REISENOTIZEN ( 14 )
REISENOTIZEN ( 14 )
PIRANO
Von Richard Guth
( Juli 2023 ) Durch buchstäblich blühende Landschaften führt der Weg aus Italien diesmal in die Hafenstadt Pirano / Piran an der slowenischen Adriaküste . Es hat viel in den letzten Wochen geregnet und das ging auch nicht spurlos an der Vegetation vorbei : im Gegensatz zum gewöhnlichen Einheitsgelb - ein Zeichen der sommerlichen Trockenheit - herrscht allseits Grün . Piran / Pirano steht akkurat auf dem Ortsschild und dieses Bild begleitet den Reisenden eigentlich von der Grenzstadt Muggia bis Piran , der wohl schönsten Hafenstadt Sloweniens .
Aber nicht nur das Ortsschild ist zweisprachig , sondern ziemlich alles : Straßenschilder , Aufschriften auf den Geschäften oder eben amtliche Bekanntmachungen . Ich will etwas mehr darüber erfahren , vor allem , ob der Schein trügt oder in diesem Falle Bilingualität tatsächlich eine gelebte Realität darstellt .
Kein einfaches Unterfangen ! Denn auf der einen Seite ein lautstarker Sechsjähriger , dem überhaupt nicht nach einem Spaziergang im venezianisch geprägten Pirano zumute ist , auf der anderen Seite Anwohner , die dank internationaler Zeichensprache ihren Unwillen bekunden , mit dem Fremden zu kommunizieren , zumal sich seine Slowenischkenntnisse auf „ Dobre dan ” beschränken ! Inmitten des Geschehens Touristen aus aller Herren Länder , unter ihnen sind viele aus Ungarn , die wohl kaum über den italienischen Charakter des Ortes erzählen können . Heute halten sich ohnehin viele in der
SoNNTAGSBLATT
Stadt auf , es herrscht nach den Stürmen der Nacht und des Vormittags optimales Ausflugswetter .
Aber dann treffe ich doch einen , der in einem Kunsthandel der Altstadt arbeitet , ein - wie er sagt - Einheimischer unter all den Zugezogenen und Ferienhausbesitzern , die sich nur zeitweise in Piran aufhalten . Der Mann in seinen Dreißigern erzählt , dass es früher fast nur Italiener gewesen seien , die dem malerischen Ort mit italienischer Vergangenheit einen Besuch abstatteten . Heute sei es ein Mix aus vielen Nationen . Er selbst wundere sich selbst über die Zweisprachigkeit und kann sich deren Funktion nicht recht erklären . Dann doch noch , er meint , Italienisch gehöre zum Ort . Die Jugend würde die Sprache in den Schulen erlernen - viermal pro Woche . Ohnehin seien die Beziehungen zum Nachbarland sehr eng . Der Verkäufer , dunkle Haare , dunkle Augen und freundliches Gesicht , meint , die italienische Gemeinschaft von Pirano sei hingegen sehr klein .
Und wie ein Wunder treffe ich in einer Apotheke einen , der sich zu dieser kleinen Volksgruppe zählt . Der Apotheker , höchstens Anfang 40 , erzählt bereitwillig über das Italienischsein in Pirano ! Die Dame hinter mir in der Schlange wartet geduldig und lächelt . „ Wir sind damals 13-14 gewesen in der Klasse mit italienischem muttersprachlichem Unterricht ”, erinnert er sich . Er könne die Zahl der Italiener bzw . Italienischsprachigen heute , die bis in die 1950er Jahre die Bevölkerungsmehrheit in Pirano gestellt hätten ( Istrisch-Dalmatischer Exodus ), gar
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