Sonntagsblatt 4/2011 | Page 4

Nationalität angibt , dann ist er an erster Stelle Ungar ( richtiger : Magyaré .)
Wenn die Ergebnisse positiv ausfallen , dann die deutsche Minderheit mehr Rechte und finanzielle Unterstützung bekommen . Deshalb bietet die Volkszählung im Oktober 2011 eine einmalige Möglichkeit für die in Ungarn lebenden Minderheiten , darunter der deutschen Minderheit . Es liegt in unserem Interesse , dass wir an der Volkszählung teilnehmen , sich zur deutschen Nationalität in Ungarn bekennen und zuverlässige , gute Ergebnisse erzielen .
Kathi Gajdos-Frank
Die Karpatendeutschen in der Slowakei stellen sich die Frage :
Wo stehen wir ? Wer sind wir ?
Wer heute eine Zeitung aufschlägt , das Fernsehen oder Radio einschaltet , findet vor allem Berichte über gesetzliche Regelungen von Rechten der Minderheiten . Wie wir alle wissen , geht es in allen diesen Polemiken um die ungarisch sprechenden Bürger dieses Landes , die Ursache heftiger Diskussionen ist und beiderseits Köpfe erhitzt , um eine Minderheit , die vehement auf ihre Rechte pocht , da sie doch die größte und bedeutendste Minderheit des Landes darstellt . Die Lösung dieser Probleme liegt aber vor allem in den Händen ihrer parlamentarischen Vertreter ... Dann ist sehr oft die Rede von der Minderheit der Roma , die unsere Regierung vor große Probleme stellt . Die anderen nationalen Minderheiten stehen dabei oft am Rande und ganz besonders die schon seit langem als „ zufriedene ” oder bessergesagt als „ schweigend ” bezeichnete deutsche Minderheit mit der ich mich in dieser Betrachtung besonders befassen möchte .
Es ist bezeichnend wie unlängst in den Medien mit einiger Genugtuung erwähnt wurde , dass es in unserem Land nunmehr einen ( oder mehrere ?) Orte gibt , wo sich zweisprachige Ortstafeln erübrigen , da doch in diesen nur noch einige zehn deutsche Bewohner zu finden sind . Was die jetzige Volkszählung bringt ist hier auch nicht ausschlaggebend . Wer die bisherigen Volkszählungen betrachtet , kann sich ein Bild von der Bedeutung der deutschen Bevölkerung in der Slowakei machen . Die Zahlen zeigen den riesigen Schwund des Anteils der deutschen Bevölkerung in den Nachkriegsjahren .
Was ist aber die Ursache , dass eine Volksgruppe , die seit Jahrhunderten maßgeblich am kulturellen und wirtschaftlichen Aufbau dieses Landes beteiligt war , einfach aus diesem verschwindet ? Ist die Vertreibung der Karpatendeutschen begründet mit einer heute bereits weltweit als unmenschlich bezeichneten „ Kollektivschuld ”, die Brandmarkung der „ bösen Deutschen ” die in unserem Lande den Menschen seit 1945 pausenlos eingepaukt wurde um die Ausweisung von Zehntausenden Menschen aus ihrer Heimat zu rechtfertigen ? Einer
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Vertreibung , die diesen Menschen viel Leid und Not brachte und deren Einbürgerung in ihrer neuen Heimat mit vielen persönlichen Schwierigkeiten und seelischen Belastungen verbunden war . Es ist erfreulich , dass diese Vertreibung nunmehr auch von den Regierungsstellen bedauert , und auch eine Entschuldigung ausgesprochen wurde .
Mit dem sprichwörtlichen Fleiß , der Ausdauer und Anpassungsfähigkeit der Karpatendeutschen ist es ihnen gelungen sich in ihrer neuen Heimat zu integrieren und Anerkennung zu finden . Dabei war es von großer Bedeutung , dass sie in ein Land kamen , das ihre Sprache sprach , wo es für die Vertriebenen Arbeit , für ihre Kinder Schulen gab , man sich auf der Straße in seiner Muttersprache verständigen konnte . So konnten sie ihre Identität bewahren . Und noch eine Sache war in ihrer Situation ausschlaggebend - es fanden sich mutige Menschen , die ihr , und auch das Schicksal ihrer Landsleute mit so manchen Hilfsaktionen , wie Familienzusammenführung , Hilfe für Arbeitssuchende und vieles mehr in die Hände nahmen . Wir kennen die Tätigkeit der Institutionen der kirchlichen Organisationen . Es entstand ein riesiges Gemeinschaftsgefühl , das unsere vertriebenen Landsleute verband und das bis heute noch besteht .
Wie war es mit den Daheimgebliebenen , die aus irgendwelchen Gründen aus dem Sieb der Vertreibung gefallen sind ? Es ist zu bemerken , dass die Enteignungen von Eigentum , Verlust von Arbeitsplätzen , Wohnungen , alle ausnahmslos betroffen haben . So standen die Hiergebliebenen vor dem Nichts , waren rechtlos , es wurde ihnen die Staatsbürgerschaft aberkannt . Es gab viele , die auch die Landessprache nicht perfekt beherrschten und dafür jahrelang vielen Schikanen ausgesetzt waren , was bei so manchen psychische Schäden hinterlassen hat .
Kinder , die bis dahin eine deutsche Schule besucht haben , mussten sich von einem Tag auf den anderen auf Slowakisch umstellen . Deutsch durfte öffentlich nicht gesprochen werden . Die geschockte , verängstigte deutschsprachige Bevölkerung musste sich anpassen , ihre Muttersprache vergessen ....
Es ist verständlich , dass die Karpatendeutschen in der Slowakei im Jahr 1989 die „ Samtene Revolution ” mit Erleichterung und besonders mit großen Erwartungen begrüßten . Man freute sich vor allem , dass mit diesen Änderungen endlich auch eine bessere Zeit für ' diese , so geplagte , deutsche Minderheit kommt . Wir konnten wieder kulturell in Erscheinung treten , der Karpatendeutsche Verein in der Slowakei wurde gegründet , Verbindungen mit unseren vertriebenen Landsleuten , Verwandten und Freunden , die bisher untersagt , oder mindestens unter großen Schikanen gestattet wurden , konnten erneuert werden . Viel Ermunterung kam von der Karpatendeutschen Landsmannschaft aus der Bundesrepublik Deutschland und Österreich , die Unterstützung von Deutschland ermöglichten einen großen Aufschwung . In jeder Region wurden Begegnungsstätten eröffnet , die für die deutsche Bevölkerung bis heute Orte des Zusammentreffens sind , wo man mit Freunden in seiner Muttersprache sprechen kann , wo wieder die alten deutschen Volkslieder erklingen . Diese Häuser werden von vielen Landsleuten gerne besucht , sind uns zur lieben Heimat geworden , sie sind richtige Häuser der Begegnung , was die vielen Besuche unserer Landsleute aus dem In- und Ausland beweisen . Hier findet man Stunden der Ermutigung und Festigung unserer Gemeinschaft .
Nach langen Verhandlungen mit dem Slowakischen Unterrichtsministerium konnten für die deutsche Minderheit in jeder Region Schulen mit erweitertem Deutschunterricht geschaffen werden . In Pressburg sind es zwei Schulen , mit welchen der Karpatendeutsche Verein auch heute zusammenarbeitet . Aber genügt das ? Es ist zu sagen , dass der Deutschunterricht , wenn er von den Pädagogen auch noch so gründlich und gewissenhaft durchgeführt wird , für die Kinder „ Fremdsprache ” ist . Der Begriff „ Muttersprache ” geht somit weitgehend verloren .
Dazu kommt auch noch , dass die Kinder in gemischten Ehen aufwachsen und aus Rücksichtnahme auf den Ehepartner in der Familie auf die deutsche Sprache verzichtet wird . Auch wirtschaftliche Faktoren spielen in dieser Hinsicht eine große Rolle Die Identität einer sprachlichen Minderheit ist eine sehr komplizierte , zerbrechliche Sache , die von vielen Faktoren abhängig ist . Sie reagiert auf ihr rechtliches , wirtschaftliches , gesellschaftliches und kulturelles Umfeld und kann durch Anpassung und Assimilation sehr bald zer-
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