Vorabdruck des historischen Romans von Nelu B . Ebinger :
LOVE STORY IN BUDAPEST
Der Volksgrappenführer und die Jüdin *
0 . ZUM GELEIT Dies ist die Liebesgeschiche des ungarndeutschen Volksgruppenführers Franz Anton Basch und der jüdischen Fotokünstlerin Klara Spieler in Budapest in den Wirren der 1930er und 40er Jahre , geprägt von Nationalismus , Revisionismus und Fremdenhass auf der einen und vom Kampf um Minderheitenrechte auf der anderen Seite . In diese Zeit fällt die verbotene Liebe zwischen zwei autonomen Menschen unterschiedlicher Herkunft , für deren Beziehung die politischen , ideologischen und vor allem rassischen Hindernisse jener Epoche nicht im Wege stehen konnten .
Der am 27 . März 1946 von einem ungarischen Volksgericht zum Tode verurteilte Basch zieht in seiner letzten Nacht kurz vor der Hinrichtung am 26 . April 1946 die Bilanz seines ereignisreichen Lebens . Es sind dies die letzten Stunden im Leben eines Mannes , dessen Schicksal und Werdegang vom ewigen Hin und Her zwischen zwei grundverschiedenen Welten gekennzeichnet waren .
Geboren am 13 . Juli 1901 in Zürich als Sohn eines Banater Handwerkers aus Hatzfeld ( ung . Zsombolya , rum . Jimbolia ) und einer Schweizer Bürgertochter , verbrachte er seine Kindheit in der kleinen Heimatstadt seines Vaters im damals zum Ungarischen Königreich der K . u . K . Monarchie gehörigen , von verschiedenen Volksgruppen bewohnten Banat . In dem Heidestädtchen Hatzfeld wohnten Anfang des 20 . Jahrhunderts Deutsche , Ungarn , Rumänen , Juden und Serben in friedlicher
Eintracht nebeneinander , oft auch miteinander , selten aber auch gegeneinander . Heute könnte man von einer multiethnischen Gesellschaft im damaligen Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn - von manchen als „ Kerker ”, von anderen als „ mustergültig ” apostrophiert - sprechen .
In diesem Milieu wuchs der kleine Toni Basch zweisprachig auf : in der Familiensprache Deutsch und in der Schul- und Staatssprache Ungarisch . 1907 wurde nämlich durch den Erlass des Kultusministers Graf Apponyi das Ungarische als Schulsprache im ganzen Land eingeführt . Zu Hause deutsch , in der Schule aber ungarisch-nationalistisch erzogen , wurde er schon von Kind auf mit zwei unterschiedlichen Identitäten konfrontiert .
Im Gegensatz zum ländlichen Banat kam in der gleichen Zeit ( 1906 ) in der mondänen Weltstadt Budapest Klara Spieler als Tochter einer jüdischen Bürgerfamilie zur Welt . Budapest war damals die aufstrebende Hauptstadt des ungarischen Königreichs von vielen Zuwanderern verschiedener Nationalität und Religion bewohnt , wo , ähnlich wie in dem von sozialen Konflikten heimgesuchten Wien , die Wehen des bevorstehenden Ersten Weltkrieges schon zu spüren waren . Budapest befand sich aber noch nicht in dem von Brigitte Hamann in ihrem Buch „ Hitlers Wien ” beschriebenen kritischen Zustand , der einige Jahre später nicht nur die Monarchie , sondern auch ganz Europa in Brand stecken sollte .
1901 - das Jahr der Geburt , 1946 - das Jahr der Hinrichtung . Und was dazwischen liegt , rollt nun vor unseren Augen wie ein tragischer Film in den Erinnerungen der beiden Geliebten , Toni und Klara .
* Dieser Roman beruht auf historischen Tatsachen , laut der . Akten des Volksgerichtsprozesse gegen Franz Anton Basch ” ( hrsg . von Gerhard Seewann und Norbert Spannenberger , R . Oldenbourg Verlag München , 1999 ), der Dissertation von Norbert Spannenberger : „ Der Volksbund der Deutschen in Ungarn 1938 — 1944 unter Horthy und Hitler ” ( R . Oldenbourg Verlag München , 2002 ), der „ Akten der Historikertagung über den Volksbund der Deutschen in Ungarn 1938-1945 ” ( hrsg . von Nelu Bradean-Ebinger , Jakob Bleyer Gemeinschaft Budapest , 2007 ) und der „ Akten der Historikertagung zum Verhältnis von Ungarndeutschen und Juden in Ungarn ” ( hrsg . von Nelu Bradean-Ebinger , Jakob Bleyer Gemeinschaft Budapest , 2008 ).
11 . EPILOG Am Abend vor seiner Hinrichtung , die für den nächsten Morgen geplant war , erschien Klara Spieler im Gefängnis , um Abschied zu nehmen . Toni kam in schwarzem Anzug mit einer Bibel in der Hand in den Besucherraum . Beide standen sich minutenlang schweigend gegenüber , ohne ein Wort aus der Kehle herauszubringen . Wie versteinert von dem bevorstehenden Ereignis . Vor ihren Augen rollten die vergangenen fünfzehn Jahre ihrer innigen Beziehung wie ein Film ohne Happy End . Plötzlich räusperte sich der Wachmann als Zeichen , dass die fünf Minuten Sprechzeit vorbei waren , was die beiden je aus dem Traum in die Wirklichkeit zurückführte . Toni nahm seine deutschsprachige Bibel hervor , riss das erste Blatt heraus und überreichte es Klara zum Abschied .
Am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrüh wurde das Todesurteil an Basch vollstreckt . Ein Inhaftierter , der zufällig Augenzeuge der Hinrichtung wurde , beschrieb den Vorgang wie folgt :
„ Am 26 . April 1946 wurde ich vom Gefängnis des Pester Landgerichtes , zwecks Verhörs durch den Staatsanwalt , in die Zelle Nr . 2 , des so genannten » kleinen Gefängnisses « in der Markö-Gasse in Budapest gebracht . Aus dieser Zelle Nr . 2 , die sich im Erdgeschoss befindet , kann man den ganzen Hinrichtungshof überblicken . Dieser Hinrichtungshof wird einerseits von dem Gebäude des » kleinen Gefängnisses «, von drei anderen Seiten vom Gebäude der Staatsanwaltschaft bzw . des Gerichtes umschlossen . Im Hof standen unmittelbar vor dem halbkreisförmigen Vorsprung des Gefängnisgebäudes zwei Galgen . Als ich zum Fenster hinaussah , bemerkte ich , wie zwei Sträflinge neben den beiden Galgen zwei etwa eineinhalb Meter lange Pflöcke in die Erde rammten und zwischen diesen einen Wall von Sandsäcken einrichteten . Ich erkundigte mich bei den Zellinsassen , was denn die beiden dort im Hof eigentlich arbeiten . Die Antwort lautete : » Morgen , Samstag , den 26 . April 1946 , um 7 Uhr früh , wird Dr . Basch erschossen .« - Die beiden Sträflinge hatten ihre Arbeit bald beendet und kehrten in unsere Zelle Nr . 2 zurück . Der eine von ihnen fluchte und murrte , da die Sandsäcke zuerst nicht gut aufgeschichtet waren und dem Sträfling beim Heruntergleiten derselben beinahe das Bein brachen . Am Samstagmorgen besetzte eine starke Polizeitruppe den » Hinrichtungshof « und zog eine Sperrlinie im Viereck vor den Sandsäcken . Dann wurde das Hoftor geöffnet . Durch dieses flutete ein geifernder , schreiender Menschenhaufen herein und besetzte den ganzen Hof . Ebenso wurden alle Fenster des Gerichtsgebäudes von Leuten dicht besetzt , die alle die Hinrichtung sehen wollten . Kurz nach 7 Uhr wurde durch die kleine Tür der Verurteilte in den Hof geführt . Seine Hände waren gefesselt . Kopfbedeckung trug er keine und er hatte einen schwarzen Anzug an . Auf den Bruchteil einer Sekunde wurde im Hof alles still , dann schrie eine Fistelstimme : » Väterlandsverräter , niederträchtiger Schwabenkönig , pfui ....«, dann setzte das infernalische Gebrüll der Meute ein : » Vaterlandsverräter , zu den Aasen mit dir !« Dr . Basch schritt schweigend , würdevoll durch die Menge vor die Sandsäcke . Hier wurden ihm von seinen Wächtern , jämmerlich aussehenden , mit Karabinern bewaffneten , in Zivillumpen gehüllten , typischen Revolutionsgestalten , die Hände auf dem Rücken und zugleich die Augen verbunden . Der Führer der Rotte , ein Hauptmann der Justizsoldaten , gebot dem Verurteilten : » knien !«. Dr . Basch kniete nieder . Vier Soldaten traten ganz nah vor ihn hin . Zwei der Gewehre richteten sich auf die Stirne , zwei auf die Brust . Die Mündungen waren kaum eine Handspanne vom Leibe des knienden Verurteilten entfernt , nach abwärts gerichtet , so etwa wie man einen Hund erschießt . Das
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