anderen Minderheitenangehörigen mit entsprechendem Berufs-
ziel zugutekommen. Ungarndeutscherseits soll es von der Lan-
desselbstverwaltung der Ungarndeutschen koordiniert werden.
Das Modell ist nicht neu, so gilt es auch für Studenten in Ungarn,
die ein staatliches Stipendium erhalten (es sind nicht wenige),
dessen Höhe von den Leistungen des Studierenden abhängt.
Eine Rückzahlungspflicht besteht, wenn der Student in einem
Zeitraum von 20 Jahren nach Beendigung des Studiums nicht
einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Ungarn
nachgeht, und zwar in Höhe der geförderten Studienjahre. Ein
ähnliches Programm gibt es im Gesundheitswesen (Lajos-Mar-
kusovszky-Stipendium) für angehende Fachärzte und Apothe-
ker, die ein Stipendium in Höhe von 100.000 Forint (etwa 320
Euro) netto im Monat erhalten – sie müssen sich im Gegenzug
verpflichten, eine gewisse Zeit, die der Studienzeit entspricht, in
der das Stipendium gezahlt wurde, im ungarischen Gesundheits-
wesen zu arbeiten.
Über Erfolg und Misserfolg der obigen Programme (in erster Linie
des ersten Programms für ungarische Hochschulabsolventen)
zu urteilen ist schwierig. Ich würde mich - wohlwissend um die
„Schlagfertigkeit” und „Kreativität” meiner Landsleute und die Be-
schaffenheit des politisch-gesellschaftlichen Umfelds - aber sehr
wundern, müsste nur ein einziger Student dieses Stipendium
zurückzahlen, sollte es ihn ins Ausland verschlagen. Sicherlich
ist es ein gerechtfertigtes Interesse des Staates und der Bevöl-
kerung, dass das in das Studium investierte Geld über einen Bei-
trag des Geförderten der Gemeinschaft zugutekommt. Sicherlich
hat das Markusovszky-Stipendienprogramm einige davon ab-
gehalten das ungarische (staatliche) Gesundheitswesen nach
Abschluss ihrer Facharztausbildung gen privates Gesundheits-
wesen oder Ausland zu verlassen. Die akuten Personalprobleme
in kassenärztlichen Praxen und Krankenhäusern hat das Pro-
gramm nicht lösen können, zumal es sich auf eine medizinische
Teilberufsgruppe, die de so genannten Residenten konzentriert.
Das größte Manko dieser Programme ist die Verpflichtung, sich
zu binden (viele pflegen den Begriff „an die Scholle gebunden
zu sein” zu verwenden, was an feudale Zeiten erinnert), gerade
in einer Zeit, wo man immer weniger gewillt ist feste Bildungen
einzugehen. Dies gilt gerade für junge Menschen. Das Prinzip
der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union steht
diametral zu obrigkeitsstaatlichen Bestrebungen der Einschrän-
kung dieses Grundrechts. Ich will noch einmal betonen, dass die
Gemeinschaft für eine Leistung durchaus eine Gegenleistung er-
warten darf. Aber ob Zwang als Motivation herhalten kann, ist
mehr als zweifelhaft, gerade in Zeiten, wo die Aufnahme einer Ar-
beit im Ausland auch in Ungarn den Alltag vieler Familien prägt.
Das geplante Programm (über Ausgestaltung und finanzielle
Rahmenbedingungen wird noch verhandelt) setzt durchaus an
der richtigen Stelle an – denn, so zeigen Untersuchungen aus
dem Primar- und Sekundarstufenbereich, verlassen die meisten
den Lehrerberuf in den ersten fünf Jahren nach Beendigung des
Studiums. Nicht viel anders dürfte es in den Kindergärten sein.
Es bedarf aber zusätzlicher, wenn nicht anderer Motivatoren, die
jungen Kindergartenpädagogen im System zu halten. Erschwe-
rend kommt die Tatsache hinzu, dass viele angehende Kinder-
gärtnerinnen und Kindergärtner bereits während des Studiums
von deutschen und österreichischen Trägern angeworben wer-
ben: Veränderte Familienrollenbilder, gestiegene Konsuman-
sprüche und Ausgaben, der Rechtsanspruch auf Kinderbetreu-
ung ab drei Jahren, die Senkung der Kita-Gebühren in vielen
deutschen Bundesländern und der Zuzug unter anderem auch
von ungarischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sor-
gen im deutschsprachigen Ausland ununterbrochen für Bedarf
an neuem Personal. Da ist jede deutschsprachige Fachkraft
willkommen. Ob ein Stipendiumprogramm es vermag, der Ver-
suchung durch wesentlich höhere Löhne im deutschsprachigen
Ausland entgegenzuwirken, darf bezweifelt werden. Auch hie-
sige Kindergärten leiden unter Personalmangel, was vielfach
dazu führt, dass reichere Kommunen durch Prämienzahlungen
Kindergärtnerinnen abwerben. Auf das verbliebene Personal
kommt immer mehr Arbeit zu, es wird regelrecht verbrannt, was
mittel- und langfristig zu mehr Fluktuation und Burn out-Symp-
tomen führt und führen wird. Mittelfristig wird man nicht drum-
SoNNTAGSBLATT
herumkommen, die Löhne im Bildungs- und Erziehungsbereich
kräftig zu erhöhen, was zwangsläufig die Bereitstellung von mehr
öffentlichen Finanzmitteln erfordert. Staatliche Stellen scheinen
dabei auf Zeit zu spielen und bestimmte Teilgruppen (aus wel-
cher Überlegung heraus auch immer) besserzustellen, durch
spezielle Laufbahnmodelle, die aber unter finanziellen Aspekten
– wie man es im Falle des Laufbahnmodells für Lehrer sieht – mit
dem Lohnzuwachs in der privaten Wirtschaft bislang nicht mit-
halten konnten.
Entscheidend wird es auch sein, ob es gelingt die Arbeitsbe-
dingungen der Kindergärtnerinnen und Kindergärtner zu ver-
bessern. Allen voran geht es um die Gruppengrößen, die schon
immer als Ventil herhalten mussten, wenn zusätzlicher Bedarf
entstand (wie Kindergartenbesuchspflicht) oder angesichts des
aktuellen Personalmangels Lücken gefüllt werden müssen. Je-
der, der Kinder oder Elternkinder hat, weiß, dass die Kinder von
heute viel mehr Förderung und Zuwendung benötigen und oft
einfordern, als diejenigen, die in der obrigkeitsgläubig-patriar-
chalischen Welt der vergangenen Jahrzehnte aufgewachsen
sind. Zudem verändert sich die Gesellschaft ständig, und vie-
le Probleme, der man früher in der Familie (die heute oft aus
einem Elternteil besteht) begegnete, werden gerne auf die Bil-
dungseinrichtungen abgewälzt. Meist ohne Dank. Die Zahl von
Kindern mit erhöhtem Förderbedarf steigt seit Jahren, was nach
mehr Personal verlangt, und das in einer Zeit, wo es ohnehin
schwierig ist, das Stammpersonal zu halten und Stellen nachzu-
besetzen. Darüber hinaus verlangt das Laufbahnmodell immer
mehr Administration, was Zeit kostet, die dann im Kerngeschäft
der Kindererziehung fehlt. Im Falle von ungarndeutschen Kin-
dergartenpädagogen wird oft darüber berichtet, dass der aktive
Gebrauch der deutschen Sprache - für die meisten mittlerweile
eine gelernte Fremdsprache - im Kindergartenalltag trotz mehr
Fortbildungsmöglichkeiten als früher eine besondere Herausfor-
derung darstellen würde.
Auch wenn Stipendienprogramme durchaus ihre Berechtigung
haben, sie als Allheilmittel lobzupreisen, würde nur den Blick auf
die Systemdefizite verdecken.
Zum Schuljahresbeginn
Gedanken der stellvertretenden Beauftragten (Ombudsfrau) für
die Nationalitäten über die Bedeutung des Nationalitätenschul-
wesens
Ein Beitrag der stellvertetenden Beauftragten für die Nationalitäten an-
lässlich des Beginns des neuen Schuljahres, neben allgemeinen Aussa-
gen mit bemerkenswert kritischen Erkenntnissen
Erzsébet Sándor-Szalay mit Olivia Schubert (Foto: Facebook.com)
„Aus der Perspektive der Bewahrung der Identität und deren ste-
ter Fortentwicklung sind für die staatstragenden Nationalitäten
Ungarns die Bewahrung ihrer Identität sowie die Ermunterung
der jüngeren Generationen zum Erlernen und Benutzung der
Sprache der Gemeinschaft von zentraler Bedeutung”, betonte
(Fortsetzung auf Seite 10)
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