Sonntagsblatt 4/2015 | Page 9

Donauschwäbische Geschichte Georg Wildmann: Donauschwäbische Geschichte, Band IV: Flucht — Vertreibung — Verfolgung — Genozid. Der Leidensweg ab 1944. Unter Mitarbeit von Stefan Barth, Hans Fink, Magdalena Kopp-Krumes, Georg Krix, Herbert Prokle, Rosa Speidel, Wil - helm Weber und Maria Werthan, München 2015, 726 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-926276-94-0. Erschienen im Verlag Donau - schwäbische Kulturstiftung, Schädlerweg 2, 81929 München. Preis: Euro 20,–. Zu beziehen in Deutschland: Haus der Donau schwaben, Gold - mühlestr. 30, 71065 Sindelfingen, Sekretariat (Henriette Mojem), Tel. 07031/79376-33, E-Mail: [email protected], in Österreich: VLÖ-Sekretariat (Frau Schlögl), Steingasse 25, 1030 Wien, Tel. 01/718 59 05-20, E-Mail: [email protected]. Der vierte Band der Fünfer-Reihe „Donauschwäbische Ge - schichte” ist erschienen. Der Ausdruck „Donauschwaben” wurde Anfang der 1920-er Jahre als Gruppenbezeichnung eingeführt, um die im mittleren Donauraum lebende Volksgruppe deutscher Muttersprache wissenschaftlich erfassen und sie von den am Ober lauf der Donau in Deutschland lebenden Schwaben abgren- zen zu können. Eine volkstümliche Gesamtdarstellung der Ge - schichte der Donauschwaben aus der Feder des „Altmeisters” der donauschwäbischen Geschichtsschreibung, Josef Volkmar Senz, liegt seit Jahrzehnten vor und ist im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen zu beziehen. Mit dem vierten Band einer fünfteiligen Reihe setzt die Donau - schwäbische Kulturstiftung, München (Stiftung des privaten Rechts) ihr Unternehmen fort, auch eine mit wissenschaftlicher Methodik abgefasste Gesamtdarstellung der Geschichte der Do - nauschwaben vorzulegen. Der erste Band, der die Zeit der Ansiedlung 1689–1805 um - fasst, ist 2006 im Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, München, erschienen und wurde von Oskar Feldtänzer verfasst. Er war einer der besten Kenner der Ansiedlungsgeschichte. Der zweite Band behandelt die Zeit von 1806 bis 1918, in der die Donauschwaben insgesamt zum Königreich Ungarn der Habsburger Monarchie gehörten. Er ist schon vor mehreren Jah - ren im Universitas-Verlag, München, herausgebracht worden. Die Verfasser sind Dr. Ingomar Senz, Deggendorf, Universitätsprofessor em. Dr. Friedrich Gottas, Salzburg und Rudolf Fath, Stuttgart. Der dritte Band erschien 2010 im Verlag der Kulturstiftung und behandelt die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und die Jahre des II. Weltkriegs. Er thematisiert die Selbstbehauptung der Donauschwaben in den „Nachfolgestaaten” der Donaumonarchie zwischen 1918 und 1944, die man mit Fug und Recht als Tragödie bezeichnen darf. Sein Hauptautor ist Dr. Georg Wildmann, wobei ihm Oskar Feldtänzer und Friedrich Spiegel-Schmidt zur Seite standen. Dieser Band vereint unter seinem Oberbegriff „Donau - schwa ben” die Ungarndeutschen, die Banater Schwaben Rumä - niens und die Jugoslawiendeutschen. Da die drei Gruppen eine jeweils eigene Entwicklung eingeschlagen haben, war eine ge - trennte Behandlung der Volksgruppen notwendig. Es ging um eine quellengestützte Information über ihre Geschichte in der Zwischenkriegszeit. Der behandelte Zeitraum war vom Natio - nalismus der Staatsnationen, von wenig minderheitenfreundlicher Politik, vom Auftreten nationalfaschistischer Regierungsparteien und von der Einflussnahme des Nationalsozialismus und seiner Machthaber auf die Volksgruppen geprägt. Die Tragödie der Donauschwaben führt sich zu einem guten Teil auf die Tatsache zurück, dass ihre „völkischen” Bestrebungen (nach damaligem Ver ständnis: Bestrebungen zur Wahrung der historisch gewachse- nen Identität und der Muttersprache) von den neuen Staaten, die nach dem Ersten Weltkrieg entstanden waren, nicht gewürdigt oder falsch interpretiert wurden. Der vierte Band ist vor Kurzem ausgeliefert worden und um - fasst 726 Seiten. Er bringt die reale Tragödie der Donauschwaben zur Darstellung. Das Buch trägt den Titel: Flucht – Vertreibung – Verfolgung – Genozid. Der Leidensweg ab 1944. Es behandelt unsere Geschichte ab Herbst 1944 nach den Schwerpunkten, die der Titel angibt. Die gesamte Geschichte der Ungarndeutschen von 1944 bis heute verdanken wir Landsmann Georg Krix, Budaörs. Er war Chefredak - teur des „Sonntagsblatts”, das von der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft, Budapest, herausgegeben wird. Er hat die Geschichte der Ungarn - deutschen ab 1944 aus dem Geist der Jakob-Bleyer-Bewegung ge - schrieben und zahlreiche politische Texte beigefügt. Er bringt eine große Anzahl von Gesetzesbestimmungen und Redetexten. Die Ver - treibung in Form der „Aussi edlung” und Abschiebung nach Deutsch - land betraf 220 000 Ungarndeutsche und muss nach heutigen Maßstäben als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen wer- den. Der Teil der Geschichte der Banater Schwaben Rumäniens stammt von Dr. Maria Werthan, Lehrerin in Deutschland und seit Kurzem auch Vorsitzende der Frauen des Bundes der Vertrie - benen in Deutschland. Auch sie behandelt die Dinge von 1944 bis in die Gegenwart, wobei die wesentlichen Ereignisse, wie etwa die Deportation in die Sowjetunion Anfang 1945 markant hervorge- hoben werden. Im Anhang findet sich ein Sonderbericht über die Baragan-Deportation von 1951 mit Fotos von Wilhelm Weber, der selbst mit Familie betroffen war. Ein Sonderbericht von Hans Fink über die Schulsituation von 1945 bis 1991 und eine sehr brauchbare reiche Literatursammlung beschließen den Rumä - nien teil. Der Jugoslawienteil stammt von Dr. Georg Wildmann unter Zuhilfenahme von Herbert Prokle. Die gelenkte und die wilde Flucht eines Teils der Donauschwaben aus den Gebieten, die ih - nen 250 Jahre Heimat waren in Richtung der damaligen Reichs - gebiete: rund 200 000 aus den jugoslawischen Gebieten, 36 000 aus Rumänien und 30 000 aus Ungarn per Eisenbahn oder mit ihren eigenen Pferdewagen. Die Gründe des Gelingens und Misslingens der Flucht analysiert Georg Wildmann. Magdalena Kopp-Kru - mes, der wir vom Arbeitskreis Dokumentation die Zeichnung zahlreicher farbiger Landkarten verdanken, hat im Anhang eine anschauliche Schilderung der Flucht der Batschkadeutschen bei- getragen. Das Buch bemüht sich auch um die Erfassung jener Ursachen der Tragödie, die im Nationalcharakter und der Ideologie der Verfolger zu suchen sind. Es wird daher auch nach dem serbischen Volks-Mythos gefragt. Aus ihm lassen sich viele Vorgänge besser verstehen: die Kampfziele der Tschetniken und Partisanen und die blutige Verfolgung, die Enteignung, Exekutionen und Lagerinter - nierungen im vormaligen Jugoslawien der Zeitgeschichte. Die Dar stellung ist dem Zweck verpflichtet, viele Details aus Er - lebnisberichten zur Kenntnis zu bringen. Ohne deren mosaikarti- gen Zusammenfügungen zu Gesamtbildern wären beispielsweise die Vernichtungs- und Todeslager in Jugoslawien in ihrer grausa- men Realität nicht nachvollziehbar geblieben. Es gibt geschichtli- che Fakten, an die man sich nicht gewöhnen darf, die keinen Rückzug in die bloße Statistik dulden. Ein ganzes Kapitel bemüht sich um den Nachweis, dass an den Jugoslawiendeutschen ein Völkermord verübt wurde. Der Teil über die Schwaben in Jugoslawien endet im Buch prak- tisch mit der Auflösung der Lager 1948 und muss daher im fünf- ten Band fortgeführt werden. Wenn man unsere Tragödie mora- lisch und völkerrechtlich beurteilt, muss man sagen: Das Schicksal (Fortsetzung auf Seite 10) 9