EINSICHTEN-ANSICHTEN
GROSSES VERMÄCHTNIS
Vor 20 Jahren ist der große Ungarndeutsche Johann Wolfart sen . von uns gegangen / Gedenkveranstaltung bot Gelegenheit für Weggefährten zum Austausch
Von Richard Guth
Der Tod kam Anfang Juni plötzlich , stand doch Johann Wolfart sen . „ noch mitten im Leben ”, wie sich sein Sohn Johann jun . erinnert . Ich musste damals die traurige Nachricht überbringen . Wir , Johann und ich , sind uns auf dem Campus der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf , wo wir beide studierten , nie zuvor begegnet , an diesem Tag kam er mir auf der weißen Unibrücke entgegen . „ Mein Vater war ein wichtiger Bezugspunkt , er rief mich jeden Tag an . Er stand mitten im Leben und war voller Pläne und Vorstellungen ”, so der Sohn zwanzig Jahre später im Sonntagsblatt-Gespräch .
Man beging den Todestag mit einer Gedenkveranstaltung im Haus der Ungarndeutschen ( HdU ). Die Witwe von Johann Wolfart sen . Maria Wolfart-Stang , führte das Publikum in den legendären Dokumentarfilm Wolfarts „ Hát annak születtem …” über die Sathmarer Schwaben aus dem Jahre 1983 ein . Der Film geht der Frage nach , ob Identität ohne Sprache möglich sei , worauf der Zuschauer ganz unterschiedliche Antworten erhält . Im Anschluss an die Filmvorführung unterhielten sich unter der Leitung vom Langzeitweggefährten und NZ-Chefredakteur Johann Schuth die ehemalige Kollegin Martha Stangl , Nachfolgerin Eva Gerner und Freund Árpád Hetényi-Hergenröder sowie Diplomatenkollege Gregor Prőhle über das Lebenswerk des in Ketsching / Görcsönydoboka geborenen Ungarndeutschen . Ziel der deutschsprachigen Veranstaltung sei es auch gewesen , die alten Weggefährten zusammenzubringen . Denn wer weiß , ob es in 20 Jahren möglich wäre . Dabei war die Veranstaltung von Sohn Johann jun . „ keine traurige Angelegenheit , wir haben ihn aufleben lassen , zumal er ja ein fröhlicher Mensch war ”.
Denn Wolfarts Vermächtnis ist groß : Er sei , so sein Sohn , vielen Tätigkeiten nachgegangen und habe immer mit der deutschen Sprache zu tun gehabt genauso wie mit den deutsch-ungarischen Beziehungen und den ungarndeutschen Themen . Angefangen hat der ausgebildete Lehrer beim Ungarischen Rundfunk ( Radio , dann „ Unser Bildschirm “, dessen erster Redakteur
22 er war ), engagierte sich schnell beim Deutschen Verband und stieß zahlreiche Partnerschaften an , war Vorsitzender des Minderheitenamtes , hatte großen Anteil an der Entstehung des Minderheitengesetzes von 1993 und der Schaffung des Selbstverwaltungssystems . Später diente er als Diplomat ( u . a . als Gesandter in Bonn ) und zuletzt als Ministerialbeauftragter für den Wiederaufbau des Collegium Hungaricum in Berlin .
Johann Wolfart sen . war dabei ein richtiger Gemeinschaftsmensch und lernte viele kennen , die sich später in der Gemeinschaft einen Namen gemacht haben - nicht zuletzt dank der Gründung des Deutschclubs in Fünfkirchen in den 1970er Jahren : Zu ihnen gehören Otto Heinek , Ibolya Hock-Englender oder Eva Gerner . Aber auch Mitarbeiter aus seinem Fernsehteam machten Karriere : Der in den Westen emigrierte Kameramann und Emmy-Preisträger György Lajtai oder der aus Bawaz / Babarc stammende Georg Hoffmann , der für bekannte Fernsehleute der Nachwendezeit wie Sándor Friderikusz oder László Juszt gearbeitet hat . Hoffmann war in der Veranstaltung anwesend .
Auch sein Heimatdorf Ketsching hält die Erinnerung an den Mundartsprecher wach : 2006 wurde eine Gedenkstube eingerichtet .
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