Sonntagsblatt 3/2022 | Page 32

Auf diesen ausgedehnten Wanderungen ins Hochalpine Niederösterreichs und im Salzkammergut lernte Lenau nette Menschen kennen , schloss Freundschaft mit dem Dichter Mathias Leopold Schleifer und verliebte sich in die Gmundener Lehrerstochter Nanette Wolf , der er das Gedicht „ An meine Rose “ widmete : /“ Frohlocke , schöne junge Rose ,/ Dein Bild wird nicht verschwinden , / Wenn auch die Gluth , die dauerlose ,/ Verweht in Abendwinden .“/
Der engen Freundschaft mit dem jungen polnischen Adeligen Nikolaus Boloz von Antoniewicz , mit dem Lenau unter einem Dach wohnte , verdankt der Dichter die Anregung zu seinen „ Polenlieder “, in denen sich Lenaus revolutionärer Geist bestätigt findet .
In dem 1830 in der „ Wiener Modenzeitung “ veröffentlichten Gedicht „ Die Werbung “ sowie in der in Spindlers „ Damenzeitung “ publizierten Allegorie „ Glauben , Wissen , Handeln “ zeichnet der Dichter erstmals mit „ Lenau “.
Nach einer Erkrankung bricht der Dichter vor seinem letzten Examen das Medizinstudium ab , ohne es trotz späterer Versuche in Heidelberg je abzuschließen ....
Nach dem Tod seiner Großmutter ( 23 . September 1830 ) fällt Lenau ein kleines Vermögen zu und es scheint , als wäre der Dichter fortan finanziell abgesichert .
Die Reisetätigkeit des Dichters zwischen Wien und dem Schwäbischen wird ab August 1931 intensiv . Oft weilt Lenau bei Justinus Kerner in Weinsberg , im Hartmann-Reinbeckschen Haus in Stuttgart , wo er in der Dame des Hauses , Emilie Reinbeck ( 1794-1846 ), eine aufmerksame Gastgeberin und während seiner späteren Krankheit eine hingebungsvolle Pflegerin findet . Lenau verliebt sich in Charlotte Gmelin („ Schilflottchen ), eine Nichte von Gustav Schwabs Frau , und auf Schloss Serach bei Esslingen war Lenau häufiger Gast des Grafen Alexander von Württemberg , wo er vom Grafen und von dessen ungarischer Frau , der Gräfin Helene von Festetics-Tolna , liebevoll „ Graf Miklós “ gerufen wurde . Alexanders Schwester Marie von Württemberg zählte zu den zahlreichen Verehrerinnen Lenaus und der Dichter ließ sie als Königstochter Marie in seinem FAUST in die Literatur eingehen . Später sollte Lenau an einer traurigen Auseinandersetzung teilhaben , nämlich als Sekundant Alexanders in dessen Duell mit dem Geliebten seiner Frau .
Lenau fühlte sich aber wohl inmitten des Schwäbischen Dichterkreises : Justinus Kerner , Ludwig Uhland , Alexander Graf von Württemberg , Gustav Pfitzer , Karl Mayer u . a . Gustav Schwab ebnet Lenau den Weg zum Cotta- Verlag , einer der einflussreichsten Institutionen jener Zeit , nachdem Gustav Schwabs „ Morgenblatt für gebildete Stände “ einige Lenau-Gedichte veröffentlicht hatte . Aus dieser Zeit stammen Gedichte wie „ In der Schenke “, „ Am Grabe eines Ministers “ ( Anspielung auf Fürst Metternich ), „ Das Posthorn “ u . a .
Nach dem erfolglosen Wiederaufnahmeversuch des Medizinstudiums in Heidelberg gibt es der Dichter endgültig auf : Er war eben für keinen bürgerlichen Beruf geeignet , trieb es ihn doch wie FAUST dazu , sich alles Wissen aneignen zu wollen , um sich sein berufliches
Scheitern einzugestehen . Diesbezüglich äußerte der Dichter die Meinung , dass er als Mediziner wohl einzelnen Menschen helfen , durch seine Dichtung jedoch die ganze Menschheit erfreuen kann . Trotz starker Zuneigung zu Charlotte Gmelin , entschloss sich der „ Europamüde “, die grenzenlose Freiheit in den nordamerikanischen Weiten zu suchen , reiste über Amsterdam und Baltimore nach Pittsburgh und erwarb in Crawford County einen zirka 162 ha großen Landbesitz , der später verpachtet wurde .
Aber auch in den Urwäldern und Weiten der Neuen Welt findet der Rastlose nicht das „ wahre Glück “. Seine Sympathie für die Indianer und deren Heimat findet ihren Niederschlag in der Dichtkunst : „ Der Indianerzug “, „ Der Niagara “, „ Der Urwald “, „ Das Blockhaus “. Für die Zuwanderer findet Lenau jedoch kein Verständnis : “ Die Bildung der Amerikaner ist bloß eine merkantile , eine technische . Hier entfaltet sich der praktische Mensch in seiner furchtbarsten Nüchternheit ... Der Amerikaner kennt nichts , er sucht nichts - als Geld “ ( Brief : 6.3.1833 an Joseph Klemm , LHKA 5 / 1 , 244 ). Und weiter urteilt der Dichter : “ Diese Amerikaner sind himmelanstinkende Krämerseelen ...“( Brief an Schwager A . X . Schurz : 16.19.1832 , LHKA 5 / 1 , 230 f .)
Nach der großen Enttäuschung Amerika kehrte der Dichter nach dem Besuch der Niagara - Fälle über New York und Bremen im Juli 1833 nach Europa zurück und über Württemberg gelangte er im September nach Wien .
Mittlerweile war 1832 bei Cotta sein erster Gedichtband erschienen und Lenau ein bekannter Mann geworden . Dementsprechend wurde er überall – auch in Wien – bestens aufgenommen …
1833 setzt eine arbeitsreiche Zeit ein - Lenaus Arbeit an seinem FAUST : Am 27 . 11 . 1833 schreibt der Dichter an Justinus Kerner : „/.... schreibe gegenwärtig einen Faust , wo sich Mephistopheles nicht übel macht . Da hab ‘ ich endlich einen Kerl gefunden , auf den ich meinen ganzen Höllenstoff ablagern kann .../“ ( LHKA 5 /!, 297 ).
Dass auch Goethe einen Faust geschrieben , stört Lenau nicht , denn Faust sei kein Monopol Goethes , so der nüchterne Kommentar des Dichters . Gleichzeitig mit Lenaus Arbeit an FAUST tritt im Leben des Dichters eine schicksalsbestimmende Wende ein : Er lernt die Base seines Jugendfreundes Fritz Kleyle Sophie von Löwenthal ( 1810-1889 ) kennen , die Frau seines Freundes Max , ebenfalls literarisch und zwar in Sachen Dramatik tätig . Sophie - Mutter von drei Kindern und treue Ehegattin - und Lenau wissen von Anbeginn , dass ihre Liebe hoffnungslos bleiben muss , was den Dichter in zermürbende Seelenzustände versetzt . Der durch dieses Schicksal hervorgerufene Schmerz widerspiegelt sich auch in vielen Sophie gewidmeten Gedichten wie „ An die Entfernte “, „ Das dürre Blatt “, “ Der schwere Abend “, „ Der schwarze See “, „ Verlorenes Glück “, „ Traurige Wege “ - schwermutgetränkte Lyrik eines Zerrissenen : // Diese Rose pflück ich hier ,/ In der fremden Ferne ;/ Liebes Mädchen , dir , ach dir / Brächt ich sie so gerne !/.../ Rosen wecken Sehnsucht hier ,/ Dort die Nachtigallen ,/ Mädchen , und ich möchte dir / In die Arme fallen !“// ( An die Entfernte ).
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