dammt hatte, die auch in unserer Zeit viel diskutiert wird. Vor
allem US-amerikanische Wirtschaftshistoriker bescheinigen der
Monarchie im Zeitraum von 1867 bis zum Ausbruch des Ersten
Weltkriegs durchaus eine erfolgreiche Industrialisierung und
Modernisierung mit einem gesteigerten Bruttoinlandsprodukt,
das mit dem Frankreichs oder Großbritanniens durchaus mit-
halten konnte. Auch im geistigen und kulturellen Leben brachte
die Monarchie durchaus interessante Leistungen zustande. Mit
dem Ausgleich von 1867 entstand die k.u.k. Doppelmonarchie
mit zwei Regierungen, zwei Parlamenten und damit auch in der
Minderheitenpolitik mit zwei unterschiedlichen Entwicklungen.
Der Referent beleuchtete die Entwicklung seit der Aufklärung
und unterstrich den aufgeklärten Absolutismus unter Kaiser Jo-
seph II. Die aufgeklärten Reformen des Josephinismus waren
vom magyarischen Adel als massiver Eingriff in die traditionel-
len Verwaltungs- und Führungsstrukturen empfunden worden
und provozierten eine geistig-nationale Gegenbewegung, die
sich anfangs vornehmlich auf dem Gebiet der Literatur behaup-
ten konnte. Die magyarische Reformbewegung fand nicht nur
in den literarischen und wissenschaftlichen Kreisen eine breite
Zustimmung, sondern kritisierte ab 1825 die soziale und wirt-
schaftliche Notlage großer Teile der magyarischen Bevölkerung.
An vorderster Front der Modernisierungsbestrebungen stand zu
diesem Zeitpunkt Graf István Sźechenyi (1791-1860), der sich in
seinen politischen Schriften für eine tiefgreifende Liberalisierung
der Wirtschaft, eine Neustrukturierung der ungarischen Land-
wirtschaft und die Beseitigung der Adelsprivilegien aussprach.
Einen Schritt weiter und radikaler waren die politischen Ziele der
liberalen magyarischen Opposition, die unter der Führung von
Lajos Kossuth (1802-1894) die nationale Selbstbestimmung und
die volle Gleichberechtigung der Magyaren im Habsburgerreich
forderte.
Es wurde auf die Magyarisierungsbestrebung als bewusste Re-
aktion auf die demografischen Verhältnisse im Königreich Ungarn
um 1840 eingegangen. Von den 14 Millionen Einwohnern waren
nur 6 Millionen Magyaren, die sich gegenüber den nichtmagya-
rischen Bevölkerungsgruppen in der Minderheit befanden. Die
deutschen Volksgruppen umfassten zu diesem Zeitpunkt eine
Größenordnung von 1,3 bis 1,5 Millionen, die Rumänen von 2,2
Millionen, die Slowaken von 1,7 Millionen, die Kroaten von 1, 2
Millionen und die Serben von 800.000 Bewohnern.
Die uneinheitliche Haltung der deutschen Volksgruppen in die-
ser Causa resultierte aus der geografischen Streulage der deut-
schen Siedlungsgebiete, der unterschiedlichen sozialen Zugehö-
rigkeit und dem sehr differenzierten Zugang zum Magyarentum.
Die ersten Bewegungen gegen die Magyarisierung kamen in den
Städten auf, wo in Budapest von Eduard Glatz (1812-1889) die
deutschsprachige Pester Zeitung herausgegeben wurde. Der
Pressburger Gelehrte Gottfried Schröer (1791-1850) beschäftig-
te sich in seiner Arbeit Über Erziehung und Unterricht in Ungarn
ebenfalls mit dem Fortschreiten der Magyarisierung im Bildungs-
wesen des ungarischen Königreichs. Die deutschen Intellektuel-
len hatten der Magyarisierung aber wenig entgegenzusetzen.
Der Redner ging auf die Umwälzungen in der Revolution 1848 ein
und hob die Einführung des Neoabsolutismus und der Staatsre-
form unter dem jungen Kaiser Franz Joseph I. hevor, sprach an-
schließend vom langsamen Zerfall des Habsburgerreiches nach
verschiedenen Niederlagen - vor allem in Norditalien - sowie den
Forderungen der Tschechen um Ausgleichsbemühungen bzw.
nach „Trialismus“ nach dem Ausgleich mit Ungarn 1867, was
schließlich zum Beginn des Nationalitätenkampfes führen sollte.
Der Redner ging auf die Lage der Siebenbürger Sachsen und
die der Donauschwaben im Königreich Ungarn nach 1867 ein.
Es wurde darauf hingewiesen, dass, nachdem bis 1913/14 die
Ausgleichsverhandlungen mit Prag gescheitert waren, die Frage
aufgeworfen werden musste, inwieweit der damalige Nationali-
tätenkonflikt für den Untergang der Monarchie mitverantwortlich
gemacht werden kann.
Dr. Kathi Frank-Gajdos PhD (Wudersch) sprach zum Thema
„Grenzüberschreitende Minderheitenprobleme – Die Donau-
schwaben in Jugoslawien, Rumänien und Ungarn (1918–1949).
Ein Vergleich.“
SoNNTAGSBLATT
Im ersten Teil behandelte die Referentin die zeit- und grenzüber-
schreitenden Konflikte (1918 – 1945), die in diesen drei Ländern
zur Diskriminierung der deutschen Minderheit führten. Hervor-
gehoben wurde, dass diese bis 1918 Bürger der Donaumonar-
chie, waren, also Bürger eines übernationalen Reiches, die stets
in Nachbarschaft zu anderen Nationalitäten lebten. Nach 1918
führten durch ihre Gebiete jedoch die Grenzen dreier Staaten -
Ungarn, Jugoslawien und Rumänien -, und es gab viele, die sich
jetzt als Bürger einer nationalen Minderheit wiederfanden. Der
Sieg in diesem Krieg gab den Siegern aber kein Gefühl der Si-
cherheit: Probleme, die durch die Friedensverträge entstanden,
verursachten weitere Konflikte und führten zu weiteren Kriegen.
Die Rednerin stellte in den Fokus ihrer Arbeit die Jahre zwischen
1944 und 1949. Nach 1945 wurden alle Donauschwaben in die-
sen drei Ländern kollektiv bestraft. Die deutschen Minderheiten
in Ungarn, Jugoslawien und Rumänien wurden Opfer von Depor-
tation, Enteignung, Entrechtung, Internierung und Vertreibung,
ihre Kollektivstrafe geschah im Zeichen der kommunistischen
Machtübernahme.
Es wurde darauf hingewiesen, dass das Schicksal der Donau-
schwaben in Rumänien, Ungarn und Jugoslawien - ihre De-
portation, Vertreibung und Diskriminierung - 40 Jahre lang ein
Tabuthema bleiben musste. Außerdem wurde betont, dass die
Erlebnisgeneration angstbedingt die Nachkriegsjahre zu ver-
gessen und zu verdrängen versuchte, was ihr auch über lange
Jahre, Jahrzehnte gelungen ist, denn sie mussten nach 1944
alle großes Leid erleben – sowohl in Rumänien: Enteignung, De-
portation und Internierung (Rumänien - ethnische Säuberung),
etwas schlimmer in Ungarn, wo neben diesen auch die Hälfte
der deutschen Minderheit nach 1946 aus dem Land vertrieben
wurde (Ungarn – Verschleppung und Vertreibung) und am trau-
rigsten im ehemaligen Jugoslawien, wo das Regime Titos gegen
die Donauschwaben Völkermord begangen hat (Jugoslawien –
Stationen eines Völkermordes).
Die Referentin unterstrich, dass kaum eine andere deutsche
Volksgruppe zwischen 1944 und 1956 so sehr zu leiden hatte
wie die deutsche Minderheit in diesen drei Ländern. Und das
Schicksal der einst in Jugoslawien, in Rumänien oder in Ungarn
siedelnden Deutschen ist, wie der Leidensweg der Vertriebenen
aus Schlesien, Ostpreußen, Pommern oder dem Sudetenland,
im europäischen Bewusstsein leider kaum präsent. Ihrer Opfer
zu gedenken und die Erinnerung wach zu halten sei deshalb
unsere Aufgabe.
Dr. Mag. Hans Dama (Wien) behandelte in seinem Vortrag zum
Thema „Die Umbruchgeneration in der deutschen Literatur des
Banats nach Trianon die Entstehung der (eigentlichen) Deut-
schen Literatur des Banats und somit die Anfänge der 5. Deut-
schen Literatur“.
In diesem Vortrag wurde eine Gesamtdarstellung der Umbruch-
generation aus der Doppelmonarchie zur Banater deutschen
Literatur nach Trianon präsentiert. Der Referent betonte, dass
dieser keineswegs als erschöpfend verstanden werden dürfe: Es
sollten lediglich jene Banater Autoren ins Rampenlicht gerückt
werden, die dem Stichwort „Umbruchgeneration“ entsprechen.
Der Redner gab zu bedenken, dass einige Autoren der vortria-
nonischen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in Ungarn oder im
Königreich Jugoslawien verblieben sind, Autoren aber − wie zum
Beispiel Adam Müller-Guttenbrunn −, die weder vor noch nach
„Trianon“ im Banat gewirkt hatten, wurden nicht berücksichtigt.
Auf viele Details in den jeweiligen Werken der behandelten Au-
toren wurde nicht näher eingegangen, denn die vorliegende Dar-
stellung sollte lediglich als eine Art ABRISS verstanden werden.
Aus den nach Trianon Rumänien einverleibten ehemaligen, un-
ter ungarischer Verwaltung gestandenen Gebieten wirkten viele
Künstler, Literaten usw. in Budapest, doch das war nun Ausland
für sie: Einige blieben in Restungarn, andere wollten in ihre Hei-
mat zurück. Viele, die bisher in ungarischer Sprache geschrieben
und veröffentlicht hatten, mussten sich nun einer anderen Spra-
(Fortsetzung auf Seite 14)
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