IN UNSE SPROCH KSOCHT
BESTIMMT SCHON AUFGEFALLEN :
Das Sonntagsblatt führte die ungarndeutsche Dialektrubrik „ In unse Sproch ksocht ” ein
Von Stefan Pleyer
Bei uns in Ungarn befinden sich vor allem die ungarndeutschen Dialekte in einer äußerst gefährdeten Lage : Wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden , werden in einigen Jahrzehnten die schwäbischen Zungen den endgültigen „ Mundtod “ finden . Eine der Rettungsmethoden sei die regelmäßig geübte Online-Präsenz der ungarndeutschsprachigen Kommunikation . Das ist die neben dem Hochdeutschen geführte Wiederbelebung des allgemeinen schwäbisch-heanzischen Sprachgebrauchs , um die Vielfalt unserer historischen Dialekte zunächst im Netz wiederherzustellen . Diesem noblen und aber auch waghalsigen Vorhaben gewidmet führten wir in der vorletzten Print-Ausgabe des Sonntagsblattes die ungarndeutschsprachige Dialektrubrik „ In unse Sproch ksocht ” ein .
SoNNTAGSBLATT
„ In ihrer Sprache lebt die Nation ” - lautet die vielzitierte , aber nicht weniger wahrhaftige Maxime vom „ größten Ungarn ”, István Graf Széchenyi . Fürwahr und ausgesprochen in unserem Zeitalter muss sich die existenzielle Integrität der Sprachen mit zahllosen Herausforderungen auseinandersetzen . Als goldene Regel der Linguistik gilt die Maxime , dass der Wandel der Sprachen ein natürliches Phänomen ist : Der Devise „ mutandis mutatis ” nach passen sie sich den immer verändernden gesellschaftlichen Verhältnissen an , um das Ausdrucksvermögen der alltäglichen menschlichen Kommunikation sicherstellen zu können . Unter den zeitgenössischen Gefahrenquellen finden wir zuallererst den raschen Vormarsch der technischen Revolution , das zweischneidige Schwert unserer ( post- ) modernen Welt : Es gibt die Vorherrschaft der die Abkürzungen mit Vorliebe verwendenden „ SMS- oder Chatsprache ”. Die sozialen Medien stützen sich auf Marketingtechniken , die mit minimalen kommerziellen Botschaften operieren . Außerdem erlebt nicht zuletzt die Künstliche Intelligenz ( KI ) ihren eigenen Aufwind . Nun ist die Moderne bereit , das Zepter des „ Neusprechs ” an sich zu reißen . Im Zuge der derartigen Vereinfachung werden die großen historischen altehrwürdigen Zungen in das sprachliche Armenhaus verbannt . Ohne eine „ Lingua Franca ”, eine gemeinsame Sprache , fallen die die meisten Bereiche der die Gesellschaft beeinflussenden Globalisierung in ihre Asche . Gleichwohl erfüllt Englisch die Funktion der „ Lingua Franca ” in hohem bzw . im höchsten Maße und pfeift auf die göttliche Mahnung aus dem Buche Hiob „ bis hierher darfst du und nicht weiter !” Englisch hält weiter einen sturen Einzug auch in die Vokabulare anderer Sprachen , siehe die Denglisch-Frage !
Während einige tatkräftige Sprachwärter für die Igelstellungen der großen Standardsprachen plädieren , nehmen andere Akteure wie Sprachwissenschaftler oder Vereine die Dialekte in Schutz . Vor 500 Jahren begann aber ein ähnlicher Prozess in den deutschen Landen wie heute : Mit der Reformation schlug das damals mit der Kraft eines sprachlichen Meisterkonstrukts wirkende Hochdeutsch seinen Weg ein , eine gemeinsame , gegenseitig verständliche Sprache aller Deutschen zu werden . Beim permanenten Raumgewinn fühlten sich die regionalen Varietäten des Deutschen äußerst bedroht wie die Hansesprache , das Niederdeutsche oder das von den nordwestlichen deutschen Calvinisten gepflegte Niederfränkische ( Niederländische ) um Kleve , geschweige denn das Jesuitendeutsch , die oberdeutsche Schriftsprache .
Seitdem wird der ewige Windmühlenkampf der Dialekte ums eigentliche Lebensrecht gefochten . Die oben geschilderten Entwicklungen ( technologische Revolution , Globalisierung , Denglisch ) erleichtern die Sache auch nicht . Vor zwei Jahren , 2022 wurde eine landesweite Forschung der Universität Tübingen zu Baden-Württemberg geführt , die herausfand , dass nur 11-15 Prozent der Schüler der Grundschulklassen 1-2 einen Dialekt beherrschen ; bundesweit mag diese Zahl noch drastischer sein , wenn wir die sprachlichen Tendenzen der Großstädte anschauen . Trotz allem sor-
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