ungarische Gar-
de“ benannte und paramilitärisch uniformierte Aufmarschtruppe
und durch ihr chauvinistisches Vokabular auf sich aufmerksam
machte. Das ehemals antisemitische, fremdenfeindliche und im-
mer noch nationalistische Vokabular dieser Partei wirkte auch
bei manchen Ungarndeutschen befremdend. Die von der Job-
bik-Partei wie ein historisches Mantra bei ihren Veranstaltungen
vorangetragene Großungarn-Karte mit ihren 64 Komitaten, de-
ren Rückeroberung in diesen Kreisen implizit stets gemeint war,
erinnerte an die Zeit von vorvorgestern. Obwohl der krude natio-
nalistische Jargon der Jobbik-Mannen inzwischen salonfähiger
wurde, darf bezweifelt werden, ob auch die dahinter stehende
Gesinnung diesen Wandel vollzogen hat. In diese Gemeinschaft
wurde der eloquente Germanistikdozent aufgenommen und er
wird es dort als geistiger Überflieger wohl weit nach oben schaf-
fen. So versäumt Brenner auch nicht im Interview darauf hinzu-
weisen, dass er es als Intellektueller für seine Pflicht erachtet,
der „Diktatur“ des Einparteiensystems von Orbáns Fidesz-Partei
entgegenzutreten. Klare Worte! Wir werden aufmerksam ver-
folgen, wie weit Koloman Brenner seinen Worten Taten folgen
lassen wird (bzw. kann).
Seine zur Sprachsituation der Ungarndeutschen verlautbarte
Antwort im Interview lässt Zweifel aufkommen. Zur Erklärung
des Sprachverlusts der Deutschen in Ungarn behauptet er - wohl
im Sinne von Jobbik oder jedenfalls der Partei von vor einigen
Jahren - sybillinisch beschönigend: „Die Sprachverwendung
der Ungarndeutschen hat sich im historisch-sozialen Umfeld in
Ungarn fortlaufend beständig herausgebildet“. Alles gesagt. Das
war´s! Angesichts der sprachlichen Brisanz bei uns Ungarndeut-
schen ist die Antwort des prominenten ungarndeutschen Univer-
sitätsdozenten mehr als enttäuschend. Sie ist beschämend. Hier
spricht bereits der frisch gewählte Jobbik-Politiker Brenner routi-
niert und ungeniert leeres „Politikersprech“. Er spricht, sagt aber
nichts. Genauer, er unterschlägt geschickt die unschöne Wahr-
heit. Er betreibt damit Geschichtsklitterung, ja er betreibt Volks-
verdummung. Das ist eine typische „nesze semmi, fogd meg jól“-
Antwort. Ein Ausweichen, ein Ablenken, ein Relativieren durch
Brenner von den uns Ungarndeutsche vital treffenden dunklen
Machenschaften der ungarischen Nationalitätenpolitik. Warum?
Ist es Feigheit? Nicht beim Selbstbewusstsein und der Eloquenz
von Koloman Brenner! Opportunismus? Mag sein. An Ehrgeiz
fehlt es nicht und es gibt ja noch höhere Ämter als Abgeordne-
te in der Politik. Mit dieser, über das weltumspannende Medium
Internet verbreiteten nichtssagenden (über den Autor jedoch viel
verratenden) Antwort tun sich fundamentale Fragen auf.
SoNNTAGSBLATT
Unser Sprachverlust habe sich also so – ganz ohne äußeren
Einfluss - herausgebildet! Will sagen, hat sich eben so entwi-
ckelt, ganz natürlich oder auch zufällig, in ihrem sozialen Umfeld
(wo sonst?). Wie es auch in der Natur ein biologisch natürliches
Werden und Vergehen, ein Wachsen und Welken, ohne Gewalt
gibt, so ist es auch uns Ungarndeutschen ergangen. Oder hat
der sonst sprachlich so akkurate Germanist Brenner die Frage
nach dem Sprachverlust der Ungarndeutschen nur lästig befun-
den und entsprechend dem Geist seiner neuen politischen Hei-
mat pflichtschuldig geantwortet? Den Niedergang des Deutsch-
tums in Ungarn will Brenner uns als Naturereignis weismachen.
Ich empfand die Antwort von einer so namhaften Persönlichkeit
unserer ungarndeutschen Gemeinschaft deplatziert. Und mehr
noch.
So verleugnerisch beschreibt ein Jobbik-Abgeordneter die fast
vollkommene Einschmelzung unserer (seiner!) Volksgruppe, in
der bereits in vierter Generation kein Kind mehr in der Sprache
seiner Vorfahren heranwächst, weil die politische Führung der
Mehrheitsnation des Landes dies so wollte und durch fortdauern-
de ethnische Restriktionen auch erreichte. Das aber kann und
wird ein Abgeordneter einer durch und durch magyarisch-na-
tional geprägten Partei, wie es Jobbik wohl ist, niemals sagen.
Auch wenn er weiß, dass dies die schlichte (und bittere) Wahr-
heit in dieser Causa ist. Und Koloman Brenner weiß das sehr
genau. Als Abgeordneter von Jobbik kann und will er es aber
nicht öffentlich sagen.
Wie frei ist der Abgeordnete Koloman Brenner dann noch, seit
er im Frühjahr des Jahres Listenkandidat dieser nationalkonser-
vativen Partei und ihr Abgeordneter wurde? Ist die Verdrängung
der klaren Sprache - und damit letztlich der Wahrheit – vom Job-
bik-Abgeordneten Brenner der Preis, den er in diesem Interview
bereits beginnt, für seine politische Karriere in seiner neuen Par-
teiheimat zu bezahlen? Und glaubt er wirklich, dass er mit dieser
Partei Orbáns autoritäre Alleinherrschaft rechts überholen und
brechen kann, wie er betonte? Ich fürchte, er wird daran schei-
tern und Schaden nehmen. Kaum ist er bei Jobbik angekommen,
hat seine Glaubwürdigkeit bereits erste Kratzer.
Der Leserbrief von Dr. Johann Till ist kurz nach dem Erschei-
nen unserer Septemberausgabe bei uns eingetroffen. In der Zwi-
schenzeit hat Dr. Koloman Brenner auf die Kritik von Herrn Till
reagiert, was wir hiermit auch veröffentlichen:
Ein Satz und viel Verleumdung
Von Dr. Koloman Brenner, Parlamentsabgeordneter
Obwohl meine Entscheidung, als Kandidat der rechtskonserva-
tiven Jobbik-Partei anzutreten und in der Fraktion derselben als
gewählter Abgeordneter zu wirken zweifelsohne hinterfragt und
diskutiert werden kann (gern auch mit mir persönlich), finde ich
die Auslassungen von Herrn Till, die im Wesentlichen auf einen
einzigen, aus dem Kontext gerissenen Satz in einem Interview
von mir beruhen, mehr als bedenklich. Als Wissenschaftler und
Politiker möchte ich gern in einer anderen Weise meine Sicht-
weise darstellen: Erstens sollte also die Quelle gedeutet werden.
In einem sehr langen, in ungarischer Sprache mit dem Webportal
„azonnali.hu“ geführten Interview hatte ich den zitierten Satz ge-
sagt, der dann ins Deutsche (und nicht von mir) übersetzt wur-
de - dieses Interview über meine Motivationen und Pläne in der
Politik ist dann auf www.unser-mitteleuropa.com (und nicht wie
(Fortsetzung auf Seite 30)
29