die stellvertetende Beauftragte für die Nationalitäten, Erzsébet
Sándor-Szalay, auf der Schuljahreseröffnungfachkonferenz für
die Nationalitäten, die am 29. August am Serbischen Nikola-Tes-
la-Schulzentrum mit den Schulzweigen Kindergarten, Grund-
schule, Gymnasium und Schülerwohnheim stattfand.
Bei der Betrachtung der Rahmen und Herausforderungen des
Schuljahres 2018/19 wies die stellvertretende Beauftragte darauf
hin, dass sie es für einen eindeutigen Erfolg hält, dass man die-
ses Jahr dank dem Pädagogischen Nationalitätenbildungszent-
rum die spezifischen Aufgaben des Bereichs im Rahmen einer
eigenen Veranstaltung hätte definieren und eingehend analysie-
ren können, denn dies demonstrierte die besondere Aufmerk-
samkeit der Bildungspolitik für die Fragen der Nationalitätenbil-
dung und -erziehung.
Die stellvertretende Beauftragte hat in ihrem Redebeitrag auf
die Bedeutung der ungarländischen Nationalitätenbildung und
-erziehung, auf deren Ergebnisse und die Herausforderungen,
die vor uns stehen, hingewiesen. Aus der Perspektive der Be-
wahrung der Identität und deren steter Fortentwicklung seien
für die staatstragenden Nationalitäten Ungarns die Bewahrung
ihrer Identität sowie die Ermunterung der jüngeren Generationen
zum Erlernen und Benutzung der Sprache der Gemeinschaft von
zentraler Bedeutung. Neben der Familie seien die wichtigsten
Schauplätze der muttersprachlichen Erziehung diejenigen Insti-
tutionen, in den es möglich ist, dass der Unterricht und die Erzie-
hung der zur Minderheitengemeinschaft gehörenden Kinder zum
Teil oder ganz in der Muttersprache erfolgen.
„Laut Paragraph 12 Punkt B des Gesetzes Nr. 179/2011 über
die Rechte der Nationalitäten hat jeder Nationalitätenangehöri-
ger das Recht auf Schulerziehung und -bildung sowie kulturel-
le Partizipation in der Muttersprache. Nach Paragraph 19 des-
selben Gesetzes haben die Nationalitätengemeinschaften - als
kollektives Recht - das Recht, Institutionen zu gründen und zu
betreiben, deren Trägerschaft von anderen Körperschaften zu
übernehmen. Die Kinder und Jugendlichen, die einer Nationalität
angehören, haben einen Anspruch auf Bildung und Erziehung
in Kindergärten, Grundschulen, Gymnasien und Berufsschulen,
auf die Unterbringung und Betreuung in Nationalitätenschüler-
wohnheimen und das Recht auf Hochschulbildung. Das Recht
auf den Unterricht in der Muttersprache sowie das der Gemein-
schaft auf Bildungsmanagement regeln die weiteren Bestimmun-
gen des Gesetzes detailliert. Es ist allgemein zu beobachten,
dass die Kinder, die am Minderheitenunterricht teilnehmen, mit
unterschiedlichen Sprachkenntnissen eingeschult werden, so ist
Aufgabe Nr. 1 für die Nationalitätenpädagogen die Vermittlung
stabiler Sprachkenntnisse und die Förderung der Kommunika-
tionsfähigkeit. Während Situation, Karrierechancen, Ausbildung
und Nachwuchsversorgung der Nationalitätenpädagogen vor
großen Herausforderungen stehen, erfüllen sie ihre Aufgabe mit
großem Pflichtbewusstsein, wofür ihnen Dank gebührt”, sagte
die stellvertretende Ombudsfrau.
Erzsébet Sándor-Szalay wies auch darauf hin, dass wir zwar
positive Tendenzen, eine bedeutende Entwicklung beobachten
könnten, aber es auf dem Gebiet der Versorgung mit Lehrbü-
chern und Hilfsmitteln noch viel zu tun gäbe, insbesondere bei
den Nationalitäten, die – aufgrund eines fehlenden Mutterlandes
oder des gegenwärtigen Standes der Beziehungen – nicht mit
Hilfe des Mutterlandes rechnen können. Das Gleiche gilt für die
Lehrerbildung: Die Kontinuität in der schulischen Arbeit wird da-
durch gefährdet, dass sich lediglich 4 - 6 % der Nationalitäten-
grundschüler für eine Nationalitätenmittelschule entscheiden,
und die Lage ist noch trauriger, wenn wir die immer geringere
Zahl der Abiturienten betrachten, die sich für ein Nationalitäten-
lehramtsstudium entscheiden – so wie im Falle des allgemeinen
Lehramtsstudiums, wo die Lage ähnlich ist. Eine detaillierte Ana-
lyse der Nationalitätenlehramtsausbildung enthält der Bericht
über die Nationalitätenhochschulbildung 2017, der von der stell-
vertretenden Beauftragen für die Nationalitäten und dem Beauf-
tragten für die Grundrechte gemeinsam herausgegeben wurde.
Anlässlich des Schuljahres 2018/19 hielt es die stellvertretende
Beauftrage wichtig, zu betonen, dass die Nationalitätenbildungs-
möglichkeiten beziehungsweise die Institutionen des Schulnet-
zes der Nationalitäten, die heute bereits zu großen Teilen von den
Nationalitätenselbstverwaltungen getragen würden, nur dann
ihre Aufgabe – die Bewahrung und Pflege der Identität der Na-
10
tionalitätenangehörigen - erfüllen könnten, wenn sich die Eltern,
die sich zur jeweiligen Nationalität bekennen, in immer größe-
rer Zahl dafür entscheiden, ihre Kinder an Nationalitätenschulen
anzumelden. Das Niveau des Unterrichts an den Nationalitäten-
schulen soll eine Garantie dafür sein, dass der Unterricht, der
den Fortbestand der Nationalitätensprache und -identität sichert,
gleichzeitig eine anspruchsvolle Ausbildung darstellt, die die
Chance auf die Fortsetzung der schulischen Karriere birgt.
Quelle: Sekretariat der stellvertrenden Beauftragten für die Nationalitä-
ten, deutsche Übersetzung: Richard Guth
Die stille Masse
Beobachtungen einer ungarndeutschen Studentin
Von Viktória Göbl
(Der Artikel ist ein rein theoretischer Beitrag, die Autorin hat keinesfalls
eine Verallgemeinerung zum Ziel, die Beobachtungen basieren auf ni-
cht-repräsentativen, eigenen Erfahrungen.)
Montag, spät am Nachmittag, Vorlesung an der deutschsprachi-
gen Andrássy-Universität in Budapest. Zirka 30-40 Studenten
sind anwesend, alle Anfang 20, alle müde nach dem langen Tag,
die meisten haben schon mehrere Seminare hinter sich, einige
haben den ganzen Tag gelernt oder gearbeitet. Deutsche, unga-
rische, ungarndeutsche Studenten und Studentinnen, mit ähn-
lichen Interessen.
Der Dozent stellt eine Frage bezüglich der Pflichtlektüre. Neh-
men wir an, dass sie fast alle gelesen haben, die meisten haben
es sogar verstanden. Zwei-drei Leute melden sich, sie antwor-
ten, nächste Frage, die nächsten zwei-drei Antworten und so
geht es weiter in der ganzen Vorlesung. Was ist komisch daran,
denkt man, so läuft es halt an einer Uni, oder?
Erstens, und das ist leider gar nicht so selbstverständlich: Eine
Vorlesung an einer der ungarischen Universitäten sieht meistens
komplett anders aus. Oft gibt es keine Pflichtlektüre(n) für die
Vorlesungen, der Stoff wird von den Studenten in der Prüfungs-
phase auf einmal bearbeitet und wahrscheinlich 3 Tage später
wieder vergessen. Fragen in einer großen Vorlesung sind noch
seltener, das kann man recht schnell, in den ersten Monaten
nach Studienbeginn feststellen. Der Dozent versucht dabei das
Wissen auf irgendeine Weise zu übermitteln, entweder begreifen
die Studenten das oder auch nicht. Wichtig ist, dass am Ende
des Semesters alle die Prüfung bestehen. Oder auch nicht.
Und was können wir noch in der Vorlesung an der AUB beobach-
ten? Wenn sich jemand einigermaßen an dieser Uni auskennt,
dann weiß er, dass der Anteil der deutschen und ungarischen
(bzw. ungarndeutschen) Studenten grob gerechnet 50-50 Pro-
zent ist. Aber die Fragen des Dozenten werden fast ausschließ-
lich von deutschen Studenten beantwortet. Sie melden sich, den-
ken mit, versuchen proaktiv zu lernen, verbringen Stunden in der
Bibliothek mit Recherche. Wir, ihre Kommilitoninnen und Kom-
militonen ungarischer/ungarndeutscher Abstammung sind natür-
lich keinesfalls dümmer oder fauler. Wir sind einfach nur anders
sozialisiert. Von den Grundschuljahren bis zum Staatsexamen
büffeln wir fleißig, meistern unsere Prüfungen, wo auch nichts
anderes gefragt wird, und haben das Ganze eigentlich so gern,
wie es ist. Man erinnert sich sogar an vor 15 Jahren auswendig
gelernte Gedichte. Hauptsache, aktives Mitdenken und Diskutie-
ren werden nicht gefordert, denn das haben wir nie gelernt. Und
das Ganze merken wir erst, wenn wir zufällig in einer anderen
Umgebung weiterstudieren müssen.
Ob das Problem (oder nur ein Unterschied?) von dem Schulsys-
tem verursacht wird, kann man leider nicht eindeutig sagen. In
der ersten Klasse wird ja spielend gelernt, sagt man zumindest.
Kinder machen überall gerne mit, ihre Freude am Entdecken ist
grenzenlos, egal ob in Deutschland oder in Ungarn. Wann geht
dann unser Wille zum proaktiven Lernen verloren? Man sollte
sich darüber öfter Gedanken machen.
SoNNTAGSBLATT