im Mittelpunkt. In meiner Dissertation habe ich sein Schicksal
eingehend bearbeitet, und als wir uns im Jahre 2017 auch per-
sönlich treffen konnten – und ich Herrn Richter seine Akten aus
den Jahren 1950-1953 aus dem Archiv der ungarischen Staats-
sicherheitsdienste überreichen konnte – war dieser Moment für
uns beide – für die Erlebnisgeneration und für die Enkelgenera-
tion – unvergesslich. Herr Richter war an diesem Gedenktag ein
besonderer Gast, ein Brückenbauer, ein Zeitzeuge, der viel zu
erzählen hatte.
Die Rolle von Zeitzeugen - wie die von Herrn Richter - betonte in
seinen Begrüßungsworten der Parlamentarische Staatsekretär
beim BMI, BdV, Vizepräsident Stephan Mayer, als er über eine
aktive Erinnerungskultur – gerade für die jungen, heranwachsen-
den Generationen – sprach. Neben dem ungarndeutschen Zeit-
zeugen Herrn Georg Richter aus Nemesnádudvar/Nadwar (92
Jahre alt, heute lebt er in Ulm) stellten sich auch eine Zeitzeu-
gin, Frau Dr. Maria Werthan, Präsidentin des Frauenbundes des
Bundes der Vertriebenen, sowie eine russlanddeutsche Social
Media-Aktivistin, Irina Peter, und der Organisator des Brünner
Gedenk- und Versöhnungsmarsches, Jaroslav Ostrcilík, den
Fragen. Die Podiumsdiskussion war sehr interessant, und Frau
Bavendamm, Direktorin der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Ver-
söhnung“, moderierte die Gespräche ausgezeichnet. Das bewei-
sen auch die guten Fragen der Schüler aus den Schulklassen
aus Deutschland und Rumänien – vor allem an den Zeitzeugen
Herrn Georg Richter. Durch solche erfolgreiche Veranstaltungen
können die Themen Flucht und Vertreibung im gesellschaftlichen
Bewusstsein gestärkt werden, was heute vielleicht noch wichti-
ger ist als früher.
Offizielle Gedenkstunde
Am Nachmittag um 13.00 Uhr im Rahmen einer Gedenkstunde
im Zeughaushof des Deutschen Historischen Museums in Berlin
begrüßte Herr Bundesinnenminister Seehofer die Gäste und be-
tonte die Lebensleistung der deutschen Vertriebenen nach dem
Zweiten Weltkrieg. Er war der Meinung, dass aus der Erfahrung
der Vergangenheit heraus dieser Gedenktag eine Mahnung, ein
Weckruf für die Gegenwart sei. Demokratie braucht Erinnerung.
Auf die Begrüßungsworte von Herrn Bundesinnenminister folgte
ein Grußwort und ein Gebet von Bischof Reinhart Guib, Evange-
lische Kirche A.B. in Rumänien.
Herr Dominik Bartsch, Vertreter des Hohen Flüchtlingskommis-
sars der Vereinten Nationen in Deutschland, hielt danach eine
berührende Rede, in der er zuerst über die Geschichte eines am
Ende des Zweiten Weltkrieges erst 7 Jahre alten Mädchens er-
zählte, das mit seiner Mutter und mit seinen zwei Geschwistern
die Heimat verlassen musste. Während der Flucht ist sein jünger
Bruder (Säugling) gestorben, ruhet also heute in einem fremden
Land. Dieses Mädchen ist heute 80 Jahre alt. Nach dieser Ge-
schichte erzählte Herr Bartsch mit bewegenden Worten über die
heutigen 7-jährigen Mädchen, die aus ihrer Heimat flüchten müs-
sen, und erinnerte das Publikum an die aktuellen Flüchtlingsthe-
men. „Während ich hier rede, werden weiter Menschen verfolgt“,
sagte Herr Bartsch.
Die Hauptrede hielt Frau Professor Aleida Assmann, Trägerin
des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2018. Frau
Professor Assmann betonte in ihrer Ansprache die Rolle der Er-
innerungskultur, die als Erinnerung und Gedenken an die Opfer
der Flucht und Vertreibung nunmehr in allen betroffenen Län-
dern, also grenzübergreifend stattfinden soll. Das Schlusswort
der Gedenkstunde hielt Herr Dr. Bernd Fabritius, Präsident des
Bundes der Vertriebenen. Herr Dr. Fabritius erinnerte das Publi-
kum an den Winter 1945, an die Zeit der Flucht und Vertreibung
der Deutschen und an die Zeitzeugen, die uns vom Kampf ums
Überleben berichteten. Dieses Unrecht, das rund 15 Millionen
Deutschen widerfahren ist, und dessen Folgen haben unsere
Identität ganz erheblich geprägt, betonte Herr Dr. Fabritius. Jede
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Vertreibung, jede ethnische Säuberung – gleichgültig wo, wann
und warum – sei immer ein Verbrechen, sagte er im weiteren und
war der Meinung, dass Europa den Tatbestand der Vertreibung
für die Zukunft sanktionsfähig normieren muss.
Musikalisch wurde die Gedenkstunde von der Karajan-Akademie
der Berliner Philharmoniker e. V. mit Werken der Komponisten S.
Prokofiev, M. Weinberg und K. Weill umrahmt. Nach dem Pro-
gramm konnten die Gäste beim Empfang über diese Themen Ge-
spräche führen. Zeitzeuge Herr Georg Richter war sehr berührt,
fand die Reden ausgezeichnet und freute sich darüber, dass
hier, an diesem Gedenktag in Würde, mit der angemessenen
Ehrerbietung und mit Empathie der menschlichen Pflicht des Er-
innerns und des Gedenkens nachgekommen wurde. Flucht und
Vertreibung sind ein Teil unserer Geschichte: Millionen Deutsche
mussten im 20. Jahrhundert aufgrund von Flucht, Vertreibung,
Zwangsumsiedlung und Deportation ihre Heimat verlassen. Da-
bei kamen Hunderttausende Menschen ums Leben, wurden in
Internierungslagern körperlich und seelisch verletzt oder verloren
durch die Vertreibung ihr Hab und Gut. Die historische Aufarbei-
tung dieser Ereignisse und das Gedenken an die Opfer werden
von der Bundesregierung auch mit Hilfe solcher Gedenktage un-
terstützt. Ich bin der Meinung, dass wir am 20. Juni in Berlin alle
in angemessener Weise unserer Opfer gedacht haben.
Kunterbunt
Kindergärten in der Trägerschaft örtlicher deutscher
Selbstverwaltungen – Teil 3: Kindergärten im Porträt:
4. Der Kindergarten Wemend
Von Richard Guth
„Entscheidend waren und sind für uns die moralische Unterstüt-
zung der Trägerin, die Erwartungen der Eltern und die Motiva-
tion der Mitarbeiter”, beginnt Maria Umstädter-Gasz, die bis vor
kurzem den Kindergarten in der Branauer Gemeinde Wemend/
Véménd leitete - und dies zwölf Jahre lang -, unser Gespräch.
Wir unterhalten uns über Gegenwärtiges und Vergangenes, aber
auch ein Blick in die Zukunft darf nicht fehlen.
Der Kindergarten in Wemend im Kreis Petschwar wird seit Sep-
tember 2015 von der örtlichen deutschen Selbstverwaltung ge-
tragen. Eine Entscheidung, die sich auch finanziell gelohnt hätte.
Zuvor hatte sich auch der Gemeinderat von Wemend bemüht,
die Einrichtung zu unterstützen. Dank der Grundfinanzierung
und der Bewerbungsgelder konnte die Dorfküche erneuert wer-
den, der der Kindergarten laut Umstädter-Gasz 28 Millionen
Forint (88.000 Euro) beigesteuert hat. Vor kurzem wurde ein
Projekt in Höhe von fünf Millionen Forint (16.000 Euro) abge-
schlossen, in dessen Rahmen der Spielplatz auf dem Hof und
die Küche erneuert sowie Geräte gekauft und die IT-Infrastruktur
weiter ausgebaut worden seien, so Umstädter-Gasz. Sie weist
gleichzeitig ausdrücklich darauf hin, dass es vordergründig nicht
um das Mehr an Geld gehen würde: „Bei uns kommt es vom
Herzen, zumal wir alle die Stifolder Wemender Mundart von zu
Hause aus sprechen.” Mit „wir“ sind die Kolleginnen Rita Szelig
und Alexandra Aszmann-Barta gemeint, die dem Gespräch auch
beiwohnen. Entscheidend für die Ausrichtung der Bildungsein-
richtung sei stets die Person der Leiterin, darin sind sich alle drei
einig, und rufen Zeiten in Erinnerung, als der Kindergartenlei-
tung die Vermittlung der Sprache und der Traditionen nicht so
wichtig gewesen, gar verpönt gewesen sei. Dies könnte nach
Ansicht meiner Gesprächspartnerinnen auch an der Geschichte
des Dorfes nach 1945 liegen, denn anfangs habe sich - wie in
vielen anderen Dörfern - das Zusammenleben Neusiedlern (ung.
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