Sonntagsblatt 3/2025 | Page 5

Mutter: zunächst als Staatssekretärin für Familienangelegenheiten, dann als Familienministerin und schließlich als Staatspräsidentin. Abseits der Fachpolitik trugen die Kinderwagen auch eine starke ideologische Botschaft: Ungarn lehne die massenhafte, mit gesellschaftlichen Spannungen verbundene illegale Migration als europäische Antwort auf den Bevölkerungsrückgang ebenso ab wie das von George Soros und seinen Organisationen promotete Modell der offenen Gesellschaft; stattdessen soll das Karpatenbecken mit einheimischen ungarischen Kindern „ bevölkert” werden. Die Ergebnisse vor und während der Covid-Zeit bestätigten diese Bestrebungen: Die zuvor bei 1,23 liegende Rate( Tiefpunkt 2011) stieg bis 2021 auf 1,59 an. Das für die Reproduktion notwendige Niveau von 2,1 wurde zwar weiterhin nicht erreicht, doch der Vormarsch in diese Richtung hatte zweifellos begonnen: Im Jahr 2011 wurden 88.000 Geburten verzeichnet, 2019 hingegen bereits 93.000. Ebenso stieg die Zahl der Eheschließungen an: Der steinige Weg zum Erfolg wurde also sichtbar geebnet.
Zu Beginn der 2020er Jahre wendete sich die Weltgeschichte, aber auch das Rad der ungarischen Geschichte stark: Die erste globale Pandemie, ein neuer großangelegter Krieg in Europa, die fortschreitende globale Erwärmung sowie die Digitalisierungsrevolution und weitere gesellschaftliche und innenpolitische Veränderungen in Ungarn brachen den positiven Trend der ungarischen Demographie. Ab 2021 begann die Geburtenrate erneut zu sinken, so sehr, dass sie im Jahr 2024 bei einem Wert von 1,38 lag. Derzeit( 2024 – 25) verweisen ungarische Demographen unter Berufung auf die monatlichen Daten des Statistischen Landesamtes( KSH) auf diesen Wert und tragen das blutige Schwert im Lande von Ödenburg bis Debrezin: in Bezug auf die Fertilität fällt ein Negativrekord nach dem anderen. Im vergangenen Jahr 2024 wurden seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1949 die wenigsten Kinder geboren, nämlich rund 77,5 Tausend. Es sei aber erwähnt, dass Ungarn damit im Mittelfeld liegt, verglichen mit anderen Ländern, in denen der Rückgang teils noch deutlich stärker ausfällt. Es tritt an uns also die Frage heran: Was ging schief?
Zunächst einmal tickte diese Zeitbombe bereits seit der Wende in der ungarischen Gesellschaft und es war nur eine Frage der Zeit, bis die noch weitgehend während des Staatssozialismus geborenen gebärfähigen Frauen biologisch nicht mehr in der Lage sein würden, weitere Kinder zu bekommen. Seit Covid verlassen diese Frauen langsam die Kreißsäle, doch an ihre Stelle rücken bei weitem nicht so viele junge Frauen nach: nicht die späten Xler( Generation X) bzw. die Millennials, erst recht nicht die Abbilder von Eva der frühen Z-Generation. Neben den demografischen Gegebenheiten verwandeln sich die bei Theben / Dévény eindringenden Fertilitätsbremsen der Globalisierung ebenfalls in Existenzangst- die zuvor erwähnte Seuchennot, der russischukrainische Krieg und die Ungarische Tiefebene heimsuchende globale Erwärmung stellen den Kinderwunsch der Ungarn hinten an. Eine weitere Antwort auf die Frage ist im veränderten Charakter des westlichen Menschen zu suchen. Die gemeinschaftlichen Bindungen des heutigen europäisch-abendländischen Bewohners des „ globalen Dorfes” lösen sich zunehmend auf. Gründe dafür sind der gesellschaftspolitisch weniger kontrollierte Kapitalismus und die durch die Digitalisierung geförderte Vereinsamung und Individualisierung.
So neigt der Mensch von 2025 dazu, den Gedanken zu hegen, dass Familie und Kindersegen für die Selbstverwirklichung nicht notwendig seien. Leider gibt es weitere „ Hungarika” des Rückfalls: Dazu gehört die im europäischen Vergleich rekordverdächtige ungarische Inflation der Jahre 2022 / 23 und die damit einhergehende wirtschaftliche Rezession. Wenn sich die Wirtschaft als holprig erweist, leiden daran auch das Sozialversorgungssystem, das Gesundheitswesen und die Bildung. Das sind ebenfalls keine Merkmale einer sicheren, kinderfreundlichen Umgebung, sondern weitere Pushfaktoren für die Kinderlosigkeit und die Abwanderung gen Westen. Ein anderer Schlag traf das personalisierte Symbol der Familienpolitik im Feber 2024, als das Gesicht des Programms, Staatspräsidentin Katalin Novák, infolge eines Begnadigungsskandals von ihrem Amt zurücktrat.
Steht man auf patriotischem, christlich-konservativem Boden, ist es leicht anzuerkennen, dass die Ziele eines „ Familienfreundlichen Ungarn” zweifellos einem edlen Zweck dienten und dienen. Sowohl in der Dreifaltigkeit von Gott – Heimat – Familie als auch in der gemeinschaftlichen Identitätsreihe Familie – Nationalität – Nation – Europa-Abendland ist die Sicherung der Familie- früher mit ihrem germanisch-altdeutschen Namen als „ Hausvolk” oder „ Haus” bezeichnet- die Voraussetzung für das Bestehen der übrigen Elemente( außer Gott) unserer Weltanschauung. Von daher möge man sich als konstruktiver, mit der Idee sympathisierender Mitdenker einige mögliche Lösungsvorschläge vorstellen, damit die vorherigen Ergebnisse erneut erzielt werden können. Zuallererst bedürfte eine „ Kinderkrankheit” Reformen, die zugleich eine Schwachstelle des Programms darstellte. Dabei handelt es sich um die Seite des Unterstützungssystems, das vor allem auf die( zumeist
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