Sonntagsblatt 3/2022 | Page 31

uns vor und immer ohne Noten . Aber er handhabte sein Instrument schön , rein kräftig und gefühlvoll ...“( A . Schurz , Lenaus Leben , S . 143 ).
Nach Wien zurückgekehrt , belegt Lenau erneut den Philosophiekurs und wendet sich ab dem Herbst 1824 auch dem Deutschen Recht zu , ohne die Poesie zu vernachlässigen : Es entstehen Oden , Liebesgedichte und gefühlvolle Lebensbilder .
Der Dichter weilte zwischen 1822 und 1824 häufig im Retzer Weinland ( NÖ ). Sein aus Asparn a . d . Zaya stammender Schwager - selbst Dichter - und erster Biograph Lenaus , Anton Xaver Schurz ( 1794-1859 ) – er ehelichte 1821 Lenaus ältere Schwester Therese – war mit dem Stockerauer Chorrektor , Lehrer und Hauptschuldirektor Johann Michael Plöch aus Breitenwaida verschwägert . Auf Einladung von Schurzens Vater , des herrschaftlichen Gutsverwalters , ehemaligen Stockerauer Postmeisters und Magistratsrates Johann Paul Schurz aus Asparn a . d . Zaya , weilte der Dichter hin und wieder in Schrattenthal . Dort wurde Lenau auch von dem ( wie Adalbert Stifter ) in Oberplan im Böhmerwald gebürtigen Dechant Holzinger , vormals Pfarrer in Stockerau , vor dessen Kellerhaus bewirtet . ( Der biedermeierliche Schrattenthaler Pfarrkeller , bekannt unter dem Namen „ Lenau - Keller “, besteht heute noch .) Anton Xaver Schurz erinnert sich . „/... Wein , Gesang und Gedichte erquickten uns die Herzen und befeuerten uns den Geist . Nachdem ich einige Gedichte von mir vorgetragen , ließ sich auch Niembsch überreden , ein paar seiner Rosen uns zu reichen ; Es waren Rosen von Gräbern , geweinten Taues voll .../“ Es war dies bereits ein Vorgeschmack auf Lenaus Schwermut , ein „ Markenzeichen “ seiner überaus gefühlvollen Poesie , die ihm zu Weltruf verhelfen sollte .
In einem Gespräch mit Lenaus Schwester Therese in Schrattenthal erinnerte sich der Retzer Stadtpfarrer Vinzenz Weintridt seines ehemaligen Studenten an der Wiener Universität sowie dessen glänzender Begabung – Lenau hatte damals bereits einige Semester Philosophie , Ungarisches Recht , Jura , Landwirtschaft und Deutsches Recht studiert , ohne jedoch einen Abschluss zu erlangen – und erahnte , dem Dichter weissagend , eine unglückliche Zukunft . Und Weintridt sollte Recht behalten : Lenau schaffte anschließend sein Medizin- Studium ( zuletzt in Heidelberg ) bis zur Abschlußprüfung , zu der er jedoch nicht mehr antreten wollte .
Der Dichter bevorzugte die Schreibkunst , ihr verschieb er sein Leben , sein von zahllosen Tiefschlägen und Enttäuschungen durchtränktes Dasein , das von unerfüllter Liebe und von Verdächtigungen seitens des Metternichschen Polizeistaates ebenso geprägt war wie von seiner dauernden Besorgnis um die bedrohte Existenz . Ruhelos katapultierte es den Dichter immer wieder nach Schwaben zum schwäbischen Dichterkreis um Justinus Kerner ( Ludwig Uhland , Karl Mayer , Gustav Schwab , Alexander Graf von Württemberg , Gustav Pfitzer ), wo er freundliche , ja herzliche Aufnahme fand .
Mit ein Grund zur „ Flucht “ aus dem beengten Wien war auch die Enttäuschung des Dichters nach seiner Liebesbeziehung zu Bertha Hauer ( 1823 ), einem armen 15-jährigen Mädchen „ ohne eigentliche Bildung “. Anfangs stolz auf die ihm 1826 von dieser Jugendliebe Bertha Hauer geschenkte Tochter Adelheid Magdalena
Niembsch ( 1826-1844 ) bezweifelte Lenau bald seine Vaterschaft und trennte sich von Bertha Hauer und Tochter : “/ Nun ist ’ s vorüber ; in den Tagen ,/ Als ihr Betrug ins Herz mir schnitt ,/ Hab ich das süße Kind erschlagen ,/ Und mit dem Leben bin ich quitt ./.../ Nicht mehr zum Lustschloss umgelogen ,/ Scheint mir die Erde , was sie ist :/ Ein schwankes Zelt , das wir bezogen / - Gott habe Dank ! - auf kurze Frist ..../(„ Unmut “).
Am 24 . Oktober 1829 stirbt die über alles geliebte Mutter , bei der Lenau sich unendlicher Gegenliebe erfreuen durfte . In Gedichten wie „ Der offene Schrank “, „ Der Traum “ und „ Der Seelenkranke “ findet der tiefempfundene Schmerz seinen Widerhall :
/„ Ich trag im Herzen eine tiefe Wunde ,/ Und will sie stumm bis an mein Ende tragen ;/ Ich fühl ihr rastlos immer tiefres Nagen ,/ Und wie das Leben bricht von Stund zu Stunde .“/( Der Seelenkranke ).
Den unaufhörlich Suchenden verband bis zu seinem Lebensende eine innige Freundschaft mit Anastasius Grün ( Alexander Graf Auersperg ), dem späteren Biographen Lenaus . Beziehungen des Dichters zu Gleichgesinnten wie Eduard von Bauernfeld , Franz Grillparzer , Ferdinand Raimund , Johann Gabriel Seidl , Karl Johann Braun von Braunthal , Friedrich Witthauer , Ludwig August Frankl , Josef Klemm , Ernst Freiherr von Feuchtersleben u . a . befruchteten sein geistiges Schaffen . Es darf nicht verschwiegen werden , dass Franz Grillparzer hin und wieder zynische Äußerungen in Richtung von Lenaus Schwermut und Träumereien von sich zu geben bemüßigt war .
. Mit Schwager Schurz und Fritz Kleyle begannen ab 1826 Wanderungen durch das Hochgebirge : ab Vöslau über das Triestingtal nach Pottenstein , dann über Berndorf nach Gutenstein - damals ein „ arg verfallenes Felsennest “ - und zum Schneeberg . Ein Jahr später führte die Wanderung von Berndorf über Hernstein nach Starhemberg und Gutenstein wieder zum Schneeberg . Nach nächtlicher Wanderung beim Anblick der Burgruine wurde Lenaus Gedicht „ Vergänglichkeit “ geboren : //“ Vom Berge schaut hinaus ins tiefe Schweigen / der mondbeseelten schönen Sommernacht / die Burgruine ; und in Tannenzweigen / Hinseufzt ein Lüftchen , das allein bewacht / die trümmervolle Einsamkeit , / den bangen Laut : ‚ Vergänglichkeit ‘//.
Kuhschneeberg , das wildromantische Höllental und Preiner Alpen bis hinunter nach Gloggnitz hinterließen ihre poetischen Spuren . Anderen Mals ( 28 . 6 . 1835 ) ging es über Gießhübel nach Heiligenkreuz : „ Vor Heiligenkreuz betraten wir das lieblichste Wiesenwäldchen , das ich mein Lebtag sah . Niembsch , auch ganz entzückt davon , wollte Ähnliches gesehen haben bei Tübingen und er erinnerte sich lebhaft Uhlands , Mayers und Schwabs , „//. .. In Heiligenkreuz rief Niembsch ein paarmal aus : ‚ Wenn ( Justinus ) Kerner bei uns doch wäre ! Der würde aufjauchzen : ‘ Das ist zu lieb ‘“ ( Schurz ). Die Eindrücke dieser bis zum Hochschwab fortgesetzten Wanderung wurden im Gedicht „ Weib und Kind “ verewigt : //“ Ein schwüler Sommerabend war ‘ s , ein trüber ,/ ich ging fußwandernd im Gebirg allein , / und ich bedachte mir im Dämmerschein , / was mir noch kommen soll , was schon vorüber ...“//