Versprechungen an Prag waren nur Mittel .* 23 ) Genauso war es auch in Ungarn , wo die Interessen der Großmächte und die drängende Bodenfrage sowie das Minderheitenproblem aneinander trafen : Für die Regierung war es gegeben Sündenböcke zu suchen und zu finden . Man kann also sehen , dass gerade deswegen nicht der Rassenschutz die Entrechtung motiviert hat , sondern ausschließlich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen . Trotzdem liegt Weidlein falsch , wenn sie meint , dass die neugegründete Tildy-Regierung dieses Ziel vor Augen hatte . Damals wollten die Sozialdemokraten wie auch die Kleinlandwirte die Aussiedlung verhindern , die Nationale Bauernpartei und die Kommunistische Partei waren aber der Meinung , dass die Aussiedlung vollständig stattfinden muss . In der Debatte des Kabinetts am 22 . Dezember 1945 haben Auslandsminister János Gyöngyösi , die Kleinlandwirte und die Sozialdemokraten die Aussiedlung nur als eine Möglichkeit wahrgenommen . Trotzdem hat die Regierung dem Prinzip der Kollektivschuld zugestimmt . István Bibö sah darin das Ebenbild der ungarischen Judengesetze und deswegen trifft die Schuld auf jeden Fall die ungarische Regierung .
Freudlose Madjarenwerdung
„ Die Brutalität der Maßnahmen verringerte sich zwar über die Jahrzehnte hin ganz wesentlich , aber das Ziel der Einschmelzung der Deutschen in das Madjarentum wurde bis heute nicht aufgegeben ”, schreibt die Autorin , nachdem sie die Assimilierungstendenzen in Ungarn Ende des 19 . mit den Anfang des 20 . Jahrhunderts verglichen hat . Das ist aber ein lächerlicher Vergleich . Es ist wahr , dass die jeweiligen ungarischen Regierungen viel für jene Nationalitäten tun müssten , denen in der Mitte des 20 . Jahrhunderts Entrechtung zuteil wurde , dennoch verbiegt ein solcher Kontext die Realität . Weidlein schreibt weiter : „ Die Ungarndeutschen , die noch 1941 zu 86,8 % Bauern gewesen waren , mussten nach Enteignung und Zersiedlung entweder zu untergeordneten ländlichen Berufen wechseln , z . B . als Knechte und Mägde der madjarischen Neusiedler aus der Slowakei , oder sie mussten in handwerkliche oder industrielle Berufe ausweichen .”
Dieser Satz ist bezeichnend dafür , dass dessen Autorin unfähig ist , den ethnischen Rahmen zu verlassen . Zählt es nicht , dass Ende der 1940er Jahre ein neues politisches und gesellschaftliches Modell entstanden ist , das wir kommunistische Diktatur nennen ? Weiß es die Autorin nicht , dass dies der bäuerlichen Gesellschaftsform , dem religiösen Leben und der Gesellschaftsordnung grundsätzlich ein Ende bereitet hat ? Hat die Autorin schon einmal darüber gelesen , dass in dessen Rahmen mehrere tausend Menschen in die Städte und Fabriken gedrängt wurden ? Hat die Autorin je vom Land des Eisens und Stahls gehört ?* 24 )
Weidleins Ansichten über die Erodierung der schwäbischen Kultur sind aber markig und enthalten sie trotz ihrer extremen Tonart viel Wahres . Die ausstellungsartigen Stammtischveranstaltungen , der Verlust der kulturellen und sprachlichen Bindungen waren / sind in den letzten Jahrzehnten alamierende Zeichen . Aber auch hier gibt es viele Verzerrungen : „ Deutsch als kulturvermittelnde Sprache blieb verpönt ”, schreibt die Autorin , die wahrscheinlich nicht weiß , dass bis circa 2005 die erste Fremdsprache in den Grundschulen in Ungarn Deutsch war .* 25 ) Auch hinsichtlich der sprachunterrichtenden Schulen begeht das Schriftstück Fehler , denn neben den aufgezählten Schulen haben mehrere Gymnasien in den Fünfzigern Nationalitätenklassenzüge eingerichtet ( zum Beispiel das Klára-Leőwey-Gymnasium in Fünfkirchen 1956 ).
„ Noch gegen Ende der 80er Jahre war es ein riskantes Unterfangen , die Reste der ungamdeutschen mündlich tradierten Kulturgüter auch nur aufzeichnen zu wollen .”
Das ist ebenfalls eine falsche Aussage , denn dagegen steht das Lebenswerk von Katharina Wild , Claus Hutterer und Karl Manherz , die sich seit Anfang der 60er Jahre mit dem ungarländischen Deutschtum beschäftigt haben . Letzteren erwähnt auch Weidlein in den Schlussgedanken ihres Aufsatzes , deshalb versteht man die Verallgemeinerung nicht , die von einer beschränkten Sichtweise zeugt . „(...) Diese » deutschen « Schulen haben den gleichen Lehrplan wie die ungarischen ( madjarischen ), die hier verwendeten Lehrbücher enthalten nicht einmal Verweise auf die Leistungen , mit denen das Deutschtum des Landes der Kultur und Entwicklung des Landes beigetragen hat .” Weidlein hat in diesem Abschnitt zum Teil Recht , aber es gibt viele Fortbildungsmöglichkeiten und intellektuelle Werkstätte , wo die Nationalitätenpädagogen neue und neue Ansätze erhalten , damit sich diese Situation verändert . Eine solche Werkstatt ist der Lehrstuhl für Deutsche Geschichte an der Universität zu Fünfkirchen .* 26 )
„ Als Folklore schrumpft die Völkskultur zur bloßen Unterhaltung und verliert ihre Kraft , Identität zu verleihen ”, meint die Autorin . Anscheinend hat Weidlein Recht , aber seien wir mal ehrlich , das ist kein schwäbisches Spezifikum . Heutzutage werden Volkstanz und Volkskultur überall zu Vergnügungszwecken gepflegt . Die Volkstracht der Tschangomadjaren und der Sekler nennen langsam mehr Menschen als ihr Eigen als es die zahlenmäßige Stärke der Volksgruppen rechtfertigen würde . Die Folkore hat sich heute bereits in der Mehrheitsbevölkerung zu einem Exotikum zusammengeschrumpft und die Traditionen leben als Ausdruck von Kitsch weiter und nicht als geistiges Konstrukt des Alltags . Weidlein teilt auch dem Nationalitätengesetz aus : „ Zwar wurden Minderheitenselbstverwaltungen errichtet , aber diese werden nicht nur von Angehörigen der jeweiligen Minderheit bestellt , sondern sie werden von der Gesamtbevölkerung gewählt . Auch haben sie keinerlei politisches Gewicht , da sie keine Vertreter ins Parlament entsenden dürfen .” Sie fügt nicht mehr hinzu , dass man eben deswegen das Gesetz 2006 verändert hat , so muss man sich vor der Wahl registrieren lassen , nominiert und gewählt werden können nur aktive Vereinsmitglieder und 2014 - nach langen Jahren - wird es für die Schwaben möglich , einen eigenen Vertreter ins ungarische Parlament zu wählen .
Die Volksbund-Frage
Die größte Verzerrung in Weidleins Studie stellt das Reinwaschen von Franz Anton Basch dar , den sie in dem Aufsatz nur Anton Basch nennt : „ Die Zerstörung des Selbstwertgefühls dieser Volksgruppe war auch das tiefste Motiv für den schreiend ungerechten Schauprozess , aufgrund dessen ein ungarischer Volksgerichtshof den Völksgruppenführer Dr . Anton Basch als Kriegsverbrecher zum Tod verurteilte und ihn am 26 . April 1946 in Budapest hinrichten ließ . Bis heute wird dieser Tod als eine stellvertretende Sühne und damit als ein Eingeständnis von Schuld verstanden .”
Weidlein umgeht es mit einem frappanten narrativen Sprung , zuzugeben , dass Basch Leiter des Völksbunds in Ungarn war . Diese Organisation und deren Leiter waren offen nationalsozialistisch und sie trifft eine große Verantwortung hinsichtlich der Durchführung der SS-Zwangsrekrutierung 1944 , in deren Rahmen auch aus Schaumar mehrere Dutzend Menschen von der deutschen Armee auf die Front verschleppt wurden , von denen nur diejenigen zurückkehren konnten , die Fahnenflucht begangen haben . Die gewalttätige Vorgehensweise des Volksbunds in Schaumar belegen zahlreiche veröffentlichte Schriften * 27 ) und Erinnerungen * 28 ). Es ist zweifelhaft , ob eine Studie , die das Reinwaschen seines Leiters zum Ziel gesetzt hat , überhaupt Teil einer Vertreibungsgedenkenfeier werden konnte . Ich glaube nicht , dass
( Fortsetzung auf Seite 10 )
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