Sonntagsblatt 4/2018 | Page 14

che zuwenden: Deutsch, Rumänisch, Serbo-Kroatisch usw… ge- wiss keine leichte Entscheidung, doch Literaten leben nun mal von ihren geschriebenen Werken. Als Anfangsbeispiel wurde der Name des Temeswarers Robert Reiter alias Franz Liebhard – auch der Rote Reiter genannt – ins Spiel gebracht, der zur Zeit des Ersten Weltkriegs in Budapest gelebt und ungarisch geschrieben hat, anschließend nach Wien übersiedelt und nach 1925 in seine Heimatstadt Temeswar zu- rückgekehrt und fortan deutsch geschrieben hat. Anschließend sprach der Referent über Otto Alscher, Hilde Marti- ni-Striegel (*2. Mai 1884 Budapest - † 20. 11. 1974 Arad, die Bu- dapesterin, die nach Arad geheiratet hatte), Annie Schmidt-En- dres (* 29. Dez. 1903 Csatád, dt. Lenauheim - † 17. Mai 1977 Kelheim, Niederbayern), Josef Gabriel d. Ä. (*1853 Merzydorf - † 1927), Josef Gabriel d. J. (*1907 Merzydorf - † 1947), Jakob Hirsch (*1915 Kleinschemlak - † 1944), die Franzdorfer Hausfrau Stephanie Gabriel (*1892 Franzdorf - † 1953), Peter Barth (*2. Juni 1898 in Máslak, dt. Blumenthal - † 1. März 1984 in Temes- war), Peter Jung (*3. April 1887 Hatzfeld/Jimbolia - † 24. Juni 1966), Franz Xaver Kappus (* 1883 Temeswar - † 1966 Berlin), Schwalm, Georg, besser bekannt unter dem Pseudonym Jörg von der Schwalm (*1848 Bulkess / Maglić - † 1921 Pantschowa), Johann Szimits (*1852 Bogarosch - † 1910 Mödling), Aegidius Haupt. mitunter auch Egidius (*1861 Bogarosch - † 1930 Jahr- markt), Karl Braun (*1886 Temeswar - † 1949 Sanktandres), Jo- hann Gehl (*1877 Alexanderhausen - † 1935 Tschakowa), Jakob Gerhard (*1865 Heufeld - † 1941 Neubeschenowa), Nikolaus Schmidt (*1874 Sigmundhausen bei Arad - † 1930 Budapest) u.a. lungen in der Weltpolitik, dem Los der zerfallenen Monarchie eine gewisse Abstinenz vorzuzeigen. Sie hätten sich anstatt des- sen in ihren Bewegungen, in ihren öffentlich-politischen Bestre- bungen ihrer eigenen Zukunft zugewandt. Um die Jahreswende 1918/1919, als das wahrscheinliche Zer- stückelungsprojekt des Ungarischen Königreiches in vollem Gange war, äußerte sich der Großteil der sonst heterogenen Volksgruppe für die Zusammenhaltung Großungarns. Tefners Vortrag konzentrierte sich in Form von Stichproben hauptsächlich darauf, wie die einzelnen lokalen oder regionalen Zentren des Deutschtums auf die zu erwartenden Veränderun- gen reagierten und welche Pläne sie bezüglich ihrer Zukunft hat- ten. Auf diese Frage eingehend, wurde mit besonderem Nach- druck auf die Sachsen in Siebenbürgen hingewiesen. Anschließend an jeden Vortrag wurden rege Gespräche geführt, was der Veranstaltung eine interessante Lebhaftigkeit verlieh. Ungarndeutscher Kaffee? Ja, bitte! Von Patrik Schwarcz-Kiefer Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass in den nun zu Rumänien gehörenden Landesteilen Banat, Bukowina, Sieben- bürgen und natürlich Bukarest eine deutschsprachige Literatur gepflegt wurde, die nach dem Zweiten Weltkrieg in deutsch- sprachigen Literaturzeitschriften und Zeitungen der breiten Öf- fentlichkeit bekannt werden konnte. So hätte sich die Rumänien- deutsche Literatur entwickelt, die international als 5. DEUTSCHE LITERATUR − neben denen in der BRD, DDR, Österreich und der Schweiz − in der Fachwelt bekannt wurde und die sich durch namhafte Autoren im internationalen Literaturbetrieb (Nobel- preisträgerin Herta Müller z. B.) behaupten konnte. PD Dr. habil. Zoltán Tefner (Budapest) beleuchtete in seinem Vortrag das Thema „Zwischen Konflikt und Zufriedenheit – Die Donauschwaben und der Zerfall der Donaumonarchie“. Eingangs unterstrich der Referent, dass ein beträchtlicher Teil der Deutschen im Karpatenbecken jene günstigen Lebensmög- lichkeiten angenommen hat, die die ehemalige Habsburg-, spä- ter die Donaumonarchie, darin das Ungarische Königreich, ge- boten hatten. Hervorgehoben wurde, dass im Kreise der Ungarndeutschen im Verlauf mehrerer Jahrhunderte die „Hungarus-Identität”, der An- spruch auf eine friedliche Koexistenz mit der ungarischen Be- völkerung entwickelt hatte. Gleichzeitig habe sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert – unter pangermanischem Einfluss – die Überzeugung durchgesetzt, wonach die ungarische Regie- rung eine Magyarisierungspolitik verfolge und diese Regierungs- politik ihr ethnisches Dasein, ihren kollektiven Nationalcharakter gefährde. Diesbezügliche berechtigte Einwendungen wurden in der Re- gel zurückgewiesen, wodurch die Konflikte mit der Zeit um sich gegriffen und im Verhältnis zwischen der regional heterogenen deutschen Volksgruppe und der Regierung „Risse” entstanden sind. Der Referent betonte, dass es in den letzten Jahren des Ersten Weltkrieges zu Versuchen gekommen sei, dieses einstige gute Verhältnis zu regenerieren (Auftritte von Tisza im ungarischen Reichstag), aber unter jenen extremen Verhältnissen konnten keine konkreten Maßnahmen getroffen werden. Die im Krieg erlebten Leiden, die Unzufriedenheit mit den ma- teriellen Umständen hätten die Mitglieder der ungarländischen Volksgruppe dazu gezwungen, gegenüber den großen Umwand- 14 Es ist in Ungarn allgemein bekannt, dass der Gründer des in der Kaffeeproduktion tätigen Weltkonzerns Illy ein Ungar war. Dies macht uns stolz, aber was aus unserer Sicht noch wichtiger und interessanter ist, dass die Mutter von Franz Illy (später Fran- cesco Illy) eine Donauschwäbin aus dem Banat namens Aloisia Rössler war. Wenn man also einen guten, „ungarndeutschen“ Kaffee trinken möchte, sollte man sich für einen Kaffee aus dem Sortiment von Illy entscheiden. Der im Jahre 1892 in Temeswar geborene Illy wuchs in seiner Geburtsstadt auf. Wie fast alle in seiner Generation kämpfte er auch den großen Krieg durch. Nach dem ersten Weltenbrand blieb er in der damals unter italienische Hoheit gefallenen Hafen- stadt Triest und fing an sich mit Kaffeeproduktion zu beschäfti- gen. Er hatte eine große Erfindung für die Frischhaltung des Kaf- fees - dank einer neuen Verpackungstechnik konnte bzw. kann der Kaffee seine Aroma für längere Zeit erhalten. Illy produzierte auch eine Kaffeemaschine. Das Unternehmen Illy wuchs sehr schnell, aber das hatte seinen Preis. Illy musste Italiener in der multiethnischen, von Italienern, Slowenen, Deutschen, Kroaten und paar tausend Madjaren be- wohnten Stadt werden. Unter der faschistischen Führung war es nicht vorteilhaft, zu einer Minderheit zu gehören. Viele der frü- heren Bewohner standen im Fadenkreuz der ethnischen „Reini- gungspolitik” durch faschistische italienische Truppen. Der Konzern blieb bis heute in den Händen der Familie Illy. Wie ein Enkel von Francesco Illy in einer Erinnerung erzählte: „Die Großeltern sprachen zu Hause deutsch, aßen madjarisch und tranken italienisch“. SoNNTAGSBLATT