Sonntagsblatt 4/2018 | Page 13

dammt hatte, die auch in unserer Zeit viel diskutiert wird. Vor allem US-amerikanische Wirtschaftshistoriker bescheinigen der Monarchie im Zeitraum von 1867 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs durchaus eine erfolgreiche Industrialisierung und Modernisierung mit einem gesteigerten Bruttoinlandsprodukt, das mit dem Frankreichs oder Großbritanniens durchaus mit- halten konnte. Auch im geistigen und kulturellen Leben brachte die Monarchie durchaus interessante Leistungen zustande. Mit dem Ausgleich von 1867 entstand die k.u.k. Doppelmonarchie mit zwei Regierungen, zwei Parlamenten und damit auch in der Minderheitenpolitik mit zwei unterschiedlichen Entwicklungen. Der Referent beleuchtete die Entwicklung seit der Aufklärung und unterstrich den aufgeklärten Absolutismus unter Kaiser Jo- seph II. Die aufgeklärten Reformen des Josephinismus waren vom magyarischen Adel als massiver Eingriff in die traditionel- len Verwaltungs- und Führungsstrukturen empfunden worden und provozierten eine geistig-nationale Gegenbewegung, die sich anfangs vornehmlich auf dem Gebiet der Literatur behaup- ten konnte. Die magyarische Reformbewegung fand nicht nur in den literarischen und wissenschaftlichen Kreisen eine breite Zustimmung, sondern kritisierte ab 1825 die soziale und wirt- schaftliche Notlage großer Teile der magyarischen Bevölkerung. An vorderster Front der Modernisierungsbestrebungen stand zu diesem Zeitpunkt Graf István Sźechenyi (1791-1860), der sich in seinen politischen Schriften für eine tiefgreifende Liberalisierung der Wirtschaft, eine Neustrukturierung der ungarischen Land- wirtschaft und die Beseitigung der Adelsprivilegien aussprach. Einen Schritt weiter und radikaler waren die politischen Ziele der liberalen magyarischen Opposition, die unter der Führung von Lajos Kossuth (1802-1894) die nationale Selbstbestimmung und die volle Gleichberechtigung der Magyaren im Habsburgerreich forderte. Es wurde auf die Magyarisierungsbestrebung als bewusste Re- aktion auf die demografischen Verhältnisse im Königreich Ungarn um 1840 eingegangen. Von den 14 Millionen Einwohnern waren nur 6 Millionen Magyaren, die sich gegenüber den nichtmagya- rischen Bevölkerungsgruppen in der Minderheit befanden. Die deutschen Volksgruppen umfassten zu diesem Zeitpunkt eine Größenordnung von 1,3 bis 1,5 Millionen, die Rumänen von 2,2 Millionen, die Slowaken von 1,7 Millionen, die Kroaten von 1, 2 Millionen und die Serben von 800.000 Bewohnern. Die uneinheitliche Haltung der deutschen Volksgruppen in die- ser Causa resultierte aus der geografischen Streulage der deut- schen Siedlungsgebiete, der unterschiedlichen sozialen Zugehö- rigkeit und dem sehr differenzierten Zugang zum Magyarentum. Die ersten Bewegungen gegen die Magyarisierung kamen in den Städten auf, wo in Budapest von Eduard Glatz (1812-1889) die deutschsprachige Pester Zeitung herausgegeben wurde. Der Pressburger Gelehrte Gottfried Schröer (1791-1850) beschäftig- te sich in seiner Arbeit Über Erziehung und Unterricht in Ungarn ebenfalls mit dem Fortschreiten der Magyarisierung im Bildungs- wesen des ungarischen Königreichs. Die deutschen Intellektuel- len hatten der Magyarisierung aber wenig entgegenzusetzen. Der Redner ging auf die Umwälzungen in der Revolution 1848 ein und hob die Einführung des Neoabsolutismus und der Staatsre- form unter dem jungen Kaiser Franz Joseph I. hevor, sprach an- schließend vom langsamen Zerfall des Habsburgerreiches nach verschiedenen Niederlagen - vor allem in Norditalien - sowie den Forderungen der Tschechen um Ausgleichsbemühungen bzw. nach „Trialismus“ nach dem Ausgleich mit Ungarn 1867, was schließlich zum Beginn des Nationalitätenkampfes führen sollte. Der Redner ging auf die Lage der Siebenbürger Sachsen und die der Donauschwaben im Königreich Ungarn nach 1867 ein. Es wurde darauf hingewiesen, dass, nachdem bis 1913/14 die Ausgleichsverhandlungen mit Prag gescheitert waren, die Frage aufgeworfen werden musste, inwieweit der damalige Nationali- tätenkonflikt für den Untergang der Monarchie mitverantwortlich gemacht werden kann. Dr. Kathi Frank-Gajdos PhD (Wudersch) sprach zum Thema „Grenzüberschreitende Minderheitenprobleme – Die Donau- schwaben in Jugoslawien, Rumänien und Ungarn (1918–1949). Ein Vergleich.“ SoNNTAGSBLATT Im ersten Teil behandelte die Referentin die zeit- und grenzüber- schreitenden Konflikte (1918 – 1945), die in diesen drei Ländern zur Diskriminierung der deutschen Minderheit führten. Hervor- gehoben wurde, dass diese bis 1918 Bürger der Donaumonar- chie, waren, also Bürger eines übernationalen Reiches, die stets in Nachbarschaft zu anderen Nationalitäten lebten. Nach 1918 führten durch ihre Gebiete jedoch die Grenzen dreier Staaten - Ungarn, Jugoslawien und Rumänien -, und es gab viele, die sich jetzt als Bürger einer nationalen Minderheit wiederfanden. Der Sieg in diesem Krieg gab den Siegern aber kein Gefühl der Si- cherheit: Probleme, die durch die Friedensverträge entstanden, verursachten weitere Konflikte und führten zu weiteren Kriegen. Die Rednerin stellte in den Fokus ihrer Arbeit die Jahre zwischen 1944 und 1949. Nach 1945 wurden alle Donauschwaben in die- sen drei Ländern kollektiv bestraft. Die deutschen Minderheiten in Ungarn, Jugoslawien und Rumänien wurden Opfer von Depor- tation, Enteignung, Entrechtung, Internierung und Vertreibung, ihre Kollektivstrafe geschah im Zeichen der kommunistischen Machtübernahme. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Schicksal der Donau- schwaben in Rumänien, Ungarn und Jugoslawien - ihre De- portation, Vertreibung und Diskriminierung - 40 Jahre lang ein Tabuthema bleiben musste. Außerdem wurde betont, dass die Erlebnisgeneration angstbedingt die Nachkriegsjahre zu ver- gessen und zu verdrängen versuchte, was ihr auch über lange Jahre, Jahrzehnte gelungen ist, denn sie mussten nach 1944 alle großes Leid erleben – sowohl in Rumänien: Enteignung, De- portation und Internierung (Rumänien - ethnische Säuberung), etwas schlimmer in Ungarn, wo neben diesen auch die Hälfte der deutschen Minderheit nach 1946 aus dem Land vertrieben wurde (Ungarn – Verschleppung und Vertreibung) und am trau- rigsten im ehemaligen Jugoslawien, wo das Regime Titos gegen die Donauschwaben Völkermord begangen hat (Jugoslawien – Stationen eines Völkermordes). Die Referentin unterstrich, dass kaum eine andere deutsche Volksgruppe zwischen 1944 und 1956 so sehr zu leiden hatte wie die deutsche Minderheit in diesen drei Ländern. Und das Schicksal der einst in Jugoslawien, in Rumänien oder in Ungarn siedelnden Deutschen ist, wie der Leidensweg der Vertriebenen aus Schlesien, Ostpreußen, Pommern oder dem Sudetenland, im europäischen Bewusstsein leider kaum präsent. Ihrer Opfer zu gedenken und die Erinnerung wach zu halten sei deshalb unsere Aufgabe. Dr. Mag. Hans Dama (Wien) behandelte in seinem Vortrag zum Thema „Die Umbruchgeneration in der deutschen Literatur des Banats nach Trianon die Entstehung der (eigentlichen) Deut- schen Literatur des Banats und somit die Anfänge der 5. Deut- schen Literatur“. In diesem Vortrag wurde eine Gesamtdarstellung der Umbruch- generation aus der Doppelmonarchie zur Banater deutschen Literatur nach Trianon präsentiert. Der Referent betonte, dass dieser keineswegs als erschöpfend verstanden werden dürfe: Es sollten lediglich jene Banater Autoren ins Rampenlicht gerückt werden, die dem Stichwort „Umbruchgeneration“ entsprechen. Der Redner gab zu bedenken, dass einige Autoren der vortria- nonischen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in Ungarn oder im Königreich Jugoslawien verblieben sind, Autoren aber − wie zum Beispiel Adam Müller-Guttenbrunn −, die weder vor noch nach „Trianon“ im Banat gewirkt hatten, wurden nicht berücksichtigt. Auf viele Details in den jeweiligen Werken der behandelten Au- toren wurde nicht näher eingegangen, denn die vorliegende Dar- stellung sollte lediglich als eine Art ABRISS verstanden werden. Aus den nach Trianon Rumänien einverleibten ehemaligen, un- ter ungarischer Verwaltung gestandenen Gebieten wirkten viele Künstler, Literaten usw. in Budapest, doch das war nun Ausland für sie: Einige blieben in Restungarn, andere wollten in ihre Hei- mat zurück. Viele, die bisher in ungarischer Sprache geschrieben und veröffentlicht hatten, mussten sich nun einer anderen Spra- (Fortsetzung auf Seite 14) 13