Sonntagsblatt 4/2011 | Page 12

Liebe Leser , unsere Serie Aus der Geschichte der Ungarndeutschen - Zeitdokumente - setzen wir mit nachstehendem Beitrag fort . Dabei geht es um einen neuen Anlauf in der Unterstützung Deutschlands für die Deutschen in den Aussiedlungsländem , insbesondere für die Deutschen in Ungarn . Den Bericht entnahmen wir im vollen Wortlaut der Ausgabe der Neuen Zeitung INZI vom 31 . August 1991 , Nummer 35 .
Mehr Hilfe aus Deutschland
Minderheiten-Forum im Bonner Bundeshaus
„ Unsere Deutschen in den Aussiedlungsgebieten sollen wissen , dass wir für sie da sind , wenn sie unsere Hilfe brauchen . Zu dieser Hilfe verpflichtet uns das gemeinsame Schicksal ”.
Das betonte der Bundesinnenminister Dr . Wolfgang Schäuble am vorigen Donnerstag im Bonner Bundeshaus in einem Forum mit Vertretern deutscher Minderheiten in Osteuropa und der Sowjetunion sowie bundesdeutscher Mittlerorganisationen .
Eingeladen hatten namens der CDU / CSU-Bundestagsfraktion die beiden Mitglieder des Bundestages , Johannes Gerster , Vorsitzender der Arbeitsgruppe Inneres und innenpolitischer Sprecher der Fraktion , sowie Hartmut Koschyk , Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen- und Flüchtlingsabgeordneten der Fraktion . Mitveranstalter war der Verein für das Deutschtum im Ausland .
Berichte erstatteten Leiter von Organisationen der Deutschen in Polen , Rumänien , der Sowjetunion , der Tschechoslowakei und Ungarn . Unsere Volksgruppe war durch den geschäftsführenden Vorsitzenden des Verbandes der Ungamdeutschen , Géza Hambuch , vertreten .
Zugegen waren außer Zuständigen des Auswärtigen Amtes führende Mitarbeiter von rund 40 Mittlerorganisationen , die bei der Durchführung von Maßnahmen zur Unterstützung des Auslandsdeutschtums mitwirken .
Verantwortung fürs Auslandsdeutschtum
Wir werden unsere Verantwortung für die Deutschen in den Aussiedlungsgebieten , die viel - und stellvertretend für uns - erdulden mussten , weiterhin voll wahmehmen , unterstrich Schäuble . Die Politik der Bundesrepublik bleibe klar und eindeutig : Die Bundesregierung tragende Koalition habe vereinbart , dass der Artikel 118 des Grundgesetzes , in dem auch die Verantwortung für die Deutschen im Osten zum Ausdruck kommt , nicht geändert wird .
Den Deutschen solle vor allem dort geholfen werden , wo sie leben . Wer sich dennoch für die Aussiedlung nach Deutschland entscheide , werde Hilfe bei der Aufnahme und Eingliederung finden . Die Entscheidung zu bleiben oder zu gehen , müsse ein jeder selber treffen . Er halte es für verantwortungslos , wenn bundesdeutsche Politiker immer wieder fordern , deutschen Aussiedlem den Weg nach Deutschland zu sperren . Die Zahl der Aussiedler habe sich übrigens gegenüber dem Voijahreszeitraum um mehr als die Hälfte verringert .
Die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung werden im Wesentlichen vom Bundesinnenministerium und vom Auswärtigen Amt durchgeführt . Das Auswärtige Amt werde verstärkt die Sprachund Kulturpflege unterstützen .
Dem Innenministerium obliegen Maßnahmen sozialen , gemeinschaftsfördemden , wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Charakters . Die Hilfe solle sich nach den Wünschen der Betroffenen richten und auf Dauer angelegt sein - betonte Minister Schäuble .
Hilfe für Bleiben und Fortbestand Géza Hambuch bedankte sich für die bisherige Hilfe Deutsch-
12 lands , schilderte in seinem Beitrag die Lage , die Vorhaben und die Beziehungen unserer Volksgruppe zu Deutschland .
Die grundlegenden Voraussetzungen für unseren Fortbestand der ungamdeutschen Volksgruppe , für die Rückgewinnung der Muttersprache und die Festigung der Identität - betonte er - müssen natürlich vor allem in Ungarn geschaffen werden . Von der deutschen Volksgruppe und der Mehrheitsnation . Die Ungamdeutschen kommen aber auch ohne eine erhöhte Unterstützung aus Deutschland nicht aus . In dem demnächst zu verabschiedenden Vertrag zwischen Ungarn und der Bundesrepublik sollen unbedingt auch die Anliegen der deutschen Minderheit angemessen berücksichtigt und ihre Vermittlerrolle verankert werden . Der Verband sei gern bereit , diesbezüglich Vorschläge zu unterbreiten . Deutschland solle mithelfen , den Ungarndeutschen gute Perspektiven für den Weiterbestand , für das Bleiben in der angestammten Heimat zu bieten . Infolge der Entwicklung in beiden Ländern sowie in Europa bietet sich jetzt eine günstige Gelegenheit dazu , die - ähnlich wie seinerzeit die Chance für die Wiedervereinigung Deutschlands - unbedingt genutzt werden müsse .
Die Ungamdeutschen erhoffen sich bedeutend mehr Stipendien für eine Teil- und Vollausbildung von Jugendlichen an bundesdeutschen Lehranstalten , für die berufliche und sprachliche Weiterbildung , weitere Gastlehrer , Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland , Unterstützung für die ungamdeutschen Medien , für die Entfaltung der Infrastruktur in deutschbewohnten Siedlungen , für die Errichtung und Einrichtung von zahlreichen Begegnungsstätten ähnlich wie das Fünfkirchner Lenau-Haus und nicht zuletzt für das Gedeihen kommunaler , kultureller Partnerschaften , die Einrichtung privater Kleinbetriebe und die Entfaltung wirtschaftlicher Zusammenarbeit .
Es müsse nicht immer nur an materielle Unterstützung gedacht werden . Geholfen werden kann auch durch eine wesentlich umfangreichere , wahrheitsgetreue Informierung der bundesdeutschen Öffentlichkeit , durch das pure Interesse für das Ungamdeutschtum oder durch Unterstützung für eine baldige Verabschiedung einer europäischen Volksgruppencharta . Besonders wichtig seien die menschlichen Kontakte . Überhaupt brauchen die Deutschen das Gefühl , vom Mutterland nicht alleine gelassen , vergessen zu sein - unterstrich der geschäftsführende Vorsitzende .
Durch die kommunalen und kulturellen Partnerschaften , die menschlichen Kontakte , die vielseitige Zusammenarbeit könne man sich gegenseitig bereichern , können die Deutschen ihre Vermittlerrolle - auch europaweit - wahmehmen .
Neue Hoffnung
Géza Hambuch führte am Rande der Expertenanhörung Gespräche mit Zuständigen im Innenministerium , sowie mit Ministerialrat Manfred Meissner und dem Leiter des Minderheitenreferats Rolf Gossman , dem anwesenden Vertreter des Deutschen Caritas-Verbandes , Wallfried Herr und in München mit dem Bundesgeschäftsführer der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn , Heinrich Reitinger . Dabei ging es um die praktische Abwicklung von Hilfsmaßnahmen , über die die NZ laufend berichten wird .
„ Ich bin durchaus mit positiven Eindrücken , mit der Hoffnung und Überzeugung heimgekehrt , dass Deutschland uns , die wir ja in vieler Hinsicht Bahnbrecher waren in der Entfaltung der Beziehungen des osteuropäischen Deutschtums zu Deutschland , künftig spürend kräftiger unter die Arme greifen wird ” sagte Géza Hambuch der NZ gegenüber .
-jk-
Und wie ging ’ s weiter ? Das sollen Sie in der nächsten Nummer unserer Zeitung erfahren .
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