Sonntagsblatt 4/2011 | Page 6

Im Sonntagsblatt Nr . 212011 haben wir in Aussicht gestellt , dass wir über Entwicklung der Schulfrage bzw . der Lage der deutschen Schulbildung in Ungarn ab 1956 berichten werden . Dies soll auch in naher Zukunft geschehen , jedoch halten wir es als empfehlenswert , vorher noch die Situation während der Zeit Jakob Bleyers , bzw . die Stellungnahmen Jakob Bleyers zur damaligen Entwicklung der Schulfrage uns vor Augen zu führen . Dies zu unserer eigenen Information und auch als Beispiel ! Lehre für die heutigen Gestalter der ungarndeutschen Schulpolitik .
Bleyer als Schöpfer und Lehrer der deutschen Bewegung in Ungarn
Jakob Bleyer und die deutsche Schulfrage in Ungarn
Nach dem ersten Weltkrieg legte das ungarländische Deutschtum ein beredtes Zeugnis seines neu erwachenden Volksbewusstseins bei der Volkszählung von 1921 ab ; es bekannten sich nämlich auf dem Land um 15 431 Menschen mehr zum Deutschtum als 1910 . Dies war umso erstaunlicher , als infolge der Kriegsverluste und des damit verbundenen allgemeinen Geburtenrückganges die sonstige Bevölkerungszunahme sehr gering blieb . Sie betrug in Rumpfungam nur 272 172 Personen . Während sich also die Gesamtbevölkerung von 1910 bis 1920 um 0,75 Prozent vermehrte , nahm die deutsche Landbevölkerung um 3,7 Prozent zu . Die Erklärung dafür fand selbst das Ungarische Statistische Landesamt darin , dass der Erste Weltkrieg das deutsche Nationalbewusstsein auch in solchen Orten erweckt habe , wo es im Aussterben gewesen war . Es handelte sich um Deutsche , die zu ihrem Volkstum zurückgefunden hatten . ( Eine Sünde in den Augen madjarischer Nationalisten ! - die Red .) Es mehrten sich die Beschwerden und Proteste seitens der Ungamdeutschen hinsichtlich der miserablen Bildungslage . Die Gesetze aus der Revolutionszeit waren beseitigt , die Bleyer ’ sche Sprachverordnung wurde nie durchgeführt . Viele Landsleute waren infolge der mangelnden deutschen Sprachbildung nicht in der Lage das zu dieser Zeit erschienene Sonntagsblatt zu lesen . ( Schon vor 90 Jahren ! - die Red .)
Mit Rücksicht auf diese Zustände und nicht zuletzt aus außenpolitischen Überlegungen entschloss sich Ministerpräsident Bethlen zur Regelung der Schulfrage . Er erließ eine neue Sprachverordnung ( Zahl 4800 / 1923 ), die „ Verordnung über die Durchführung der im Trianoner Friedensvertrag hinsichtlich des Schutzes der Minderheiten übernommene Verpflichtungen ”. In der Einleitung wurde die Gültigkeit des Nationalitätengesetzes von 1868 und der Bleyer ’ schen Verordnung von 1919 , ausdrücklich anerkannt . (!!! -die Red .) Die Sprachenrechte waren in 24 Paragraphen zusammengefasst . In den beiden ersten wurde die bürgerliche und politische Gleichberechtigung aller ungarischen Staatsbürger sowie der freie Gebrauch der Muttersprache im Privatleben , im Geschäftsverkehr , in der Kirche , Presse und öffentlichen Versammlungen festgelegt . Die §§ 13-14 regelten die Anwendung der Muttersprache in der Gemeinde , im Komitat und bei den staatlichen Behörden . Wichtig für die kulturelle Entwicklung des Deutschtums war § 19 , der die Gründung von Vereinen zur Förderung von Sprache und Kultur unter staatlicher Aufsicht gestattete . Die größte Bedeutung kam dem § 18 zu , der anordnete , dass in Gemeinden , wo die Zahl zu einer Sprachminderheit gehörigen Schulpflichtigen 40 erreiche oder die Mehrheit der Bevölkerung einer nationalen Gruppe angehöre , auf Wunsch der örtlichen Schul- oder der autonomen Verwaltungsorgane oder der Eltern von 40 zur sprachlichen Minderheit gehörigen Kindern , in den staatlichen und kommunalen Volksbildungsanstalten die Muttersprache der betreffenden Nationalität in einer entsprechenden Anzahl von Klassen ganz oder zum Teil als Unterrichtssprache zu verwenden sei . ( Damals waren jedoch die meisten „ Elementarschulenin deutschen Gemeinden - in kirchlicher Verwaltung ! - die Red .)
Die zur Entscheidung berechtigten konnten zwischen drei Schultypen wählen : Typ A , B und C , wie dies bereits öfters beschrieben wurde .
Der Religionsunterricht musste bei allen drei Schultypen in der Muttersprache erteilt werden . Zur Wahl eines Schultyps hatte der zuständige Schulstuhl die Eltern zu einer Versammlung einzuberufen , in der der Vorsitzendende des Schulstuhls präsidierte . Die Eltern gaben ihre Willensäußerung ab , die durch die lokalen Schulbehörden und die autonomen Verwaltungsorgane über den königlichen Schulinspektor dem Kultus- und Unterrichtsminister zuging .
Mehrseitiger Druck richtete sich gegen die im Gesetz vorgeschriebene Eltemkonferenz , die besonders von Jakob Bleyer stark betont abgelehnt wurde , da die Teilnehmer einer Konferenz „ maßgeblich beeinflusst werden können ”. Bleyer verlangte , dass die Statistik der Volkszählung als Grundlage für die Bestimmung des Schultyps genommen werden solle . Bleyer bezjeichnete den Typus A als einwandfrei , B als das allermindeste , was man gewähren müsse , C als absolut unannehmbar . Bleyer betonte auch , beim sprachlichen Unterricht gehe es hauptsächlich um eine erzieherische Frage , in einer gemischtsprachigen Schule wird jederzeit die Staatssprache dominieren und dementsprechend wird auch die Erziehung einseitig , für die deutschen Kinder „ volksfremd ” sein .
Die Verordnung von 1923 leitete , allen Erwartungen zuwider , keine Wende ein . Ihrer Durchführung setzte der Chauvinismus der Lokalbehörden und besonders der Lehrerschaft und Geistlichkeit großen Widerstand entgegen , ja , er vereitelte sie im Allgemeinen vollständig .
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DAS FETTGEDRUCKTE war maßgebend für die damalige Zeit - und es ist ( sollte sein ) maßgebend auch für heute .
Wir sagen heute : Der ehemalige Schultyp C , den man heute „ Nationalitätenschule ” nennt , in welcher die deutsche ( Mutter ?) Sprache in wöchentlich 3-5 Stunden unterrichtet wird , ist ( wie es Bleyer ausdrückte ) absolut unannehmbar !
Der Schultyp B , den man heute als „ bilingual ” oder eben „ zweisprachig ” apostrophiert ist für das Ungarndeutschtum „ das allermindeste , was man gewähren müsse ”, aber ... „ für deutsche Kinder volksfremd ” ( wie schon Bleyer sagte ).
Den Schultyp A - also voll deutschsprachiger Unterricht ! - gibt es heute in Ungarn ( als Nationalitätenschule ) nicht ! Doch eben dieser ist notwendig !
Zusammenfassend kann festgestellt werden , dass das Ungamdeutschtum heute keine deutsche Schule hat ! Diese Aussage wird - von maßgebenden Stellen - oftmals bezweifelt . Warum wohl ? Warum will man sich mit dem zufriedengeben , was schon vor mehr als achtzig Jahren unannehmbar war . Warum will man das Unannehmbare flicken / verbessem , wobei man wissen muss , dass daraus niemals etwas Gutes entstehen wird . Wozu auf dieser von jeher verurteilten Basis Leitbilder für die Zukunft basteln ? Warum nicht den schon von Bleyer gesponnenen Faden aufnehmen , verfeinern , der Zeit anpassen , - und damit ein brauchbares Bild schaffen !? Wiederholung :
Dies zur Information und auch als Beispiel / Lehre für die heutigen Gestalter der ungamdeutschen Schulpolitik .
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