noch: Sie sind im Allgemeinen gewissenhafte, sehr zuverlässige,
arbeitsame und fleißige (meist) Angestellte. Sie gingen seit der
Zeit ihrer Ansiedlung, Anfang des 18. Jahrhunderts, in der Regel
landwirtschaftlichen Tätigkeiten nach, die viel Wissen, Erfahrun-
gen und Ausdauer erfordern: Weinbau, Tabakanbau, Tierzucht
und Gartenkultur. Milieu tiefer Armut abseits jeglicher Bildung und Kultur stammten
und nicht in der Lage waren, das beschlagnahmte schwäbische
Vermögen zu verwerten. Wir könnten etwas erahnen vom Zu-
grunderichten der ungarischen Provinz, der wenig bekannten
Motivation der Entstehung der gegenwärtigen Situation auf dem
Lande.
Die Vorurteile, die in meiner Familie vorhanden waren, konnten
mich in meinen Beobachtungen auch nicht beeinflussen, ich war
lediglich erstaunt, aber verstanden habe ich sie nicht. Wegen
einer Lebensform, die gekennzeichnet ist von Arbeitsamkeit und
Sparsamkeit, waren/sind (?) die Schwaben, genauso wie die Ju-
den, eine Nationalität, die stets Gegenstand von Neiddebatten
sind/waren (?). Im Weiteren möchte ich die wichtigsten wesensgleichen Züge
des Buches von Anna Kerekes und von „Naspolya” hervorheben:
Auf der anderen Seite wollte ich das Buch von Anna Kerekes
deshalb lesen, weil dessen Veröffentlichung zeitlich sehr nahe
stand zum Aufzeichnen der (persönlichen) Geschichte der Ah-
nen unserer Familie, was für mich einem Aha-Erlebnis gleich-
kam. Sofort, nachdem ich die Buchempfehlung in der Zeitschrift
HVG gelesen haben, wollte ich das Buch von Anna Kerekes le-
sen. Und nicht nur wegen den Neuigkeiten und Zusammenhän-
gen, die ich während der Recherche für mein Buch „Naspolya”
entdeckt bzw. erkannt habe, sondern auch deshalb, weil auch
unser Buch von derselben historischen Epoche handelt wie das
von Anna Kerekes. Ich habe auch viele Parallelen entdeckt, auf
die ich später noch eingehen werde. Und womit ich nicht gerech-
net habe bzw. woran ich am Anfang nicht gedacht habe, schufen
die Begegnungen mit Mitgliedern der größeren (nicht engeren!)
Verwandtschaft, die Gespräche, das In-Erinnerung-Rufen der
gemeinsamen oder nicht gemeinsamen Vergangenheit nicht
nur ein neues, emotionales Gefühl der Wärme, Bindungen und
eine Gemeinschaft, sondern weckten bei zahlreichen Familien-
mitgliedern eine gewisse Schaffenskraft (an dieser Stelle wäre
es besser, den englischen Begriff „contribution”, also Beitrag, zu
verwenden), die das Erlebnis der Entdeckung der Familie dank
ihren eigenartigen Mitteln bis zum heutigen Tage mit neuen und
neuen Fakten, neuen Verwandten, Ereignissen und Zusammen-
hängen bereichert. Unser Buch „Naspolya” ist lebendig gewor-
den, lebt und gedeiht. Wahrscheinlich wurde auch das Buch von
Anna Kerekes in Elek zum Leben erweckt.
Über die Struktur des Buches
Es ist keine Belletristik, die Geschichte endet eigentlich auf Seite
259 mit dem Tod der Großmutter. Eine klare, chronologisch ge-
ordnete Lebensgeschichte, mit gut gewählten Kapitelüberschrif-
ten, darunter mit den Jahren, auf die sich das jeweilige Kapitel
bezieht, und mit schönen, sorgfältig ausgewählten Mottos. Die
Sprache der Erzählung ist klar, deutlich, objektiv. Die ausführ-
lichen Beschreibungen sind detailreich, präzise, das Faktenwis-
sen der Autorin ist beeindruckend. Sie meidet selbst heikle The-
men nicht, aber auch darin bleibt sie stets objektiv und korrekt.
Die vielen Fotos im Buch weisen auf die Bedeutung der Verewi-
gung der Familienmitglieder hin (das Familiengruppenfoto ist in
Europa heute noch in Mode). Man sieht, dass dies in der Fa-
milie von Anna Kerekes von allen Generationen getragen und
erwünscht war. Die Texterläuterungen bieten eine gute Orientie-
rungshilfe zum Verständnis der Fotos und zur Vertiefung sowie
Differenzierung der Fantasie des Lesers.
Der Schlussteil mit seinen vierzig Seiten (S. 260 – 300) stellt eine
sehr wichtige Ergänzung dar, die gleichhzeitig der historischen
Authetizität Rechnung trägt: Diese 40 Seiten sind eine gewis-
senhafte Darstellung und Verewigung der Malenkij Robot, der
Dorfgesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, des Lebens der
vertriebenen Schwaben in Deutschland in der Zeit vor und nach
dem Marshall-Plan. Die womöglich interessantesten Kapitel
handeln von den 1950er Jahren in Elek. Elek war ein Dorf (eine
Stadt?), wo die verbliebenen Schwaben, die sich als Alteinge-
sessene betrachteten, mit den geringgeschätzten, faulen Neu-
siedlern („telepesek”) zusammenleben mussten, die aus einem
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- „Die Erinnerung bleibt bei den damaligen Kinderaugen.” (Zitat
von Sándor Révész)
- Sie handeln vom Leben alltäglicher Menschen, das stets von
historischen Ereignissen begleitet wird.
- die Bedeutung des Gesetzes über die Volksschulbildung
(1868) – das Hochschätzen des Lernens, des Wissen und der
Qualifikation
- die Erwähnung der unterschiedlichen politischen Einstellun-
gen innerhalb der Familie
- die Tätigkeiten der Frauen (von der Handarbeit gesondert),
der Haushalt, die Selbstversorgung
- „Mischehe”, das unterschiedliche Schicksal der Familienmit-
glieder, deren Auswirkungen, Vorurteile
- „Das Leben der Mutter war zwischen 1930 und 1938 am
glücklichsten.” (S. 76) – das meiner Mutter ebenso.
- Beide (Buchautoren) haben aus verzerrten historischen Ste-
reotypen heraus (das hat man uns vermacht) die objektivere,
multiperspektivische historische „Wahrheit” rekonstruiert.
- „man konnte darüber nicht sprechen” - und man wollte, wir
wollten es auch nicht: über Vertreibung, Malenkij Robot, Ver-
schleppung, den Tod am Don – endlich kann man es vielleicht
wieder (ABER: Muss man wieder Angst haben? Es gibt welche,
die auch heute noch Angst haben!, S. 301)
- Neben all den negativen Sachen finden auch positive ihren
Platz, das macht das Buch authentisch.
Schließlich möchte ich darauf eingehen, dass meine Kenntnis-
se über die Ähnlichkeiten hinaus, die von einer Mentalitätsver-
wandtschaft beider Autoren zeugen, durch das Studium des Bu-
ches von Anna Kerekes bedeutend erweitert wurden. Ich denke,
dass ich dadurch auch demonstriert habe, in welcher Hinsicht
der Durchschnittsleser ungarischer Staatsbürgerschaft mit Hilfe
des Buches von Anna Kerekes neue Informationen bekommen
kann.
- Einer der größten Verdienste des Buches ist die Darstellung
der Details der Vertreibung nach Deutschland. Sie ist objektiv,
zeigt sowohl Negatives als auch Positives: Die Versorgung der
Vertriebenen ist mustergültig, die Details sind interessant, das
Verhalten der deutschen Bevölkerung ist erstaunlich korrekt, die
Amerikaner trieben in ihrer Zone sofort Handel. Die überra-
schenden Auswüchse des deutschen Faschismus durch die Au-
gen eines Minderjährigen, die Auswirkungen des Marshall-Plans
auf die Bevölkerung und die Vertriebenen, da sich die staatliche
Fürsorge auf alle erstreckte.
- Die Zustände in Deutschland und Ungarn der 50er Jahre,
riesige und wachsende Unterschiede hinsichtlich Entwicklungs-
stand. Die deutsche Anständigkeit den Vertriebenen gegenüber,
die bürgerliche Mentalität in Deutschland, im Gegensatz zur
Armut und Torheit in Ungarn, Zusammenarbeit mit dem aktuel-
len Regime ohne moralisches Hinterfragen
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