Sonntagsblatt 3/2025 | Page 3

„ Gott schaute in seinen Garten und sah einen freien Platz. Dann schaute er zur Erde hinunter und sah dein müdes Gesicht. Er sah dein Leiden, er sah deine Schmerzen. Er sah, dass dein Weg schwer wurde, dass er zu schwer war, weiterzugehen. Er schloss deine müden Augen und schenkte dir seinen Frieden. Er legte seinen Arm um deine Schulternund hob dich empor zur Ruhe.”
( Autor unbekannt)
Von Richard Guth
Moment des Abschieds
Ein Vierteljahrhundert ist eine lange Zeit. Insbesondere, wenn sie von enger Zusammenarbeit geprägt ist bzw. war. Ich habe noch in heller Erinnerung, als mir Ende der 90er Georg als aktiver Entwicklungsingenieur Anfang 50 vorgestellt wurde: Eingeführt von einem anderen Georg, der heuer seinen 97. Geburtstag feiert und sein Vorgänger im Amt des Vereinsvorsitzenden und SB-Schriftleiters war.
Georg war nie ein Mann der schrillen Töne, er tat sich auch sichtlich schwer mit dem Schwingen großer Reden – dafür war er ein Mann, auf den man zählen konnte. Fest im Glauben und entschlossen, die deutsche Sache voranzutreiben. Geboren in Deutschbohl ging er nach Budapest, wo er Ingenieurswesen studierte und eine Familie mit vier Kindern gründete. Sein Weg führte ihn mit Ehefrau Maria nach Deutschland, ehe er nach Ungarn zurückkehrte und jahrzehntelang als erfolgreicher Entwicklungsingenieur arbeitete.
Als Vertreter eines technischen Berufs war er stets ein Pragmatiker, der sich durch Tun und nicht Reden hervorgetan hat. Trotz 25 Jahre Zusammenarbeit habe ich deshalb recht wenig über den Menschen Georg Kramm erfahren. Dennoch gab es Momente, wo er sich öffnete und über Vergangenes berichtete. So auch über seinen tiefen Glauben und seine Verbundheit mit nicht systemkonformen kirchlichen Gruppierungen während des Sozialismus. Da fielen Namen und Begriffe wie Beton atya( der Spitzname des vormaligen Bischofs von Kaposvár, Béla Balás) oder Bokor bázisközösség( Basisgemeinschaft).
Dass er seine Frau und Kinder über alles liebte, war ihm anzusehen. Deswegen war der frühe Unfalltod eines seiner Söhne wahrscheinlich ein Trauma, was ein Vater nie verarbeiten kann. Trotzdem schreitete Georg weiter voran und engagierte sich auch im Verein mit festen Prinzipien, aber stets freundlich und aufgeschlossen fürs Neue. Auch im Kreise auslandsdeutscher Gemeinschaften genoss er Respekt und Anerkennung.
Die Nachricht von der tödlichen Krankheit traf ihn im reifen Großvateralter. Seine stoische Ruhe und Bescheidenheit in schwierigen Zeiten habe ich dabei stets bewundert. Dies tat er im Bewusstsein, dass der Kampf wahrscheinlich nicht zu gewinnen sein wird. Auch in den letzten Wochen standen Familie und Vereinsangelegenheiten im Mittelpunkt seines Interesses. Ende August rief ihn Gott, der Allmächtige zu sich.
Georg, ruhe in Frieden!
Mit schwerem Herzen haben wir Abschied genommen Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Am 8. September fand die Beerdigung unseres Vereinsvorsitzenden, Georg Kramm, statt. Für mich war es selbstverständlich, nicht nur als Mitglied der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft, sondern auch als Privatperson an diesem traurigen Ereignis teilzunehmen. Mit Georg habe ich acht Jahre lang Seite an Seite gearbeitet. Für mich bedeutete das beinahe ein Viertel meines bisherigen Lebens.
Ein paar leichte Wolken zogen an diesem sonnigen Tag über den Großturwaller Friedhof hinweg. Als wir ankamen, bereitete sich der Chor Cantabile mit einer letzten Probe vor der Kapelle auf seinen Auftritt vor. Auch für die Sängerinnen und Sänger war es ein Tag des Abschieds von einer prägenden Persönlichkeit ihres Vereins.
Die hohe Zahl der Trauergäste zeigte, wie viele Menschen ihm verbunden waren und ihn auf seiner letzten Reise begleiten wollten. Der Chor sang auf Deutsch, und ein alter Freund verabschiedete sich in ungarischer Sprache. In seiner Rede hob er hervor, dass das erste Wort, das vielen Bekannten zu Herrn Kramm einfiel, „ Schwabe“ war. Auch wir im Verein können das nur bestätigen: Das Schicksal unserer Volksgruppe lag ihm zutiefst am Herzen.
Der Priester sprach Worte des Trostes und versuchte, das Unfassbare zu deuten: Welchen Sinn unser irdisches Leben hat, wenn es eines Tages in der uns vertrauten Form zu Ende geht. Auf dem Weg zum vorbereiteten Grab riefen wir unsere Erinnerungen an die gemeinsame Zeit wach. Und als wir schließlich am Grabe standen und die Zweige von Rosmarin in die Erde fielen, wurde uns klar: Unsere Zusammenarbeit für die Zukunft des Ungarndeutschtums war mit ihm zu Ende gegangen.
Wie es auch in der Trauerrede gesagt wurde: Herr Kramm wollte nie gepriesen werden. Über die deutsche Sprache sagte er einmal, man solle sie nicht beweinen, sondern sprechen. Wie wahr dieser Satz klingt, gerade in diesen Tagen.
Ein beispielhaftes Leben, von dem man lernen kann, was es heißt, still im Hintergrund, aber mit voller Entschlossenheit für eine Sache einzustehen. Bis zuletzt lagen die Vereinsdokumente ordentlich auf seinem Schreibtisch – ein stilles Zeugnis seines Pflichtbewusstseins und seiner Hingabe.
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