Erzählung : die Verantwortung des Historikers
Die grundlegende Aufgabe des Historikers ist , dass er sich bemühen soll , die Geschichte objektiv zu vermitteln . Natürlich ist dieses Unternehmen kaum möglich , da der Historiker auch nur ein Mensch mit Emotionen seiner Zeit ist , aber seine Bemühung um Objektivität ist ein Muss . Gerade deswegen ist bei der Gestaltung einer historischen Arbeit die Wahl der Formulierung und der Erzählweise grundlegend * 1 ). Für die Leser , die sich für Geschichte interessieren , ist die Debatte vom vorigen Jahr zwischen András Gero und Ignác Romsics sicher noch bekannt . In dieser Auseinandersetzung wurde Romsics wegen einer misslungenen wissenschaftlichen Aussage als Antisemit bezeichnet . Gero meinte , dass in dieser Aussage Judenfeindlichkeit dekodiert war , da Romsics den Anteil der Kommissare jüdischer Herkunft in der Räterepublik auf 70-75 % geschätzt hat . Romsics ’ Formulierung und das Texrumfeld waren wirklich unglücklich gewählt , aber Gero arbeitet auch mit ähnlichen narrativen Zweideutigkeiten und deshalb var seine Kritik unprofessionell * 2 ).
Die Studie von Gerda M . Weidlein enthält aber nicht nur ein paar verfehlte Äußerungen , sondern wimmelt einfach von Verzerrungen und tberdimensionalisierungen . Trotzdem macht sie auch auf echte Probleme aufmerksam , deshalb könnte man sie als einen politischen E > say auffassen . Sie schreibt keine Geschichte , sondern sie wällt die einzelnen chronologischen Elemente der Geschichte ais , stellt sie nebeneinander und somit versucht sie ihre eigene H / pothese zu bestätigen .
Die Komplexität der Geschichte bringt es manchmal mit sich , dass ein Ereijnis aus mehreren Motivationen heraus angetrieben wird . Die Vetreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg waren in ganz Osteunpa charakteristisch . Das Vordringen der Roten Armee , die Riehe von diversen Nationen ( Polen , Tschechien ) sowie das Expmsionsbestreben der Sowjetunion waren die Indikatoren , die lie Entrechtung der Deutschen generiert haben .* 3 ) Diese allgemeine osteuropäische Absicht traf auf das ordnungspolitische Proilcm der ungarischen Führung , die „ ausgesiedelten ” ( slowakischen ), vertriebenen ( Sekler ) oder „ bodenlosen ” Madjaren ( Tagelöhner von der Großen Tiefebene ) zum Vermögen zu verhelfen .* 4 ) Earn it können wir also behaupten , dass wenn Gerda Weidlein eine verantwortungsvolle Historikerin wäre , dann hätte sie den Verlaif der Entrechtung in einen universalgeschichtlichen Kontext eingordnet ( von der Wolga bis zum Sudetenland ). Dann hätte es sich auch herausgestellt , dass ( ganz im Gegenteil zu Weidleins Ariéit ) die Vergeltungsaktionen schon viel früher angefangen haben so dass auch ihre Schlussfolgerungen in Zweifel gezogen werdrn könnten .
Narrative dir schuldigen Ungarn / Madjaren
Schon der Aiftakt der Arbeit stellt die Ungam / Madjaren als Sündenbücke dar : „ Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Ungarn zu den einzigen Staat , der es trotz seines bis 1944 bestehenden Bündiisses mit dem Deutschen Reich unternahm , seine deutschstämmge Minderheit als Volksgruppe zu zerstören .” Weidleins Fomulierung ist falsch , als sie die Ungarn / Madjaren , den ganzen ungarischen Staat für „ schuldig ” erklärt . Die von Josef Tiso geführte Jerofaschistische Slowakei hatte zwar eine größere Widerstandsbiwegung ( Benes und der slowakische Aufstand ) als Ungarn , aber tie deutsche Besatzung der Slowakei wütete genauso wie die in Ungarn , und es mangelte auch nicht an Kollaborateuren . Trotzcem verhandelten die für die Reorganisation Zuständigem im Dezember 1943 mit den Sowjets über die Vertreibung deir Deuschen . Benes sprach in seiner Rundfunkansprache vom 16 . Eebiur 1945 über „ die » Endlösung « von Deutschen und Madjarem ”* 5 ). vhnlich ging es auch dem Regime des Rumänen
Antonescu . Die Diktatur der Eisernen Garde konnte man zwar hinter sich lassen , aber Rumänien fing umgehend mit der Liquidierung seiner Minderheiten an * 6 ), was auch die Ermordung von mehreren Dutzend Seklem ( durch die Maniu-Garden ) möglich gemacht hat . Neben Rumänien wollte auch Jugoslawien kein einziges Wort über internationales Recht und dessen Foren hören und deswegen hat er seinen Deutschen ohne jene Gesetzgebung den Laufpass gegeben . Einige kamen gerade nach Ungarn . Man könnte noch weitere Beispiele nennen , aber der Punkt ist und bleibt , dass Ungarns autarke Rolle in dieser Form der Darstellung als sehr einseitig erscheint .
„ Keine der zu diesem Zweck ergriffenen Maßnahmen ist aus sich selbst heraus verständlich , denn alle waren vor dem Krieg schon gedanklich vorbereitet , teilweise sogar auch eingeleitet ”, schreibt Weidlein über die Vertreibung . Man kann nicht genau wissen , was die Autorin damit wohl sagen möchte . Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg gab es auch deutschfeindliche Offenbarungen , angefangen mit Gyula Illyés * 7 ) bis Endre Bajcsy-Zsilinszky . Obendrein kam noch der Abgeordnete der Kleinlandwirte ( nebenbei auch Pfarrer ), Béla Varga , der schon im Jahre 1942 gesagt hat , dass sich die Deutschen offenbaren sollen oder mit ihrer Bündel verschwinden sollen . 1939 begrüßte Horthy den Vorschlag von Hitler , dass er die Schwaben aussiedeln würde . Horthy reagierte hier auf den Plan „ Heim ins Reich ” des Führers . Historische Forschungen sollten hier bestätigen , dass Horthys Kommentare ( als Absichtserklärung ) über die Aussiedlung * 8 ) eine vollständige Vertreibung befürwortet hätten . Aus Horthys Briefen kann man entnehmen , dass er am meisten die zu Deutschland treuen Schwaben , also die Völksbundmitglieder aussiedeln wollte . Hitler hatte schon seit langer Zeit die Umsiedlung der Volksdeutschen in die Urheimat geplant , aber dies wurde nur im Kreise der Deutschen von Bessarabien und der Bukowina angekündigt . Zu dieser Zeit hat Stalin schon mit der Liquidierung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen angefangen (!), was auch als Anfang der Entrechtungen aus sowjetischen Interessen betrachtet werden kann . Ungefähr 1,2 Millionen Deutsche wurden seit August 1941 deportiert . Ministerpräsident Miklós Kállay hat schon nach seiner Rückkehr aus Berlin im Jahre 1942 die Aussiedlung der Ungarndeutschen ( nach dem Weltkrieg ) als Tatsache verkündet . Der Sozialdemokrat Károly Peyer erklärte , dass das Nationalitätenproblem aus zwei Komponenten besteht : Die eine kann man mit Demokratie , die andere mit Waggons lösen . Diese Vertreibungsabsichten waren parallel zu der nationalsozialistischen Propaganda und die meisten waren nur Meinungsäußerungen , hatten aber nichts mit der konkreten Politik zu tun .
Gerda Weidlein meint aber die Artikel , die von ihrem Vater * 9 ) zusammengestellt wurden .* 10 ) Johann Weidlein , der die Dokumentation von Bonn * 11 ) kritisierte , hat sein Band 1958 zusammengestellt . Die Historiker sind sich nicht einig über das Schaffenswerk von Weidlein , aber es besteht kein Zweifel daran , dass der Leitfaden ( oder das Leitmotiv ) bei der Thematik seines Buches und bei der Auswahl seiner Artikel das Gefühl des Beleidigtseins war ( en ).* 12 ) Sein historisches Wirken kann man folgendermaßen zusammenfassen : „ Seine Werke , die das Ziel haben die Ungerechtigkeit der Vertreibung der Deutschen zu beweisen - trotz der hilfreichen Banalitäten - , mangeln in den meisten Fällen an wissenschaftlichen Begründungen und klingen sehr emotional .”* 13 )
Es wäre auch gut zu wissen , wie Weidlein auf die Folgerung kam , dass Horthy die Grundstücke an der Grenze in die Hände der treuen Ungarn / Madjaren legen wollte . Diese Behauptung bezieht sich auf einen Gesetzesentwurf aus dem Jahre 1931 . Weidlein fährt fort mit der Malenkij Robot ( die Zwangsarbeit ),
( Fortsetzung auf Seite 8 )
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